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16.03.2024 | (rsn) – Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) hat es geschafft: Mitten in die Gerüchtewelle um einen möglichen Teamwechsel am Jahresende hat der Belgier mit Mailand-Sanremo sein erstes Monument gewonnen. Und das, weil sein aktuelles Team - und vor allem auch Titelverteidiger und Weltmeister Mathieu van der Poel – mit vollem Vertrauen in die Ehrlichkeit und die Sprintkraft von Philipsen im Finale der Primavera alles auf ihn gesetzt hat.
Klar, dass Philipsen auf der Pressekonferenz in San Remo nach seinem größten Triumph daher auch eine Frage zu seiner Zukunft beantworten musste. Doch daran wollte der 26-Jährige, dessen neuer Manager Alex Carera auch zu den ersten Gratulanten auf der Via Roma gehörte, in diesem Moment keine Gedanken verschwenden. "Momentan liegt mein Fokus auf den Klassikern. Vorher werde ich nichts entscheiden bezüglich der nächsten Jahre. Jetzt will ich erstmal meinen Erfolg genießen", sagte er.
Die Roodhooft-Brüder hatten Philipsen 2021 vom UAE Team Emirates zu Alpecin geholt. Bei ihnen entwickelte sich der Belgier zu einem der besten Sprinter der Welt, war 2023 wohl sogar der Beste überhaupt. Er gewann das Grüne Trikot bei der Tour de France und entschied dort vier Etappen für sich. Und er wurde im vergangenen Jahr bereits Zweiter hinter van der Poel bei Mailand-Sanremo. Dass Philipsen mehr als ein reiner Sprinter ist, war spätestens da klar. In Sanremo nun hat er es endgültig bewiesen, denn ein Sprinter-Klassiker wie einst ist das erste Monument der Saison schon lange nicht mehr. ___STEADY_PAYWALL___
Mathieu van der Poel folgt Tadej Pogacar bei seinem zweiten Angriff am Poggio. | Foto: Cor Vos
Am Poggio konnte Philipsen den Besten nach zwei Angriffen von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) zwar nicht ganz folgen, doch sein Rückstand auf den Slowenen und van der Poel war auf der Kuppe nicht allzu groß – und seine Beine noch sehr gut. "Ich hatte eine kleine Lücke in der Abfahrt und habe Mathieu über Funk angefleht, es ruhiger angehen zu lassen und vorne nicht aufs Tempo zu drücken, weil ich noch tolle Beine hatte", erzählte Philipsen. "Was er heute getan hat, dafür bin ich ihm ewig dankbar."
Denn van der Poel stellte sich nach dem Funkspruch seines Teamkollegen, für den er schon bei der Tour im Vorjahr einen großartigen Job als Sprint-Anfahrer gemacht hatte, voll in den Dienst von Philipsen. Anstatt in der Abfahrt an Pogacar vorbeizufahren und seine Fähigkeiten voll auszuspielen, um mit dem Slowenen allein vorn zu bleiben, blieb der Mann im Regenbogentrikot geduldig am Hinterrad.
Unten in San Remo angekommen sah er die nächste Gruppe mit Philipsen bereits von hinten herankommen und dann spannte er sich endgültig zu 100 Prozent für ihn ein, wehrte die Angriffe von Matteo Sobrero (Bora – hansgrohe) und Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) ab und ebnete seinem Teamkollegen so den Weg zum Sprint.
Wichtiger Moment: Mathieu van der Poel schaut in der Abfahrt vom Poggio zurück und sieht bei den Verfolgern das blaue Trikot von Teamkollege Jasper Philipsen. | Foto: Cor Vos
"Er ist der letzte, der an sich denkt und hilft gerne Teamkollegen, so wie ich damals bei Paris-Roubaix", sagte Philipsen. "Wer weiß, wie viele Chancen ich noch habe ein solches Rennen zu gewinnen. Wenn ich ihm etwas zurückgeben kann, dann werde ich das sicher machen." Man darf also davon ausgehen, dass die Rollenverteilung am 7. April in Nordfrankreich wieder eine andere sein wird. Und eigentlich war man davon auch an der ligurischen Küste an diesem 16. März bereits ausgegangen.
