RSNplusAuftakt-Debakel (weg)erklärt

Red Bull büßt am ersten Tour-Tag Zeit und Selbstbewusstsein ein

Von Tom Mustroph aus Lille

Foto zu dem Text "Red Bull büßt am ersten Tour-Tag Zeit und Selbstbewusstsein ein"
Das gesamte Team Red Bull - Bora - hansgrohe wurde im Finale der 1. Tour-Etappe abgehängt. | Foto: Cor Vos

05.07.2025  |  (rsn) - Nein, diesen ersten Tag der Tour de France hatte man sich bei Red Bull – Bora – hansgrohe sicher ganz anders vorgestellt. Mick van Dijke, Laurence Pithie und Gianni Moscon sollten gerade bei den ersten von Wind, schmalen Straßen und engen Kurven gekennzeichneten Etappen die Bergfahrer des Teams beschützen.

Auch Danny van Poppels Qualitäten liegen hier, und selbst Jordi Meeus, für den van Poppel den Sprint vorbereiten soll, ist ein starker Klassikerfahrer. Aber all dieses Potenzial und auch all dieses Wissen um die Tücken der ersten Etappen reichten nicht aus, um die Blamage zu verhindern. Kein einziger Fahrer von Red Bull schaffte es, in der 36 Mann starken ersten Windstaffel dabei zu sein, die sich etwa 17 Kilometer vor dem Ziel gebildet hatte.

Uno-X Mobility, ein nominell zweitklassiges Team mit etwa einem Fünftel des Budgets des deutschen WorldTour-Rennstalls, hatte hingegen gleich vier Mann vorne drin. “Wir haben uns gut vorbereitet auf diese Rennsituation, ein klasse Tag für uns“, freute sich Teamchef Thor Hushovd gegenüber RSN in Lille.

___STEADY_PAYWALL___ Weniger nach Freuen war selbstverständlich seinem Kollegen Ralph Denk zumute. Der Oberbayer biss aber die Zähne zusammen und stellte sich den Nachfragen. “Wir haben uns das natürlich anders vorgestellt. Das hätte so nicht sein sollen“, sagte er RSN. So richtig erklären konnte er sich das Versagen seiner Männer allerdings nicht. Denk bemühte sich vielmehr, das tiefschwarze Bild der Niederlage – Zeitverlust von 39 Sekunden sowohl für Primoz Roglic als auch für Florian Lipowitz - mit ein paar Grautönen etwas heller zu zeichnen. “Das ganz große Drama ist es nicht. Und wenn man jetzt schon das Endergebnis von Paris hätte, dann würden wahrscheinlich 30 Sekunden keinen Platz nach vorn und auch keinen nach hinten ausmachen“, meinte er.

Etwas Trost fand er in der Tatsache, dass auch andere Teams mit sogar noch mehr Klassikererfahrung in Kopf, Beinen und Teamautos den Zug nach vorn verpassten: Soudal – Quick-Step um Remco Evenepoel etwa und Lidl - Trek um Sprintstar Jonathan Milan.

Kein einziger Fahrer von Red Bull – Bora – hansgrohe war in Lille dabei, als eine rund 30-köpfige Spitzengruppe um den Sieg auf der 1. Tour-Etappe sprintete. | Foto: Cor Vos

Aber ein Tag muss schon sehr misslungen sein, wenn nur das Leid der anderen etwas Trost zu spenden vermag. Performance Manager Rolf Aldag strich vor allem die Komplexität des am Fernseher verhältnismäßig einfach aussehenden Tages heraus. “Die Etappe war nicht vorhersehbar. Wegen der Wetterbedingungen und mit den Ortsdurchfahrten war es einfach schwierig, vorherzusagen, was passieren wird.“

Und statt auf Risiko zu gehen und die Situation auszunutzen, entschied man sich dann für eine eher defensivere Variante. “Wir entschieden uns für: lieber sicher fahren und durchkommen“, sagte Aldag. Das allseits bekannte Sturzpech von Kapitän Roglic mochte da ebenfalls eine Rolle gespielt haben. “Wir kennen unsere Historie. Wir kennen die Risiken am Anfang der Tour de France und haben uns dann dafür entschieden, zu sagen, wir wollen auf der sicheren Seite bleiben“, gab Aldag zu. “Wir haben heute Risiko-Managment gesehen. Man muss abwägen, was man haben will, ob man nicht ganz perfekt fährt und sagen wir, eine halbe Minute verliert. Aber eine halbe Minute Rückstand ist definitiv besser als eine gebrochene Schulter, Arm, Bein, Nase oder sonstwas.“

Kaum ein Trost war, dass auch Remco Evenepoel und sein Soudal-Quick-Step-Team den Postabgang verpassten | Foto: Cor Vos

So gesehen war diese 1. Etappe dann fast schon ein Erfolg für Red Bull. Denn Roglic kam ohne schmerzhaften Kontakt mit dem nordfranzösischen Pflaster durch. Und auch Jungstar Florian Lipowitz war möglicherweise nicht in der allerbesten Verfassung, um beim Kampf um das bessere Ende der Windkante mitzumachen. Der Schwabe hatte gleich zu Beginn der Etappe zu einem recht unglücklichen Moment einen Defekt. Er musste einige Kilometer kämpfen, um wieder zurück in den Schoß des Pelotons zu gelangen.

