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12.09.2022 | (rsn) - Viel war vom Movistar Team in dieser Saison nicht zu sehen. Nur 15 Siege fuhr der spanische Traditionsrennstall ein, keiner davon auf WorldTour-Niveau. Bei der Heimatrundfahrt band das Team aber zumindest den Abstiegssack zu. Die 680 Punkte, die Enric Mas für den zweiten Gesamtrang bei der Vuelta einfuhr, sowie weitere 124 Zähler für diverse Tagesergebnisse waren dafür maßgeblich.
___STEADY_PAYWALL___ Der Mallorquiner brillierte im Kampf gegen Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) zwar nicht. Nur zwei Mal gewann er Zeit auf den Belgier, in der Sierra Nevada 36 Sekunden und in der Sierra de La Pandera 20 Sekunden. Beide Etappen fielen in die kurzzeitige Schwächephase des späteren Gesamtsiegers in den Tagen nach seinem Sturz. War Evenepoel im Vollbesitz seiner Kräfte, war für Mas nicht viel zu holen. Zu durchschaubar waren auch die Angriffsmanöver.
In den Bergen konnte Enric Mas (vorn) Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) nicht abschütteln, in den beiden Zeitfahren büßte der Spanier dagegen die letztlich entscheidenden Minuten auf den Belgier ein. | Foto: Cor Vos
Als Taktikfüchse haben sich die Sportlichen Leiter der Truppe in den letzten Jahren ohnehin nicht erwiesen. Immerhin hat Mas aber den Ruf gefestigt, einer der aktuell stabilsten Rundfahrer zu sein. Zum dritten Mal wurde er bereits Zweiter der Vuelta a Espana. Hinzu kommen ein fünfter und ein sechster Rang bei der Tour de France. Mas ist also dran an der Weltspitze, hat Saison für Saison seine Basis verbessert. Er ist damit ein Exponent des klassischen Radsports, dessen Markenzeichen ein langsamer Aufbau von Rundfahrern ist.
Mas und Movistar verloren die Vuelta in den Zeitfahren
Sein Pech ist, dass er in eine Ära der Jungphänomäne hineingeraten ist. Irgendeiner, der jünger ist, ist immer vor ihm, ob Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) bei der Tour oder jetzt Evenepoel bei der Vuelta. Und auch an den älteren kommt er (noch) nicht vorbei. Mal war es der drei Jahre ältere Simon Yates (BikeExchange – Jayco / 2018), der ihm im Wege stand, mal der fünf Jahre ältere Primoz Roglic (Jumbo – Visma / 2021).
Mas‘ Pech ist, dass er keine absolute Stärke hat. Er ist nicht superexplosiv. Er ist kein phänomenaler Zeitfahrer. Und mit Extraklasse bergab ist er bisher auch nicht aufgefallen. Im Gesamtpaket ist er allerdings gut. Und bei dieser Vuelta war er so gut, dass er sie sogar gewonnen hätte, wenn die Parcoursplaner auf eine Disziplin verzichtet hätten. “Wir haben die Vuelta im Zeitfahren verloren“, bilanzierte Mas.
Alejandro Valverde stellte sich bei seiner letzten Vuelta a Espana in den Dienst seines Teamkollegen Enric Mas. | Foto: Cor Vos
Da hat er vollkommen richtig gerechnet. 29 Sekunden verlor Movistar auf Quick Step Alpha Vinyl im Teamzeitfahren. 1:51 Minuten büßte er selbst im Einzelzeitfahren auf Evenepoel ein. Nach 21 Etappen lag er aber nur 2:01 Minuten zurück. Selbst wenn man nicht den Eindruck hatte, dass Mas ein besserer Bergfahrer als Evenepoel war, so legen das zumindest die Zahlen doch nahe.
Darauf kann Mas aufbauen. Ebenso auf der Erfahrung, dass er die Doppelbelastung Tour und Vuelta gut wegsteckt. Er ist ein Diesel, der einen langen Anlauf braucht. Einmal in Schwung gebracht, tuckert er aber auf hohem Niveau. Ihm scheint auch gut zu tun, wenn sich seine Bosse früh auf ihn als einzigen Kapitän festlegen. Dieses Vertrauen braucht er, dann liefert er auch. Günstig war in diesem Jahr die Konstellation im Team, weil Altmeister Alejandro Valverde eingesehen hatte, dass für ihn die Luft dann doch zu dünn wird.
Valevde bei seiner letzten Vuelta als Mas-Helfer auf hohem Niveau
Zwar hatte der Vuelta-Sieger 2009 zu Saisonbeginn so gute Trainingswerte lange nicht mehr, wie Valverde dem Sportblatt Marca verriet. Für den immer schneller und immer explosiver werdenden Ausdauersport der jungen Männer reichten aber selbst seine Bestwerte nicht. “Das Peloton ist immer schneller unterwegs. Das liegt vor allem daran, dass eine breite Mittelklasse der Fahrer immer besser geworden ist“, beobachtete der 42-jährige Valverde.
Auch bei der 77. Vuelta a Espana präsentierte sich Movistar nicht unbedingt als Mannschaft mit besonderer takticher Finesse. | Foto: Cor Vos
Die Helfer, die immer schneller werden und im Auftrag ihrer Kapitäne immer früher den Druck aufs Pedal erhöhen, machen die Rennen schneller. Und deshalb reicht die Beschleunigung, mit der Valverde früher Siege auf fast jedem Terrain herausfuhr, eben nicht mehr aus, um sich entscheidend abzusetzen. Weil die Aussichten dafür nicht besser werden, mit immer neuen Jungen, die nachdrängen, ist der Zeitpunkt für den Abschied auch gut gewählt. Valverde ist noch einmal auf hohem Niveau gefahren. Als Helfer für Mas kam er auf Rang 13 ein. Er ist einer, der unter fast allen Bedingungen Resultate liefern kann. Seine Beständigkeit ist auch Ansporn für Mas.
Der muss aus seinen guten Anlagen in Zukunft aber noch mehr machen. Den Biss, unbedingt gewinnen zu wollen, zeigte er bisher zu wenig. Bei dieser Vuelta setzte er Evenepoel aber wenigstens zeitweise unter Druck. Um dieses Programm auszubauen, muss Movistar allerdings in der Tiefe besser besetzt sein – und die Fahrer, die der Rennstall hat, in den entscheidenden Rennsituationen entschlossener einsetzen. Dann lassen sich sogar mit einem soliden Arbeitspferd wie Enric Mas Rennen gewinnen.
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