RSNplusPositionierungsprobleme machen Plan zunichte

An der Cipressa platzten Pogacars Team und Taktik

Von Tom Mustroph aus Sanremo

Foto zu dem Text "An der Cipressa platzten Pogacars Team und Taktik "
Tim Wellens vor Tadej Pogacar (beide UAE Team Emirates) am Poggio | Foto: Cor Vos

16.03.2024  |  (rsn) – Zum ersten Mal stand Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) bei Mailand-Sanremo auf dem Treppchen, aber der Slowene hatte Mühe, seine Enttäuschung über den dritten Platz hinter einem Lächeln zu verbergen. "Das ist doch ein tolles Podium, eines der besten, welches ich je gesehen habe. Und Michael und Jasper sind richtig gute Freunde", meinte der zweifache Tour-de-France-Sieger im Ziel. Gemeinsam mit dem Australier Michael Matthews (Jayco – AlUla) fiel er Sieger Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck), der ein ehemaliger Teamkollege des Slowenen ist, um den Hals und gratulierte diesem herzlich zu dessen ersten Monumentsieg .

Während zwischen Platz eins und zwei nur wenige Zentimeter entschieden, wurde Pogacar klarer Dritter. Ein wenig konnte er sich freuen, in einem Spurt nur knapp von den wesentlich schnelleren Sprintspezialisten geschlagen worden zu sein. Mit dem früheren Weltmeister Mads Pedersen hatte er einen weiteren nominell explosiveren Mann sogar hinter sich gelassen. "Wir wissen, dass Pogacar schnelle Beine hat, besonders nach so langen Rennen", zollte Philipsen auch dem Slowenen Respekt. ___STEADY_PAYWALL___

Das alles wird den zweifachen Tour-Sieger aber nicht darüber trösten, dass es erneut nichts mit einem Erfolg bei La Primavera wurde. Vor allem nicht angesichts der Energie, die sein Team UAE Emirates aufwand. Schon auf der Cipressa, 22 Kilometer vor dem Ziel, hatte unermüdlicher Einsatz, vor allem von Alessandro Covi und dem Mexikaner Isaac del Toro, das Feld auf zirka 40 Mann reduziert. Gut einen Kilometer vor der Kuppe ging del Toro, als Tour de l’Avenir-Sieger der letzten Saison eines der ganz großen neuen Talente der WorldTour, allerdings die Luft aus. Er ließ sich zurückfallen. Pogacar schaute seinen einzigen verbliebenen Helfer, Tim Wellens, an und beide nahmen etwas Tempo heraus.

Anerkennend gratulierte Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) dem Sieger Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck)

Der Slowene nahm über den Funk Kontakt mit dem Teamfahrzeug auf. "Was wir da genau gesprochen haben, weiß ich nicht mehr", sprach Andrej Hauptman, Sportlicher Leiter des Teams, zu RSN. Der Effekt war aber deutlich zu sehen. Zahlreiche bereits abgehängte Rennfahrer kamen wegen der geringeren Geschwindigkeit wieder zurück. Mit der neuen Rekordzeit von unter neun Minuten auf der Cipressa, die UAE-Manager Matxin Fernandez vor dem Rennen als Ansage in den Raum geworfen hatte, wurde es nichts. Und auch die Fluchtgruppe, die schon in Sichtweite war, bekam noch eine Gnadenfrist von einigen Kilometern.

Die Probleme lagen in der Cipressa-Anfahrt

Dass der Plan an der Cipressa nicht ganz aufging, lag vor allem aber an Positionierungsproblemen der UAE-Mannschaft in der Anfahrt zu diesem Anstieg. Denn als es bergauf ging, waren zunächst nur Pogacar und Covi ganz vorn im Feld zu sehen. Der Italiener spannte sich sofort vor seinen Kapitän und fuhr Vollgas, während von hinten Del Toro und Wellens mit umso größerem Kraftaufwand nach vorne kommen mussten. Als dann Del Toro übernahm, hatte der junge Mexikaner schon jene Körner verbraucht, die ihm schließlich oben heraus fehlten.

