RSNplusRSN-Rangliste, Platz 5: Jan Christen

Schweizer Radsport-Diamant glänzte auch in WorldTour-Rennen

Von Tom Mustroph

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Jan Christen (UAE Team Emirates) | Foto: Cor Vos

27.12.2024  |  (rsn) - Jan Christen trug mit drei Siegen bei kleineren Rennen und einer Top-10-Platzierung beim schweren Klassiker in San Sebastian seinen Teil zur überragenden Saison von UAE Team Emirates bei. “Das Ziel war ursprünglich, ein Rennen zu gewinnen. Jetzt habe ich drei“, spielte er auf seine Erfolge jeweils als Solist bei der Prueba Villafranca - Ordiziako Klasika im Baskenland, dem Giro dell’Appennino in Ligurien und einer Etappe des Giro d’Abruzzo an.

“Ich war aber auch schon bei mehreren WorldTour-Rennen sehr nahe dran. Deshalb bin ich sehr happy mit dem Jahr“, fasste der erst 20-jährige Schweizer im Trainingslager seines Teams in Südspanien gegenüber RSN seine erste komplette Saison bei den Profis zusammen. Besondere Aufmerksamkeit verdient sicher sein neunter Platz bei der Clasica San Sebastian, als er sich stark in den Verfolgergruppen präsentierte und den Erfolg seines Teamkollegen und Landsmanns Marc Hirschi abzusichern half.

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Luft nach oben sieht Christen trotz seiner Erfolge aber auch: “Es hätte schon auch besser laufen können. Zum Beispiel bei Eschborn - Frankfurt war ich sehr nah dran, und in San Sebastian auch lange vorn dabei.“ Diese Mischung aus Selbstbewusstsein, Hunger nach Erfolgen und selbstkritischer Einstellung spricht  für den jungen Aargauer.

In Spanien bestritt Jan Christen (UAE Team Emirates) seine erste Rundfahrt des Jahres. Bei der 75. Volta a la Comunitat Valenciana gehörte er zur Helferriege von Brandon McNulty, der sich den Gesamtsieg sicherte.| Foto: Cor Vos

Einzige kleinere Enttäuschung in diesem Jahr war das WM-Rennen der U23. Da führte er lange, wurde dann aber doch von den Rivalen kurz vor Schluss eingeholt und musste bei seinem Heimrennen mit dem vierten Rang vorlieb nehmen. Christen wurde damit sogar zu einer kleinen Berühmtheit. “Bloß nicht den Jan Christen machen“, nahm sich Pogacar danach fürs Eliterennen vor – und hielt, wie bekannt ist, im Gegensatz zu seinem UAE-Teamkollegen sein Solo auch durch. “Wir haben uns ausgetauscht und er hat mir gesagt, ich muss nicht enttäuscht sein. Ich habe es probiert und gezeigt, was ich drauf habe und hätte ich ein bisschen mehr Glück gehabt an diesem Tag, dann wäre ich ins Ziel gekommen“, ordnete Christen nun rückblickend seinen WM-Auftritt ein.

Mit Pogacar versteht sich Christen “mega“

Auf langes Nachdenken, was er besser hätte machen können, wollte er sich auch gar nicht einlassen. “Es ist schwierig, immer so zu überlegen: Hätte ich das so gemacht, hätte ich gewonnen. Gut, man könnte sagen, ich hätte später angreifen sollen. Aber als ich den Angriff machte, war es für mich im Kopf der richtige Moment“, erinnerte er sich. “Ich hatte gehofft, noch ein, zwei, drei Leute fahren mit, was dann aber nicht der Fall war. Von daher wusste ich, wenn ich jetzt auf andere warte, habe ich die Körner für nichts verschossen und musste die Sache eben bis ins Ziel bringen. Wenn so etwas klappt, ist es unglaublich. Und wenn nicht, dann habe ich zumindest etwas probiert.“

Mit dieser Haltung ähnelt er ziemlich stark der Nummer 1 des UAE-Teams, eben Pogacar. Christen hat zu dem Slowenen ein ausgesprochen enges Verhältnis. “Ja, es ist mega. Mit ihm verstehe ich mich sehr, sehr gut. Wir kennen uns schon ein bisschen länger und er ist im Team eigentlich der, mit dem ich den meisten Kontakt habe“, sagte er .

Jan Christen am Start von Strade Bianche, das sein Teamkollege Tadej Pogacar mit einem denkwürdigen Solo gewann. | Foto: Cor Vos

Angefangen hat alles vor vier, fünf Jahren, als Christen erstmals mit dem Team Kontakt hatte und auch schon im Trainingslager war. “Später fuhr ich dann im Pogi-Team und so waren wir auch ein bisschen in Kontakt, weil ich damit ja auch seinen Namen ein bisschen vertreten habe“, berichtete er von den Anfängen. Pogacar, obgleich schon ein großer Star mit Meriten bei der Tour de France, begegnete den jungen Sportlern dabei alles andere als abgehoben. “Vom Star-Sein hat man nicht viel gemerkt. Er ist einfach ein super bodenständiger Mensch. Und wenn man mit ihm am Tisch sitzt, merkt man nicht, dass er schon so viel erreicht hat. Es war einfach etwas sehr Spezielles und Schönes“, blickte er auf die ersten Begegnungen mit Pogacar zurück.

