Van Aert bei Dwars door Vlaanderen geschlagen

Powless fügt Visma in Waregem eine Schmach zu

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Powless fügt Visma in Waregem eine Schmach zu"
Neilson Powless (EF Education – EasyPost) hat das 79. Dwars door Vlaanderen (1.UWT) für sich entschieden. | Foto: Cor Vos

02.04.2025  |  (rsn) - Im Siegerinterview kam Neilson Powless (EF Education-EasyPost) aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Denn Siegchancen schienen der US-Amerikaner im Finale der 79. Ausgabe von Dwars door Vlaanderen kaum zu besitzen. Powless kam mit drei Fahrern von Visma – Lease a Bike auf die Zielgerade – und Wout van war der große Favorit, der von seinen beiden Teamkollegen den Sprint angezogen bekam.

Doch auf den letzten Metern zog sein Gegner noch am Belgier vorbei und feierte nach 182,5 Kilometern den unerwarteten Sieg. Van Aert blieb nur Platz zwei vor seinen Helfern Tiesj Benoot und Matteo Jorgenson. Für Powless ein Coup, für Visma – Lease a Bike geradezu eine Schmach.

“Ich kann es nicht glauben. Ich habe mich heute sehr stark gefühlt, aber ich habe nicht geglaubt, dass ich eine Chance auf den Sieg aus dieser Gruppe habe. Ich dachte, ich fahre um den zweiten Platz. Das ist der größte Sieg meiner Karriere“, strahlte Powless nach dem Rennen und fügte an: “Ich habe geglaubt, Wout ist der stärkste Fahrer im Sprint – sie setzten auf ihn. Ich hätte niemals gedacht, dass ich ihn in so einem Sprint schlagen würde. Aber ich kam mit einer guten Geschwindigkeit aus der Kurve, vielleicht vier bis fünf km/h schneller als Wout. Dann war ich in der Lage, die Geschwindigkeit bis zum Ziel zu halten.“

Der 28-jährige Powless hatte sich 80 Kilometern vor dem Ziel aus dem Feld gelöst und war zehn Kilometer später der einzige Fahrer, der aus einer Spitzengruppe dem Vorstoß von Visma – Lease a Bike folgen konnte. Denn die niederländische Mannschaft löste sich 71 Kilometer vor dem Ziel mit vier Fahrern aus dem Feld, von denen schließlich Van Aert, Benoot und Jorgenson mit Powless bis zum Ende das Rennen bestimmten.

Powless sagte im Ziel zu dieser Konstellation: “Es war ein konstanter innerer Konflikt, auch mein Sportdirektor im Auto war unsicher, ob ich in der Gruppe mitfahren sollte oder nicht. Wir hatten einige Fahrer in der hinteren Gruppe, aber ich habe mich richtig gut gefühlt, auch auf dem Kopfsteinpflaster. Ich wollte nicht von einer größeren Gruppe aus sprinten und es hat sich nicht so angefühlt, als müsste ich in der Gruppe zu viel investieren.“

Auf den finalen 20 Kilometern verzichtete Visma – Lease a Bike dann größtenteils darauf, mit seiner personellen Überzahl Powless zu zermürben. Stattdessen setzte man alles den Schlusssprint - eine Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Damit bleibt Yves Lampaert (Soudal – Quick-Step) der letzte Belgier, der 2018 das Rennen gewann. Dagegen war der zweite Sieg in Folge eines US-Amerikaners bei Dwars door Vlaanderen: Im Vorjahr gewann Jorgenson das Rennen.

“Ich bin extrem enttäuscht und fühle mich verantwortlich für dieses Ergebnis und dass ich die Arbeit des Teams nicht vollenden konnte“, kommentierte van Aert die bittere Niederlage und fügte selbstkritisch an. “Es ist ganz einfach. Ich wollte diesen Sieg unbedingt und wollte auch einen Sprint am Ende. Es war der Plan, dass Matteo das Rennen kontrolliert und mich mit Neilson ins Finale bringt. Ich war zu eigensinnig und hatte Angst, dass es zu einer Situation kommt, in der ich nicht um den Sieg fahren kann. Das war ein Fehler, wir hätten es als Team angehen sollen.“

Pedersen & Co. von Visma auf dem falschen Fuß erwischt

Die restlichen Favoriten wurden von Visma – Lease a Bike auf dem falschen Fuß erwischt. In einer Verfolgergruppe kam Top-Favorit Mads Pedersen (Lidl – Trek) 45 Sekunden hinter dem Sieger auf Platz fünf ins Ziel. Stefan Küng (Groupama – FDJ) belegte aus derselben Gruppe Rang neun.