"Das Problem ist, dass wir vor der Cipressa schon viele Männer aufgeraucht hatten. Der Plan war, die Cipressa mit zwei Fahrern anzugehen, aber es nur noch einer da", sagte Wellens im Ziel dem belgischen Sender VTM. "Es war eigentlich nicht geplant, schon am ersten der drei Capi das Tempo zu erhöhen. Da muss man sich zurückhalten können", mahnte der Belgier außerdem, dass man vor der Cipressa zu ungestüm gewesen sei. "Aber im Nachhinein lässt es sich gut reden."

Als das von Covi und Del Toro an der Cipressa ausgedünnte Feld in der Abfahrt wieder zusammenrollte, spannte sich im Flachen auf dem Weg zum Poggio Marc Hirschi nochmal vors Feld. Doch für einen Solo-Sieg von Kapitän Pogacar war die Ausgangslage nun nicht mehr ideal.

Denn am Poggio, als Pogacar erneut attackierte, war die erste Gruppe sogar zahlenmäßig größer als vor einem Jahr. Völlig deprimiert war dennoch niemand am UAE-Bus. "Wir sind unser Rennen gefahren, haben das versucht, was wir konnten", blickte Hauptman auf den Rennverlauf zurück. Seinen jungen Schützling del Toro, der die Cipressa nicht auf vorderster Position zu Ende fuhr, wollte er nicht kritisieren.

An der Cipressa ging dem UAE-Team zu früh die Luft aus | Foto: Cor Vos

"Nein, nein, er hat optimale Arbeit geleistet und ganz viel investiert", meinte der Slowene, selbst Profi und WM-Dritter 2001 in Lissabon. Natürlich hätte er sich über mehr Beine an Unterstützung gefreut. "Aber wenn du einen Unterschied machen willst, dann kann es dir immer passieren, dass dir die Männer ausgehen. Wir haben getan, wozu wir in der Lage waren. Und das Resultat ist mit dem Podiumsplatz ja auch nicht schlecht", fasste er zusammen. Von der Taktik war er auch nach dem Fehlschlag derart überzeugt, dass er meinte, er könne sich das auch im nächsten Jahr vorstellen.

Allerdings war die vorher schon angekündigte Umsetzung eines der großen Probleme für seine Mannschaft an diesem Samstag. Die Konkurrenz konnte sich darauf einstellen. Zwar dünnte die Beschleunigung auf der Cipressa das Feld aus, aber zu viele endschnelle Männer waren an der Hügelkuppe noch dabei. Und auch das Zögern von Pogacar, seinen letzten Helfer Wellens zu früh zu opfern, führte dazu, dass es schlussendlich zum Sprint einer größeren Gruppe auf der Via Roma kam.

Im Zielsprint klarer Dritter, mit Abstand zu den beiden Fahrern vor ihm | Foto: Cor Vos

Der slowenische Superstar hat noch Defizite bei Mailand-Sanremo

Die Kampagne, die fast 300 Kilometer lange Fahrt zu gewinnen, hätte also noch mehr Beinkraft an der Cipressa benötigt. Die Ansage, dort die Gegner müde zu machen um am Poggio die entscheidende Attacke zu setzen, der keiner folgen kann, schlug fehl. Und so ging es mit mehreren Kontrahenten in das Finale. Zwar mag Pogacar auch im Sprint nicht zu verachten sein, mit dem einen oder anderen, der schneller ist, muss er bei diesem leichtesten Monument, das am schwersten zu gewinnen ist, immer rechnen. Und in der Abfahrt ist er eben auch nicht Extraklasse. Das bewies die Jagd herab vom Poggio ebenfalls.

Als Trost kann er mitnehmen, dass er sich bei der Classicissima stets verbessert. Nach Platz 5 im Jahr 2022 und Rang 4 im letzten Jahr stellt der dritte Rang doch einen Fortschritt dar. Mit einer Entwicklung in solch langsamen Schritten will er sich aber nicht zufriedengeben. "Nein, über Platz zwei im nächsten Jahr würde ich mich ganz und gar nicht freuen. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht gierig, aber ich möchte dieses Rennen super gern gewinnen“, meinte er zum Abschluss. Da war er wieder ganz der Alte, fröhlich lachend und mit unstillbarem Siegeshunger.

Das Podium der 115. Austragung von Mailand-Sanremo | Foto: Cor Vos

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