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30.12.2024 | (rsn) – Zwei große Highlights hatte sich Stefan Küng (Groupama – FDJ) für die Saison 2024 in seiner Spezialdisziplin, dem Einzelzeitfahren, vorgenommen. Doch sowohl bei den Olympischen Spielen als auch den Heim-Weltmeisterschaften in Zürich ist am Ende nicht das herausgekommen, was er sich erhofft hatte. Trotzdem war das Jahr für den Schweizer insgesamt alles andere als ein schlechtes. Er feierte seinen ersten Grand-Tour-Etappensieg bei der Vuelta a Espana und fuhr auch bei den großen Frühjahrsklassikern um den Sieg mit.
"Die Bilanz ist eigentlich ganz okay. Es war ein solides Jahr mit einigen Höhepunkten und natürlich auch einigen schwierigeren Momenten", fasste der 31-Jährige gegenüber radsport-news.com daher zusammen.
"Positiv ist, dass ich eigentlich das ganze Jahr auf einem guten Level war. Es ist nur schade, dass ich bei den beiden großen Highlights bei Olympia und der WM unter Wert geschlagen wurde. Aber so ist eben das Leben: Man versucht alles optimal hinzukriegen, hat aber nicht alles 100 Prozent im Griff." ___STEADY_PAYWALL___
Im Rückblick stellte sich heraus, dass Küng sowohl vor Olympia als auch vor der WM offenbar etwas zu viel wollte und sich zu wenig Ruhe gegönnt hat. Doch das sei im Nachhinein immer leicht zu sagen, meinte er. "Später ist man immer schlauer. Wenn man dann draufschaut ist es vielleicht klar, dass es zu viel war. Aber es ist immer ein schmaler Grat und wenn es aufgegangen wäre, hätte man es nicht kritisch analysiert, obwohl es vielleicht genauso zu viel gewesen wäre", so Küng, der sowohl im Olympia- als auch im WM-Zeitfahren nur auf Rang acht landete.
Losgegangen ist die Saison 2024 für ihn aber sehr gut. Beim Saisoneinstieg bei der Algarve-Rundfahrt (2.Pro) fuhr der Schweizer im Zeitfahren hinter Weltmeister Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) sowie Magnus Sheffield (Ineos Grenadiers) auf Platz drei und belegte den neunten Rang in der Gesamtwertung. Anschließend folgte eine gute Klassikerkampagne, während der er bei jedem Rennen gut dabei war und in den entscheidenden "heiligen Wochen" von Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix Top-Form erreichte.
Stefan Küng im Velodrom von Roubaix: Nach Platz 5 in der "Hölle des Nordens" ist der Schweizer zwar am Ende seiner Kräfte, aber zufrieden. | Foto: Cor Vos
Küng wurde Dritter bei Dwars door Vlaanderen und Fünfter bei Paris-Roubaix, verlor einzig bei der Flandern-Rundfahrt dazwischen durch einen Sturz seine Hoffnungen auf ein Spitzenergebnis. "Bei jedem Rennen wieder vorne dabei zu sein, das ist auch nicht einfach. Von daher war es vielleicht nicht meine beste Klassikersaison, aber doch eine sehr solide", fasste er zusammen und freut sich schon jetzt auf die Kopfsteinpflasterrennen 2025, um dort "wieder voll anzugreifen". Der Traum vom großen Klassikersieg lebt, auch wenn Küng weiß: "Gegen van der Poel und Co. muss man eben auch auf den einen Tag hoffen, an dem sie vielleicht nicht ganz ideal drauf sind. Sonst wird es immer schwer sein, diese Jungs zu schlagen."
Vor allem positiv war im Frühjahr, dass Küng – abgesehen vom Flandern-Sturz, wo er sich das Knie etwas anschlug – gesundheitlich gut durchgekommen ist und so konstant seine Leistung abrufen konnte. Das änderte sich aber im Sommer. Im Höhentrainingslager vor der Tour de Suisse begann das Schicksal mit Blick auf Olympia seinen Lauf zu nehmen.