Nils Politt (UAE Team Emirates - XRG) verlor durch einen Sturz 41 Kilometer vor dem Ziel den Anschluss an die Verfolgergruppe. Er beendete das Rennen nicht, konnte gegenüber RSN aber für die Flandern-Rundfahrt Entwarnung geben. Bester deutscher Fahrer war John Degenkolb (Team Picnic - PostNL, + 3:23) auf Platz 30. Alexander Krieger (Tudor) kam zeitgleich drei Positionen dahinter ins Ziel.

So lief Dwars door Vlaanderen:

Nach dem Start in Roeselare dauerte es rund 50 Kilometer, ehe sich eine erste Gruppe lösen konnte. Dazu zählten Taco van der Hoorn (Intermarché - Wanty), Joshua Giddings (Lotto), Fabio Christen (Q36.5), Rasmus Söjberg Pedersen (Decathlon - AG2R La Mondiale), Petr Kelemen (Tudor), Mikkel Bjerg (UAE Team Emirates - XRG), Lewis Askey (Groupama - FDJ) und Ceriel Desal (Wagner Bazin WB). Allerdings wuchs der Vorsprung der Gruppe lediglich auf eine Minute an.

Zwischenzeitlich kämpfte auch Alexander Kristoff (Uno-X Mobility) um den Anschluss, musste sein Unterfangen alsbald aber einstellen. Mit dem Feld in Sichtweite zersplitterte die Spitzengruppe nach rund 80 Kilometern und Söjberg Pedersen und Bjerg setzten sich vorne ab. Dahinter bildete sich an der Mariaborrestraat eine Verfolgergruppe um Powless, Josh Tarling (Ineos Grenadiers) und Fabio Van den Bossche (Alpecin-Deceuninck).

Die entscheidende Phase des Rennens leitete Visma – Lease a Bike mit einem überraschenden Angriff im Wind vor dem Anstieg Berg Ten Houte ein. 71 Kilometer vor dem Ziel lösten van Aert, Jorgenson und Benoot und fuhren zur Spitzengruppe vor, die inzwischen Söjberg Pedersen, Bjerg, Powless und Van den Bossche umfasste.

Das Streckenprofil des 79. Dwars door Vlaanderen | Foto: Veranstalter

Im Feld bemühten sich Ineos Grenadiers und Intermarché – Wanty um den Anschluss. Der Abstand betrug zumeist rund 25 Sekunden. Im Anstieg zum Knokteberg schüttelte das Visma-Trio 55 Kilometer vor dem Ziel alle weiteren Begleiter ab – einzig Powless blieb dran. Auch im Feld dünnte die Gruppe unter einer Tempoverschärfung von Mads Pedersen aus, so dass sich eine rund 25-köpfige Verfolgergruppe bildete. Unter anderem fiel Jasper Philippsen (Alpecin - Deceuninck) in dieser Rennphase zurück.

Die Verfolger fanden sich mit 15 Sekunden Rückstand auf Sichtweite zur Spitzengruppe – es fehlte letztlich aber an der Zusammenarbeit, um die Lücke zu schließen. Pedersen und Küng versuchten es mehrfach mit Vorstößen und Tempoarbeit, ohne den Abstand signifikant reduzieren zu können. Viele einzelne Attacken halfen stattdessen eher den vier Spitzenreitern, deren Vorsprung kontinuierlich anstieg – auf rund 45 Sekunden knapp 30 Kilometer vor dem Ziel.

