Franzose hakte Rennen mit Pogacar im Voraus ab

Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“"
Im kommenden Sommer wird Romain Bardet seine Karriere beenden. | Foto: Cor Vos

14.11.2024  |  (rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sein letztes werden soll. Nach dem Critérium du Dauphiné soll im kommenden Juni Schluss sein - und damit nur wenige Tage vor dem wichtigsten Radrennen der Welt, das auch Bardets Karriere maßgeblich prägte.

Der dann 35 Jahre alte Franzose ist der letzte Profi seines Landes, der bei der Tour auf dem Podium stand (Zweiter 2016, Dritter 2017) oder ein Wertungstrikot eroberte (Bergtrikot 2019). Neben Thibaut Pinot, der seine Karriere vor der abgelaufenen Saison beendete, war er einer der wenigen, dem seine Landsleute den Toursieg zugetraut hatten. David Gaudu, 2022 schonmal Tour-Vierter, scheint seine Chance verpasst zu haben, Lenny Martinez in die falsche Generation geboren zu sein.

Wie es das Schicksal so wollte, fuhr Bardet auf der 1. Etappe der diesjährigen Tour zum Tagessieg und damit ins Gelbe Trikot. Fast zu schön, um wahr zu sein. Bardet selbst sprach nun in einem Interview mit Eurosport Frankreich von einem “glücklichen Zufall“. Dem Sender sagte er auch, dass weniger die zu erbringenden Opfer, die der Radsport durch die viele Reiserei fordere, seine Entscheidung herbeigeführt hätten. “Es sind vor allem meine körperlichen Grenzen, die meiner Meinung nach erreicht wurden. Ich kann immer noch gute Ergebnisse erzielen, aber ich werde nicht mehr jedes Jahr viele Rennen gewinnen.“

Bardet: “Man muss wissen, wann man Stopp sagen muss“

Konstanz, oder besser gesagt, ein dauerhaft hohes Leistungsniveau werde im Alter immer schwerer, so Bardet. Und da es für ihn immer darum gegangen sei, Rundfahrten zu gewinnen, keine Etappen – auch, weil das die entsprechende Erwartungshaltung war – “muss man wissen, wann man Stopp sagen muss. Ich habe etwa zehn Jahre lang um die Gesamtwertung mitgespielt und das war wahrscheinlich die Grenze dessen, was mental und physisch erträglich war.“

Psychisch vor allem auch, weil im Grunde nur der Sieg, maximal das Podium zählen würde. Was dahinter kommt sei unwichtig, kritisierte Bardet, wollte sich davon aber auch nicht ausnehmen. “Eine Top-5-Platzierung ist eine enorme Leistung, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wer in diesem Jahr Vierter und Fünfter bei der Tour geworden ist. Ich bin zweimal Sechster geworden (2014 und 2018) und das ist völlig unbemerkt geblieben.“

2020 beendete Bardet die Tour nicht. Und dennoch blieb ihm ein Tag besonders in Erinnerung. Die Etappe nach Laruns über den Col de Marie-Blanque, das neunte Teilstück der Rundfahrt. “Das war der erste Tag, an dem ich mich in den Bergen überfordert gefühlt habe. Ich sage nicht, dass ich noch nie zuvor abgehängt wurde, das ist mir schon oft passiert, aber ich hatte einen guten Tag und ich habe wirklich gespürt, dass es einen echten Unterschied zu den Besten gab“, erinnert sich der Franzose an den Tag, an dem Tadej Pogacar seine erste Etappe gewann.

Bei der Beurteilung für die Auftritte des Slowenen speziell in der Saison 2024 fehlten ihm die Worte. “Er ist so überlegen. Ich verbringe nicht viel Zeit damit, nach Erklärungen zu suchen. Selbst als Zeitgenosse und in der Szene hat man das Gefühl, dass man nicht wirklich zu seinen Gegnern gehört", erklärte er fast schon ratlos.

Bardet hakte Rennen mit Pogacar im Voraus ab

Dabei gestand Bardet auch, mehrere Rennen, die er gemeinsam mit Pogacar bestritt, bereits im Voraus abgehakt zu haben. “Die Strade Bianche, der GP von Montreal und die Weltmeisterschaften. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass es ohne einen mechanischen Zwischenfall oder etwas anderes eine sichere Sache für ihn sein würde.“ Ähnliche Gefühle habe er in seiner Karriere bis dato nie gehabt. Dass es neben UAE Emirates mit Visma – Lease a Bike noch ein weiteres Superteam gebe, sei im Sinne des Wettbewerbs nicht der richtige Weg.