"Ich musste das Höhentrainingslager abbrechen", erzählte Küng. "Dann kam die Tour de Suisse etwas zu früh und ich habe die Angeschlagenheit immer dahingeschleppt, auch durch die Tour de France hindurch. Als ich aus der Tour dann raus kam hatte ich Covid und das hat sich auch auf den Magen-Darm-Trakt ausgeschlagen. Zu Olympia hin war der Wurm drin."
Im Nachhinein hätte er auf die Tour de Suisse verzichten sollen, meinte der 31-Jährige jetzt. Aber das sei, wenn man in der Vorbereitung auf ein großes Ziel einen Plan habe, nicht so leicht. "Man probiert immer weiter und denkt: Es wird schon gehen. So kam es aber, dass ich dann schon die ganze Zeit gemerkt habe, dass ein paar Prozent fehlen zu meiner Top-Form."
Für Olympia wollten Küng und sein Umfeld alles perfekt machen, und letztendlich ging man damit wohl einfach einen Tick zu weit. Bildlich stellte sich das beispielhaft im Einzelzeitfahren auf der 7. Etappe der Tour de France dar, als Küng auf seinem nagelneuen Zeitfahrrad von Wilier gut gestartet war, dann aber früh im Rennen durch einen Defekt gestoppt wurde: Die Kette viel vom Blatt und verhakte sich.
"Das war sehr bitter. Man versucht jeden Stein umzudrehen und ist immer auf der Suche nach einer halben Sekunde mit allen Details, und wenn dann so etwas passiert, verliert man auf einen Schlag 30, 40 Sekunden", sagte Küng zu RSN und erklärte: "Wir sind eine andere Kettenblatt-Kombi gefahren, als es der Standard wäre. Und im Nachhinein muss man dann überlegen, warum wir überhaupt etwas gemacht haben, was nicht 120 Prozent sicher funktioniert, an einem so wichtigen Tag. Aber ich will da niemand die Schuld in die Schuhe schieben. Wir waren einfach alle hochmotiviert, haben alles versucht und an diesem Tag haben wir es etwas zu weit gepusht."
Das sündhaft teure neue Wilier Supersonica SLR wurde entwickelt, um Küng als Hoffnungsträger der Marke das bestmögliche Material für seine Jagd auf eine Olympia-Medaille zur Verfügung zu stellen. "Natürlich ist es auch etwas Druck, weil so Erwartungen entstehen. Aber gleichzeitig habe ich das auch etwas zur Seite schieben können, weil es ja auch anders herum so ist: Sie haben einen Fahrer, der etwas erreichen kann und wollen ihm das beste Material geben. Das ist ja nicht nur für mich in meinem Interesse sondern auch in ihrem Interesse. Und sie haben es mit Bravour gemeistert", meinte Küng über den Aufbau seiner neuen Maschine.
Im Olympischen Zeitfahren kommt Küng nicht an seine Bestform heran und wird Achter. | Foto: Cor Vos
Auch wenn es im Olympia-Zeitfahren nicht zu Edelmetall reichte, so fuhr Küng einige Tage später im Straßenrennen trotzdem stark und wurde dort Siebter. Zwei Wochen später dann stand er, das war zu Saisonbeginn eigentlich nicht geplant gewesen, bei der Vuelta a Espana in Lissabon am Start und machte dort die nötigen Schritte, um nach den zähen Wochen im Juni und Juli nun endlich in Richtung Top-Form zu kommen.
Küng wurde Vierter im Auftaktzeitfahren, fuhr in der ersten Vuelta-Woche drei weitere Top-10-Ergebnisse ein und war dreimal während der Rundfahrt in Ausreißergruppen dabei, bevor er am Schlusstag in Madrid schließlich den großen Coup landete und das Abschlusszeitfahren deutlich vor Vuelta-Gesamtsieger Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) gewann.