Visma setzt alles auf den Sprint – und verliert

Kurz darauf setzten sich Van Aert und Jorgenson kurzzeitig ab, ehe Powless mit Benott am Hinterrad wieder aufschließen konnte. Dennoch waren die taktischen Spielchen um den Sieg damit eröffnet. Unter den Verfolgern bildete sich derweil eine neue Gruppe um Küng, Pedersen, Tibor Del Grosso (Alpecin - Decueninck), Arjen Livyns und Alec Segaert (beide Lotto) sowie Dries De Bondt (Decathlon-AG2R La Mondiale). Für diese Fahrer ging es jedoch nur noch um Platz fünf.

Auf den letzten 20 Kilometern verzichtete Visma – Lease a Bike an der Spitze jedoch auf weitere Angriffe, um Powless zu zermürben. Stattdessen setzte die niederländische Mannschaft komplett auf van Aerts Sprintstärke und lancierte den Belgier nach der letzten Kurve. Benoot ging als sein Anfahrer früh aus dem Wind. Sein Kapitän konnte die Vorarbeit aber nicht vollenden, sondern musste auf den letzten Metern Powless noch passieren lassen.

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

02.04.2025Degenkolb liefert bei Dwars Door Vlaanderen starken Formtest ab

(rsn) - John Degenkolb (Picnic – PostNL) blickt auf ein hartes Dwars door Vlaanderen zurück, bei dem er trotz guter Beine nicht in die vorderen Ränge fuhr und sich 3:26 Minuten hinter Sieger Neils

02.04.2025Küng im Defektpech: “Da war viel mehr möglich“

(rsn) – Es scheint, als ob bei den belgischen Klassikern das Glück Stefan Küng (Groupama – FDJ) nicht hold sei. Immer wieder zählt der Schweizer zu den Sieg-Kandidaten, immer wieder wird er ge

02.04.2025Grandios verzockt: Visma scheitert an eigener Taktik

(rsn) - Visma - Lease a Bike konnte zum ersten Mal in dieser Klassikersaison einem Rennen seinen Stempel aufdrücken. Mit gleich vier Mann attackierte das Team 71 Kilometer vor dem Ziel und wenig spä

02.04.2025Highlight-Video des 79. Dwars door Vlaanderen

(rsn) – Neilson Powless (EF Education – EasyPost) hat mit einem Husarenstück das 79. Dwars door Vlaanderen (1.UWT) für sich entschieden. Der 28-jährige US-Amerikaner ließ nach 184,2 Kilometern

02.04.2025Longo Borghini nimmt in Waregem Revanche für Sanremo

(rsn) – Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ) hat mit einem Solo von rund 25 Kilometern erstmals in ihrer Karriere Dwars door Vlaanderen (1.Pro) der Frauen für sich entschieden. Die Italienische Meis

02.04.2025Walscheid: “Sprint um Platz sechs wäre super“

(rsn) – Bei seinen bisherigen vier Teilnahmen an Dwars door Vlaanderen war Max Walscheid (Jayco – AlUla) als Helfer für seine (Sprint-)Kapitäne unterwegs. An den Start der 79. Ausgabe des flämi

02.04.2025Steimle: Noch drei Chancen auf ein Klassiker-Ergebnis

(rsn) – Im vergangenen Frühjahr hatte Jannik Steimle als von Q36.5 neu verpflichteter Klassikerkapitän meist freie Fahrt und wusste seine Chance unter anderem mit dem Sieg beim GP De Denain zu nut

02.04.2025Ex-Profi Wallays beginnt 15.000-km-Charity-Fahrt für Krebs-Stiftung

(rsn) – Zehn Jahre nach seinem Sieg bei Dwars door Vlaanderen und am 28. Geburtstag seines vor sechs Jahren tödlich verunglückten Teamkollegen Bjorg Lambrecht macht sich am Mittwoch Ex-Profi Jelle

02.04.2025Dwars door Vlaanderen im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Dwars door Vlaanderen (1.UWT) ist eines der kürzesten flämischen Eintagesrennen des Frühjahrs. Im vergangenen Jahr etwa betrug die Distanz "nur" 183,7 Kilometer. Für die Fahrer ist das

01.04.2025Red Bull verzichtet bei Dwars door Vlaanderen auf Lazkano

(rsn) – Die im Winter runderneuerte Klassikerfraktion von Red Bull – Bora – hansgrohe kommt einfach nicht in Schwung. Stellvertretend dafür steht der mit vielen Vorschlusslorbeeren zu den Raubl

01.04.2025Pedersen auch bei der Ronde-Generalprobe nicht zu stoppen?