“Ich bin ja nicht Tadej, sondern Jan“

Nun hat er den Weltmeister täglich beim Training vor Augen. Schaut er sich da etwas vom gegenwärtig stärksten Fahrer der Welt ab? “Es ist sicher so, dass wir gemeinsame Trainingseinheiten auf dem Rad haben. Das wurde von den Trainern auch so abgesprochen, dass es für jeden irgendwie passt. Ich schaue vor allem, dass ich jedes Training nach Plan absolvieren kann und mich von Tag zu Tag verbessere. Natürlich versuche ich so viel wie möglich von anderen zu lernen. Aber kopieren möchte ich eigentlich niemanden, denn ich bin ja nicht Tadej, sondern Jan.“

Auch diese Haltung spricht für Christen. Er will seinen eigenen Weg suchen, nimmt Anregungen anderer auf, achtet aber eben auch darauf, was zu seinen Charakteristika passt. “Es ist schwierig, jetzt schon zu sagen, in welche Richtung es genau geht. Mir gefallen die Eintagesrennen, aber eine Grand Tour auf GC zu fahren, ist sicher auch ein Traum. Jetzt kommt es erst einmal darauf an, wie sich mein Körper in den nächsten Jahren entwickelt. Und dann sehe ich, wohin es geht“, sagte er.

Beim hessischen Klassiker Eschborn-Frankfurt war Christen nahe dran an einem Sieg. | Foto: Cor Vos

Im Training legt er Wert auf die Arbeit mit dem Rad, aber auch auf Übungen ohne Rad. “Ich schaue, dass genug Zeit da ist, um ins Gym gehen und ein paar Übungen machen zu können.“ Fokus liegt dabei auf den Beinen und dem Rumpfbereich. “Ich möchte über den Winter ein oder zwei Kilo zunehmen, dass ich noch ein bisschen mehr Kraft in den Beinen habe. Deshalb bin ich jetzt auch ein bisschen mehr im Gym als in den letzten Jahren“, erzählte er.

Angst, dass er mit zwei Kilogramm mehr seine Kletterfähigkeiten einbüßt, hat Christen nicht. “Ich bin sehr leicht für meine Größe und kann mir noch Gewicht erlauben. Man sieht ja auch an Tadej, dass man nicht 60 Kilo leicht sein muss, um den Berg hochzufliegen. Es geht auch mit 67 oder 65“, betonte er.

Christen ist wie Pogacar ein “Regenerationstalent“

Christen gilt - wie Pogacar auch - als ausgesprochenes Regenerationstalent. “Ja, meine Erholungsfähigkeit ist sehr, sehr gut. Das wäre sicher auch ein Vorteil in den Grand Tours. Deshalb freue ich mich auch auf nächstes Jahr, wenn ich meine erste Grand Tour bestreiten werde“, blickte er auf die kommende Saison voraus. Eingeplant ist er für die Vuelta. Unklar war zur Zeit des Gesprächs, ob Pogacar dort auch sein Kapitän sein oder ob er ohne den Superstar vielleicht etwas mehr Freiraum haben wird.

Große Pläne für sich hat Christen auf alle Fälle. “Das Ziel für nächstes Jahr ist sicher, ein WorldTour-Rennen zu gewinnen und eine Etappe bei der Vuelta“, sagte er. Beginnen wird Christens Saison bei der Mallorca. “Dann folgen noch ein, zwei andere Rennen in Spanien und Frankreich. Das erste WorldTour-Rennen ist Paris-Nizza. Danach kommt ein schöner Block mit Baskenland und Romandie, worauf ich mich sehr freue“, kündigte er an.

Bei der Heim-WM in Zürich verpasste Christen nach einem Solo knapp die Medaillenränge. | Foto: Cor Vos

Christen, aktuell der am hellsten funkelnde Schweizer Radsport-Diamant, kann damit rechnen, dass er zumindest einen Teil dieser Rennen nicht nur als Helfer, sondern sogar in einer Führungsrolle bestreiten wird. “Welche Rolle genau, ist noch offen. Aber ich werde sicher noch mehr Freiheiten als dieses Jahr haben. Und wenn die Form stimmt, dann werde ich sicher eine Leaderrolle bekommen. Die Vorfreude darauf ist sehr groß“, sagte er.

Im Schatten von Pogacar wächst bei UAE neben den schon bekannteren Talenten wie Juan Ayuso oder Isaac Del Toro also ein weiteres Juwel heran.

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