"Da war die Freude schon sehr groß – mein erster Grand-Tour-Etappensieg und speziell nach diesem Sommer, in dem etwas der Wurm drin war. Ich wollte endlich wieder 100 Prozent im Rennen geben und alles raushauen können, was ich habe, und das ist mir bei der Vuelta gelungen. Das war für mich, für das Team und für alle Leute, die in dem Projekt involviert waren, sehr schön", blickte er nun zurück.
Der erste Etappensieg bei einer Grand Tour: Küng gewinnt das Abschlusszeitfahren der Vuelta und rettet damit seine Saison. | Foto: Cor Vos
Küng schien nun auf allerbestem Weg in Richtung Heim-WM in Zürich zu sein, um dort vielleicht sogar ums Regenbogentrikot fahren zu können. Doch die Euphorie nach dem Vuelta-Etappensieg hielt nur drei Tage an. Denn dann kam bereits das Einzelzeitfahren der Europameisterschaften zwischen Heusden-Zolder und Hasselt, in dem Küng als Top-Favorit galt, dann aber um neun Sekunden vom Italiener Edoardo Affini geschlagen wurde. Für Außenstehende dürfte das keine große Bedeutung gehabt haben, doch in Küng löste diese Niederlage etwas aus.
"Ich bin dort voller Selbstvertrauen hin, aber dann hat mich Affini geschlagen und ich habe mir gedacht: Okay, ich muss nochmal einen drauflegen im Training, damit ich bei der WM noch besser bereit bin. Aber genau an dem Punkt habe ich es dann übertrieben", weiß Küng inzwischen.
"Ich bin die Tour, dann Olympia und die Vuelta gefahren. Da hätte ich etwas Luft ranlassen und den Körper sich erholen lassen müssen. Für ein Eintageszeitfahren wie bei der WM kommt es eben auch auf die Frische an. Die Form war ja da und ich habe gemerkt, dass es eigentlich läuft. Aber durch die Niederlage bei der EM war ich nicht mehr zu 100 Prozent voller Selbstvertrauen und habe gepusht, gepusht, gepusht – immer etwas mehr, als ich hätte sollen. Und drei Tage vor der WM habe ich dann gemerkt: Alles, was Du brauchst, ist eigentlich Erholung!"
Diese Erkenntnis aber kam zu spät. Küng kam zu müde ins WM-Zeitfahren und wurde dort in Zürich mit 1:48 Minuten Rückstand auf Weltmeister Evenepoel sowie 54 Sekunden auf die Bronze-Medaille von Affini nur Achter – eine herbe Enttäuschung für den Schweizer. "Ich war dort wirklich weit weg von meinem normalen Level. Das hat mich wirklich frustriert. Wenn ich nur auf meinem normalen Level gewesen wäre, wäre das schon viel besser geworden", meinte er nun.
Auch die WM im eigenen Land verläuft für Küng nicht wie geplant. Wie bei Olympia reicht es im Zeitfahren nur zu Rang acht. | Foto: Cor Vos
Was etwas Ruhe mit seinem Körper hätte machen können, spürte er dann drei Wochen später beim Chrono des Nations (1.1), das er als Saisonabschluss noch anhängte, nachdem er eigentlich sogar im Anschluss an die WM bereits in die Saisonpause gegangen war. Ausgeruht fuhr er dort in Les Herbiers mit einem "super Zeitfahren", wie er selbst meinte, zum Sieg. Klar: Evenepoel, Filippo Ganna und Affini, das WM-Podium, stand in Frankreich nicht am Start. Doch Küng weiß einzuschätzen, was er dort für eine Leistung gebracht hat und was zuvor bei der WM.
Für 2025 nun konnte Küng sein genaues Rennprogramm noch nicht verraten. Klar sei aber, dass das erste große Ziel der neuen Saison natürlich wieder die Kopfsteinpflaster-Klassiker sein werden. "Darauf freue ich mich schon jetzt", sagte er. Seinen Saisoneinstieg plant der Schweizer für Februar.
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