Ebenso wenig die Ausdehnung der Regularien, um etwa ethisch fragwürdige Methoden wie die Verwendung von Kohlenstoffmonoxid zu verwenden. “Es gibt so viele Forschungen, die mit der Idee der Leistungsoptimierung durchgeführt werden. Vor zehn Jahren wurden viele Versprechungen gemacht. Jeder hat sich darauf eingelassen, es war ein bisschen wie ein Allheilmittel“, so Bardet, der ohne konkret zu werden dennoch genau wusste, wie seine Worte gedeutet werden würden. “Es wird immer den Wunsch geben, nach Wettbewerbsvorteilen zu suchen.“

Auch den Gebrauch von Ketonen und den übermäßigen Gebrauch von Medikamenten, sei es über die Verwendung von Ausnahmegenehmigungen, setzte er damit in eine Reihe. “Es ist interpretationswürdig. Und da es leider keine klaren Regeln gibt, diese Interpretation jedem selbst überlassen bleibt und wir einen ultra-kompetitiven Sport betreiben, bei dem nur der Sieg zählt, dürfen wir uns über mögliche Abweichungen nicht wundern“, prangerte Bardet fehlende und vor allem klare Richtlinien von UCI und WADA an.

Denn “es ist völlig sinnlos, in einer so wettbewerbsintensiven Welt mit so vielen wirtschaftlichen Verbindungen zu glauben, dass der gute Wille und die tadellose Ethik der Fahrer und Teams eine gesunde Regulierung des Milieus ermöglichen werden", schloss er desillusioniert.

Weitere Radsportnachrichten

19.07.2025Vingegaard: “Die Tour ist alles andere als vorbei“

(rsn) – Die Platzziffern waren dieselben, wie am Vortag in Hautacam. Doch das Auftreten und die Stimmung von Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) unterschieden sich nach der zweiten Niederlage

19.07.2025Mühlberger hofft bei der Tour “auf den Tag unseres Lebens“

(rsn) - An den beiden Ruhetagen der Tour de France zwischen den 21 Etappen nehmen die Profis raus. Sie genießen die Tage mit der Familie – falls angereist - Massagen, viel Schlaf, den einen oder an

19.07.2025Evenepoel hart zu sich selbst: “Das war einfach wirklich schlecht“

(rsn) – Als sich Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) die bis zu 16 Prozent steilen letzten Meter auf der Startbahn des Altiports von Peyragudes hinaufquälte, kam es zur Demütigung: Der zwei Mi

19.07.20255.000 Höhenmeter: Paukenschlag zum Abschluss der Pyrenäen-Tage

(rsn) - Die Tour de France macht zum Finale der Pyrenäen-Trilogie den fast schon obligatorischen Besuch in Pau, wo die 14. Etappe startet. Von dort geht es auf 183 Kilometern nach Luchon-Superbagnèr

19.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

18.07.2025Lipowitz endgültig im Kampf ums Tour-Podium angekommen

(rsn) – Bei Red Bull sind sie ruhig geblieben. Zeitverluste an den ersten Tagen? Egal. Hauptsache nicht gestürzt. Rang acht und neun nach zehn Etappen, dreieinhalb Minuten hinter dem Gelben Trikot

18.07.2025Aerorad für den Sieger, Zeitfahr-Set-Up für die Platzierten

(rsn) - Zeitfahren sind Technikschlachten. Bergzeitfahren umso mehr. Denn es gilt, auch konfligierende Variablen in eine gute Balance zu bringen. Eine ziemlich harte Herausforderung in dieser Hinsicht

18.07.2025Highlight-Video der 13. Etappe der Tour de France

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat auch im Bergzeitfahren der Tour de France die Konkurrenz düpiert. Der Weltmeister entschied im Gelben Trkot die 13. Etappe über 10,9 Kilometer

18.07.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 13. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 5. Juli im nordfranzzösischen Lille zur 112. Tour de France (2.UWT) angetreten, darunter zehn Deutsche, drei Österreicher und fünf Schweizer. Hier listen

18.07.2025Lipowitz: “Die letzten zwei Kilometer waren eine richtige Qual“

(rsn) – Mit seinem vierten Etappensieg hat Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) seine Führung im Gesamtklassement der Tour de France weiter ausgebaut. Der Weltmeister war nach 10,9 Kilometern v

18.07.2025Pogacar dominiert auch das Bergzeitfahren der Tour de France

(rsn) – Der Lack ist ab bei Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) – allerdings nur an seinem Rad, mit dem er das 10,9 Kilometer lange Bergzeitfahren auf der 13. Etappe der Tour de France von Lo

18.07.2025Nach Sturz auf 8. Tour-Etappe läuft es bei Rutsch immer besser

(rsn) – Während für seinen Teamkollegen Georg Zimmermann nach dem Sturz auf der 9. Etappe die 112. Frankreich-Rundfahrt bereits beendet ist, kämpft sich der schon tags zuvor zu Fall gekommene Jon

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Visegrad 4 GP Czech Republic (1.2, CZE)
  • Giro della Valle d`Aosta - (2.2u, ITA)