Lipowitz bei der Aufholjagd ohne Helfer

Dass ihm bei der Aufholjagd kein Mann an die Seite gestellt wurde, verblüffte viele. Aldag allerdings hatte dafür eine recht einleuchtende Erklärung parat. “Gewöhnlich ist der Konvoi einfach eine bessere Hilfe als ein Teamkollege, wenn wir ehrlich sind. Schickst du einen Teamkollegen zurück, dann ist der geschützte Fahrer der zweite im Wind. Statt eines Autos mit acht Rädern oben drauf hat er nur einen einzelnen ziemlich dünnen Menschen vor sich, der ihm Windschatten gibt. Das ist nicht so hilfreich. Wenn du hinter einem Auto vielleicht 200 Watt aufwenden musst, musst du hinter dem Teamkollegen um die 400 Watt treten“, lautete seine Rechnung.

“Das Beste ist dann, wenn ein abgeschlagener Fahrer sich durch den Autokonvoi durchgekämpft hat, am Ende des Pelotons auf ihn zu warten, um ihn dann gut nach vorn zu bringen“, fügte er an. Aber dass es nicht richtig glorreich für sein Team aussah, musste er zugeben: “Es war eine schwierige Situation.“

Zumindest blieb das achtköpfige Aufgebot der Raublinger von Stürzen verschont. | Foto: Cor Vos

Hoffen kann man nur, dass Lipowitz daraus nicht die Schlussfolgerung zieht, in entscheidenden Situationen nicht aufs Team bauen zu können. Den moralischen Effekt solcher Rückschläge darf man nicht unterschätzen. In diesem Kontext bewertete auch Denk das Verpassen der ersten Windstaffel als problematisch. “Im Sport braucht man Selbstvertrauen und das haben wir heute sicher nicht gesammelt“, sagte er zu RSN. 

Es gibt also viel zu tun. Nicht nur 39 Sekunden Rückstand gegenüber Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) müssen irgendwo aufgeholt werden. Auch das Zutrauen ins eigene Vermögen muss wieder neu aufgebaut werden.

Das allerdings muss man Red Bull – Bora – hansgrohe lassen: Fahrer wie Betreuer haben eine enorme Comeback-Qualität. Wenn es mal nicht so läuft, dann kommt ganz schnell eine Gegenreaktion, wie etwa Nico Denz’ Etappensieg beim Giro nach dem Ausscheiden von Kapitän Roglic im Mai. Mal sehen, wer im jetzigen Tourkader den ‘Denz‘ macht.

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.08.2025Gianetti: “Pogacar zu sein ist schön, aber nicht einfach“

(rsn) – Mauro Gianetti, der Teamchef von UAE – Emirates – XRG hat sich zum kommenden Rennkalender und zum Vuelta-Verzicht von Tadej Pogacar geäußert. Am Ende der Tour de Pologne sagte er gege

03.08.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrerinnen / 9. Etappe

(rsn) - 154 Profis aus 22 Teams sind am 26. Juli im westfranzzösischen Vannes zur 4. Tour de Frances Femmes (2.WWT) angetreten, darunter sieben Deutsche, sechs Schweizerinnen und drei Österreicheri

31.07.2025Pogacar “langweilte“ sich in der zweiten Hälfte der Tour

(rsn) – Neben dem Gelben und dem Gepunkteten Trikot sicherte sich Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) bei der Tour de France 2025 vier Etappensiege. Den letzten davon feierte der Slowene ab

30.07.2025Häuslicher Unfall: Vauquelin bricht sich den Knöchel

(rsn) – Spätestens mit seinem siebten Platz bei der 112. Tour de France hat Kevin Vauquelin (Arkéa – B&B Hotels) auch international seinen Bekanntheitsgrad deutlich erhöht. Die Freude über das

29.07.2025Zwei Tage nach der Tour: Aldag verlässt Red Bull - Bora - hansgrohe

(rsn) – Rolf Aldag und Red Bull – Bora – hansgrohe gehen ab sofort getrennte Wege. Das kündigte der deutsche WorldTour-Rennstall überraschend zwei Tage nach Ende der Tour de France an, bei der

28.07.2025Lipowitz: “Manchmal ist der Sportchef nicht glücklich mit mir“

(rsn) - Nur Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe) konnte in den Bergen der Tour de France ansatzweise mit Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und dem Zweitplat

28.07.2025Im Überblick: Alle Gelbe Karten bei der 112. Tour de France

(rsn) – Drei Tage hat es gedauert, bis die UCI-Jury bei der Tour de France 2025 zum ersten Mal hart durchgegriffen und Gelbe Karten verteilt hat: Im Sturzchaos von Dünkirchen bestraften die Kommiss