Im Vorfeld des 115. Mailand-Sanremo wurde viel vom Duell zwischen Pogacar und van der Poel gesprochen, das die Fans am Poggio schließlich auch zu sehen bekamen. Doch bei Alpecin – Deceuninck hatte man offenbar von vorne herein auf genau das Szenario gehofft, das am Ende eintraf: Dass Philipsen in guter Verfassung über die letzte Kuppe kommt und auf der Via Roma sprinten kann. Das jedenfalls erklärte Sportdirektor Christoph Roodhooft radsport-news.com nach dem Rennen:
"Jasper war die AA-Lösung für uns heute", betonte der Belgier. "Das Rennen heute konnte man gut vorhersagen, weil UAE seinen Plan ja schon der Presse verraten hatte. Am Ende hatte Jasper die erhofft guten Beine und es ist ihm im Finale entgegengekommen, dass es langsamer wurde. Er war im richtigen Moment da."
Mathieu van der Poel am Teamfahrzeug von Alpecin – Deceuninck mit Sportdirektor Christoph Roodhooft am Steuer. | Foto: Cor Vos
Und auch Philipsen selbst deutete auf der Pressekonferenz an, dass sein Team ihm wohl schon vor dem Rennen die Kapitänsrolle gegeben hatte, als er über van der Poel sprach: "Mathieu ist Weltmeister und Titelverteidiger - natürlich ist er da die Nummer eins. Aber eigentlich hatte er eine freie Rolle", sagte er. Van der Poel gab bei Mailand-Sanremo sein Saisondebüt. Dass das Team tatsächlich nicht voll auf ihn setzen wollte, klingt daher sogar plausibel. Philipsen betonte trotzdem auch: "Ich bin mir sicher, dass Mathieu auch hätte gewinnen können."
Hat er aber nicht. Der Sieg in San Remo ging an Philipsen, der das anschließend als "möglichen Gamechanger" für sich bezeichnete. Was auch immer er damit genau sagen wollte, man darf sich wohl fragen, welchen Grund es für den 26-Jährigen geben sollte, das Team Alpecin – Deceuninck zu verlassen. Die Roodhooft-Brüder ließen zugunsten von Philipsen Top-Sprinter Tim Merlier ziehen, van der Poel stellte sich bei der Tour voll in seinen Dienst, anstatt selbst ums Grüne Trikot zu kämpfen und nun hat man den Belgier sogar zum Sanremo-Sieger gemacht.
Ein Kuss fürs Arbeitsgerät: Jasper Philipsen liebkost sein Canyon Aeroad. | Foto: Cor Vos
"Ich hätte auch selbst sprinten können, aber wir sind ehrlich zueinander. Wenn Jasper mir sagt, dass er wirklich gute Beine hat, dann glaube ich ihm. Und er hat es bewiesen", sagte van der Poel im Ziel gegenüber Eurosport und unterstrich damit das gute Verhältnis mit Philipsen noch einmal. In Flandern und Roubaix, wenn van der Poels größte Ziele des Frühjahrs warten, dürfte er sich der Hilfe des Belgiers nun sicherer denn je sein.
Philipsen wird sich auf dem Kopfsteinpflaster daran erinnern, wie viel van der Poel dazu beigetragen hat, dass er sich den Traum vom Monument verwirklichen konnte. Auch wenn man trotz aller Teamplay-Euphorie auch festhalten muss: Die Leistung, um nah genug an der Spitze über den Poggio zu kommen und nach 288 Kilometern auf der Via Roma Mads Pedersen (Lidl – Trek) und Michael Matthews (Jayco – AlUla) im Sprint zu schlagen, die hat Philipsen immer noch selbst erbracht.
"Den ganzen Tag lief es gut bei mir. Deshalb war ich mir die ganze Zeit sicher, dass das heute mein Tag sein könnte. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal solche Beine haben werde – es waren die stärksten, die ich jemals hatte", sagte er und gab zu, mit dem großen Sieg vor Augen im Finale auch nervös geworden zu sein:
Unwiderstehlich: An der Bande entlang sprintet Jasper Philipsen an Michael Matthews vorbei zum Sieg auf der Via Roma. | Foto: Cor Vos
"Ich hatte auf dem letzten Kilometer echt Angst, es zu vermasseln, weil ich schon einige Sprints vermasselt habe. Mir war klar, dass es gegen Matthews eng wird und ich hatte Pedersen noch stärker erwartet. Vor ihm hatte ich mehr Angst – ich wollte diese Chance nicht liegen lassen, denn es war eine für die Ewigkeit", so Philipsen, der übrigens seit Erik Zabel 2001 der erste Sanremo-Sieger ist, der im Jahr zuvor das Grüne Trikot der Tour de France gewonnen hat.
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