RSNplusGrand-Tour-Achterbahnfahrt hält an

Remco-Rätsel: Evenepoels Aus lässt auch Pogacar ratlos zurück

Von Sebastian Lindner

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Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) hat die Tour auf der 14. Etappe verlassen. | Foto: Cor Vos

19.07.2025  |  (rsn) – Bei kaum einem Top-Profi im Peloton divergieren gute und schlechte Tage so sehr wie bei Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step). An guten Tagen wird er Doppel-Olympiasieger, Weltmeister, oder er gewinnt die Vuelta. An schlechten Tagen hält er bei den Frühjahrsklassikern unterwegs an, giftet gegen Kamera-Motorräder, die ihn filmen, wenn er hinterherfährt – oder er steigt eben bei der Tour de France aus.

Evenepoel ist zwar auch erst 25 Jahre alt, aber eben auch kein Jungspund mehr. Seit mittlerweile sechs Jahren gewinnt er Rennen auf WorldTour-Niveau. Leistungsschwankungen sind das eine, Unbeherrschtheiten das andere. Keine Frage: Der Belgier ist ein Kämpfer. Aber er besitzt scheinbar auch ein manchmal schwer zu zügelndes Temperament. Läuft es nicht nach Wunsch, katapultiert er sich auch schnell mal in eine Negativspirale.

___STEADY_PAYWALL___Seit die Tour die Pyrenäen erreicht hatte, lief es nicht mehr rund für Evenepoel. Am dritten schwachen Tag in Folge zog er nun die Reißleine und stieg mitten am ersten Berg der 14. Etappe, dem Col du Tourmalet, in den Teamwagen ein und damit aus dem Rennen aus.

“Aufgeben liegt nicht in meiner Natur“ – Evenepoel tut es trotzdem

Nach einem ebenfalls nicht seinen Vorstellungen entsprechenden Bergzeitfahren hatte Evenepoel auf dem Kurznachrichtendienst X noch geschrieben: “Sehr schlechter Tag auf dem Rad, aber Aufgeben liegt nicht in meiner Natur.“ Keine 24 Stunden später setzte sich der Träger des Weißen Trikots, das er mit dem Etappensieg im Zeitfahren auf der 5. Etappe übernommen hatte, ins Teamauto. Auf dem Gipfel des Tourmalet hatten seine Mutter Agna und sein Vater Patrick auf den Sohn gewartet, um ihn anzufeuern. Vergeblich. “Ich wusste, dass sie kommen würden, um mich zu unterstützen“, sagte Evenepoel Het Laatste Nieuws. “Es war der schlimmste Tag, um abzusteigen.“

Auf der 14. Etappe war die Tour de France für Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) beendet. | Foto: Cor Vos

Dennoch tat er es. Unter Tränen. “Es wurde schlechter und schlechter. Ich hatte ein ganz mieses Gefühl“, sagte er RSN am Teambus, nachdem er sich etwas gesammelt hatte. "Das Team sagte mir, dass ich aufhören solle und das war die einzig richtige Entscheidung.“ Was genau sein Problem war? Keiner weiß es so genau. Diagnose? Fehlanzeige.

Auch sein Sportlicher Leiter Tom Steels hatte gegenüber Eurosport keine echte Erklärung parat. “Es war der dritte Tag in Folge, an dem er sich nicht gut gefühlt hat. Man hofft auf das Beste, aber es ist offensichtlich nicht eingetreten. Er hatte auch nicht die Beine, um zu leiden. Es ist dann klüger, aufzuhören und sich gut zu erholen.“

Vor der Etappe hatte Evenepoels Trainer Koen Pelgrim gegenüber mehreren Medien bereits gemutmaßt, dass die Vorbereitung seines Schützlings ausschlaggebend für die Schwäche gewesen sein könnte. “Irgendwie hat er sich nicht gut von der Dauphiné erholt. Er litt dort an einer Allergie und wir mussten sein Training danach anpassen“, so Pelgrim. “Er erreicht bergauf aktuell nicht die Werte, die er normalerweise erreichen sollte.“

Auch Evenepoel selbst brachte am Bus den eher ungünstigen Jahresverlauf ins Spiel. “Jeder weiß, dass ich einen furchtbar schlechten Winter hatte“, spielte er auf seinen Zusammenstoß im Dezember 2024 mit einem Postauto an, der ihn aus dem Spiel nahm und nach langer Rehabilitation erst ab Mitte April wieder Rennen fahren ließ. “Vielleicht ist da etwas im Körper. Abgesehen vom Radfahren fühle ich mich nie wirklich müde und schlecht. Aber auf dem Rad kann ich nicht das treten, was ich eigentlich sollte.“

Auch Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG, li.) kann sich auf Evenepoels Leistungsschwankungen keinen Reim machen. | Foto: Cor Vos

Vielleicht ist da aber nicht nur etwas im Körper, vielleicht ist da auch etwas im Geist. Evenepoel ist extrem großen Erfolgsdruck ausgesetzt. Das Tour-Podium mindestens, aber das Weiße Trikot waren Pflicht. Beides geriet in den letzten Tagen aber mehr und mehr in Gefahr, nachdem die junge Konkurrenz um Oscar Onley (Picnic – PostNL) und Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe) immer näher rückte. Und wer weiß, ob es für den mental nicht immer stabil wirkenden Evenepoel nicht sogar besonders belastend war, dass ihm in Lipowitz ausgerechnet ein Profi um die Ohren zu fahren drohte, der für das Team aktiv ist, mit dem er zuletzt immer stärker in Verbindung gebracht wurde.

Auch der Mann in Gelb, Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG), konnte sich nicht so wirklich einen Reim auf den Ausstieg seines Konkurrenten machen. “Es ist traurig, dass Remco die Tour aufgeben musste. Ich weiß nicht, was genau mit ihm passiert ist, aber wir haben gestern darüber gesprochen, dass er sich nicht von all den Medien, die ihn umgeben, mitreißen lassen und sich stattdessen auf den Moment konzentrieren sollte“, wurde er auf letour.fr zitiert. “Im Radsport weiß man nie, wie man wieder aufwachen wird - oder wann man wieder um das Podium der Tour de France kämpfen wird.“ Wer möchte, kann da durchaus auch etwas Kritik heraushören.

Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe) profitierte vom Ausstieg des Belgiers und rückte auf Gesamtrang drei vor. | Foto: Cor Vos

Fakt ist, Evenepoel hat die Frankreich-Rundfahrt aufgegeben und damit die dritte seiner bisher sechs Grand Tours vorzeitig beendet. Offenbar vor allem auf Anraten des Teams. "Klaas (Lodewyck, sportlicher Leiter) sagte mir, ich solle aufhören. Ich hätte weiterfahren können, aber wer weiß, vielleicht hätte sich das schlechte Gefühl noch mehr in den Körper geschlichen. Und im September wäre nichts mehr gegangen."

Da stehen die Weltmeisterschaften in Kigali auf dem Programm. Sowohl fürs Zeitfahren als auch dem Straßenrennen zählt Evenepoel schon jetzt zum Favoritenkreis. “Er hat noch Ziele in dieser Saison und die hätte man aufs Spiel gesetzt, wenn er weitergefahren wäre. Man muss die Entscheidung, aufzuhören auch in diesem Sinne rechtzeitig treffen“, sagte Steels. “Es ging ihm nicht gut und man muss gut aufpassen, ihn nicht über das Limit zu treiben, denn sonst verliert man nicht Tage, sondern Monate. Wir kennen die Ursache nicht, aber hoffentlich kann er sich schnell erholen.“

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