(rsn) – Als es beim letztjährigen Dwars door Vlaanderen knapp 70 Kilometer vor dem Ziel zu einem Massensturz kam, verletzten sich mit Wout van Aert (Visma-Lease a Bike), Mads Pedersen, Jasper Stuyv

04.02.2025Dwars door Vlaanderen 2025 mit 26 Teams

(rsn) – Mit einem Team mehr als bisher wird am 2. April 2025 die kommende Ausgabe des flämischen Klassikers Dwars door Vlaanderen (1.UWT) gestartet. Wie die Organisatoren des letzten Rennens vor de

Weitere Radsportnachrichten

02.12.2025Trinca Colonel bleibt bei Liv - AlUla – Jayco

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

02.12.2025“Kaum Luft zum Ausruhen“: Eschborn-Frankfurt verschärft Profil

(rsn) – Ein neuer Anstieg, der gleich drei Mal bewältigt werden muss, und eine stark veränderte Taunus-Passage sollen den Profis das Leben bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) noch schwerer machen. Das

02.12.2025Tausch von Giro und Vuelta? RCS Sport lehnt Pogacars Idee ab

(rsn) – Giro-Veranstalter RCS Sport hält nichts von Tadej Pogacars jüngstem Vorschlag, die Termine von Italien- und Spanien-Rundfahrt zu tauschen. “Der Giro hat seinen traditionellen Termin, und

02.12.2025Kehren Strade und Sanremo in van Aerts Programm zurück?

(rsn) – Erstmals seit mehreren Jahren könnten die italienischen Klassiker Strade Bianche und Mailand-Sanremo wieder in Wout van Aerts Frühjahrsprogramm auftauchen. Der spektakuläre Rennen über d

02.12.2025Ganna bringt die Olympische Fackel nach Italien

(rsn) – Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) wird zu den Fackelträgern der Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand-Cortina gehören. Der zweimalige Zeitfahrweltmeister wird gemeinsam mit der Tennissp

02.12.2025Extrem gut entwickelt und die Nische im Team gefunden

(rsn) – Wenige Monate vor seinem Profidebüt bei Bora – hansgrohe bestritt Ben Zwiehoff im Juli 2020 bei der polnischen Rundfahrt Dookola Mazowsza (2.2) sein erstes UCI-Rennen auf der Straße. F

02.12.2025Simon Yates würde gern Giro-Titelverteidigung in Angriff nehmen

(rsn) – Zwar steht auch bei Visma – Lease a Bike die Rollenverteilung für die drei großen Rundfahrten des kommenden Jahres noch nicht fest. Nach der Streckenpräsentation des Giro d’Italia 202

02.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

02.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

02.12.2025Nach Kniebeschwerden “wieder die alte Ricarda werden“

(rsn) – Schon zum zweiten Mal in Folge spielt im Jahresrückblick von Ricarda Bauernfeind (Canyon – SRAM – zondacrypto) ihr Knie eine unerfreuliche Rolle. Dabei war sie 2023 im Alter von gerade

01.12.2025Alle Etappen im Detail: Die Strecke des Giro d´Italia 2026

(rsn) – Der 109. Giro d´Italia (2.UWT) wird im Mai 2026 über 21 Etappen und 3.459 Kilometer mit 49.150 Höhenmetern führen. Vom Grande Partenza in Bulgarien führen die ersten drei Teilstücke du

01.12.2025Finestre und Nevegal-Bergzeitfahren sollen Frauen-Giro 2026 entscheiden

(rsn) – Der 37. Giro d´Italia Women (2.WWT) wird über neun Etappen mit 1.153,7 Kilometer sowie 12.500 Höhenmetern führen und als Highlight den Colle delle Finestre bereithalten. Die Italien-Rund

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)