28.07.2025Angst, natürlicher Schwund und finanzielle Ungleichheit

(rsn) – Die Tinte in den Radsport-Geschichtsbüchern ist gerade erst getrocknet: Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat bei der Tour de France 2025 im direkten Duell mit seinem großen Widersa

28.07.2025Vingegaards “merkwürdige Tour“ endet auf Platz zwei

(rsn) – Das große Ziel hat Visma – Lease a Bike bei dieser Tour de France verfehlt. Jonas Vingegaard musste in Paris mit der zweiten Stufe auf dem Podium vorliebnehmen, der ewige Rivale Tadej Po

28.07.2025Montmartre wirklich einmalig? Prudhomme zieht Tourmalet-Vergleiche

(rsn) – Es sollte etwas Besonderes werden. Immerhin gab es ja auch einen runden Geburtstag zu feiern. Vor 50 Jahren endete die Tour de France erstmals in Paris auf den Champs-Élysées, Ex-Telekom-T

28.07.2025Bericht: Pogacar verzichtet auf die Vuelta

(rsn) – Nach der Tour de France wird es wohl nicht zum nächsten Duell der beiden Topfahrer Tadej Pogacar (UAE - Emirates - XRG) und Jonas Vingegaard (Visma - Lease a Bike) bei der Vuelta a España

28.07.2025Ineos: Von “Null Toleranz“ zu “Null Transparenz“

(rsn) - Es hat etwas gedauert, bis die ARD-Reportage “Geheimsache Doping: Im Windschatten“ auch bei der Tour de France ankam. Aber auf der Pressekonferenz der 20. und vorletzten Etappe sah sich sc

Weitere Radsportnachrichten

09.10.2025Il Lombardia wechselt wieder die Fahrtrichtung

(rsn) - Il Lombardia (1.UWT) wechselt bei seiner 119. Austragung wieder die Richtung. Wie zuletzt 2023 führt das "Rennen der fallenden Blätter" von Como nach Bergamo, nachdem es in den "geraden Jahr

09.10.2025Astana verlängert mit López, Cofidis mit Buchmann und Izagirre

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

09.10.2025“Form stimmt, Beine sind gut“: Pogacar bereit für Il Lombardia

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Team – Emirates – XRG) will seiner bisher wohl stärksten Saison der Karriere am Samstag mit einem fünften Sieg bei Il Lombardia (1.UWT) das Sahnehäubchen aufset

09.10.2025Die Aufgebote für das 119. Il Lombardia

(rsn) – Zum 119. Mal steht Il Lombardia im Rennkalender. Das der fünf Monumente des Radsports führt diesmal über 241 Kilometer von Como nach Bergamo, wobei die Strecke fast identisch mit der von

09.10.2025Neue UCI-Helmregeln ab 2027

(rsn) - Die UCI hat die angekündigten Helmvorschriften nun festgeschrieben. Nachdem in dieser Saison einige Teams bei Straßenrennen Helme einsetzten, die eher an Zeitfahrmodelle erinnern, will der R

09.10.2025Deutschland Tour 2026 vom 19. - 23. August

(rsn) - Mit der Veröffentlichung des UCI-Rennkalenders steht fest: Die kommende Deutschland Tour (2.Pro) wird vom 19. – 23. August 2026 stattfinden. Die nationale Rundfahrt führt dann über wieder

09.10.2025Verabschiedet sich Evenepoel mit einem Sieg von Soudal?

(rsn) – Remco Evenepoel will sich mit einem “guten Ergebnis“ von seinem Team Soudal – Quick-Step verabschieden. Der Zeitfahrwelt- und -europameister, der in der kommenden Saison das Trikot von

09.10.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

08.10.2025Deutschland bekommt 2026 eine zweite UCI-Rundfahrt

(rsn) – Am Dienstag präsentierte der Radsportweltverband UCI den Rennkalender der Männer für 2026 und wie jedes Jahr gibt es auch in der neuen Saison zahlreiche Änderungen. Die wichtigsten fasst

08.10.2025Cyclocross bei Olympia 2030 immer wahrscheinlicher

(rsn) – Seit vielen Jahren versucht der Radsportweltverband UCI die Disziplin Cyclocross ins Olympische Programm zu hieven. Und die Anzeichen verdichten sich, dass dies bei den Winterspielen 2030 ta

08.10.2025Del Toro peilt beim Gran Piemonte 15. Saisonsieg an

(rsn) – Nach seinem mal wieder in überragender Manier herausgefahrenen Sieg bei Tre Valli Varesine (1.Pro) gönnt sich Tadej Pogacar (UAE – Team Emirates – XRG) vor Il Lombardia (1.UWT) , dem l

08.10.2025“Ein bisschen so wie damals, als Eddy Merckx Rennen fuhr“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Team – Emirates – XRG) tritt in dieser Saison dominanter denn je auf. Vor seinem letzten Einsatz bei Il Lombardia (11. Okt.), wo er seinen fünften Triumph in Seri

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Gran Piemonte (1.Pro, ITA)