“Dachte, es wird eine Runde fürs Fernsehen“

Leknessunds TV-Attacke endet mit Gesamtsieg beim Arctic Race

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Leknessunds TV-Attacke endet mit Gesamtsieg beim Arctic Race"
Andreas Leknessund (DSM) | Foto: Cor Vos

14.08.2022  |  (rsn) - Nach einer hart umkämpften und äußerst spannend verlaufenen Schlussetappe rund um Trondheim (159,1 km) endete das Arctic Race of Norway (2.Pro) mit dem Triumph des Norwegers Andreas Leknessund (DSM), der sich nach einer beeindruckenden Fahrt nicht nur den Tagessieg vor dem Italiener Nicola Conci (Alpecin – Deceuninck) und dem Franzosen Axel Zingle (Cofidis) sicherte, sondern sich im Gesamtklassement noch um 23 Positionen auf den ersten Platz verbesserte.

In der Schlusswertung belegten der Kanadier Hugo Houle (Israel – Premier Tech) und Conci die Plätze zwei und drei. Rang vier ging an Zingle. Fünfter wurde sein Teamkollege Victor Lafay, der Mittag noch im Gelben Trikot gestartet war, aber dem Feuerwerk an Attacken, das auf den Schlussrunden rund um Trondheim abgefeuert worden wurden, nicht standhalten konnte.

Das Bergtrikot verteidigte Stephen Bassett (Human Powered Health), das Punktetrikot ging an Alex Zingle ((Cofidis). Der 23-jährige Leknessund holte sich auch die Nachwuchswertung.

Im Siegerinterview konnte es Leknessund nicht fassen, was er an diesem Tag geleistet hatte: "Ich hatte mich gestern schlecht gefühlt und wollte heute erst einmal sehen, wie die Beine anspringen. Ich habe auf die lokalen Runden gewartet. Und als dann die Angriffe begannen, ging es mir besser. Als wir dann zu dritt in der Fluchtgruppe waren, dachte ich zuerst, das sei eine ganz normale Attacke nur für Fernsehen. Ich habe nie damit gerechnet, dass es bis ins Ziel reichen würde.“

Auch bis dahin war der 23-Jährige noch nicht auf Sieg gefahren. Leknessund: „Ich wollte eigentlich nur eine Runde alleine schaffen, um die Zuschauer genießen zu können. Als ich aber vorne war, bin ich weiter voll gefahren. Ich habe damit gerechnet, dass die von hinten ganz schnell zu mir aufschließen werden, gerade in den schweren, steilen Passagen. Im letzten Kilometer wusste ich vom Teamradio, dass ich Vorsprung habe. Das hat mich natürlich noch mal motiviert.“

Dass er dabei war, nicht nur die Etappe sondern gleich die ganze Rundfahrt zu gewinnen, wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht. Leknessund: "Das sich auch die Gesamtwertung gewonnen habe, ist wirklich verrückt. Ich bin in Tromsö weiter im Norden aufgewachsen. Das hier ist mein Heimrennen, dass ich schon als Kind verfolgte habe. Es ist vielleicht einer der Gründe, warum ich mit dem Radsport angefangen habe. Dass ich es nun gewonnen habe, ist wirklich unglaublich.“

So lief das Rennen:

Die abschließende 4. Etappe des Arctic Race führte über ein welliges Klassikerprofil rund um Trondheim. Nach vielen Attacken konnte sich bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zunächst rund 50 km/h bei Kilometer 30 auf Initiative von Dylan Groenewegen (BikeExchange – Jayco) eine zwölfköpfige Spitzengruppe bilden, die aber durch eine kleine Gruppe von Protestierenden gestört wurde, die sich mit einer rauchenden Bengalofackel quer auf die Straße setzten. Die Ausreißer und das nur wenige Sekunden dahinter folgende Peloton konnten mit Mühe passieren. Doch beide wurden mit einem kleinen Abstand voneinander vom vorausfahrenden Juryfahrzeug angehalten. Der Begleittross brauchte mehr Zeit, um aufschließen zu können.

Nach einigen Minuten Pause wurde das Rennen zunächst für die Ausreißer und danach dem Peloton wieder freigegeben. Lange blieben die beiden Gruppen nach dieser Störung nicht getrennt und die Attacken begannen von neuem.

Nach gut 50 Kilometern setzte sich dann eine fünfköpfige Gruppe ab, zu der vier weitere Profis aufschlossen. Doch auch diese Fluchtgemeinschaft, zu der Leknessund gehörte, der im Klassement nur 36 Sekunden hinter dem Gelben Trikot lag, wurde nicht weggelassen. Kurz vorm Zusammenschluss attackierte der DSM-Profi erneut mit einem weiteren Fahrer. Auch dieser Versuch wurde vereitelt.

Doch Leknessund hatte noch nicht genug. Kurz entschlossen jagte der 23-Jähige den zuvor losgefahrenen Alessandro Verre (Arkea – Samsic) und Fabian Grellier (TotalEnergies) hinterher. Dieses Trio kam schließlich weg und fuhr bis zu 70 Kilometer vor Schluss gut zwei Minuten Vorsprung heraus. Mehr Abstand bekamen sie aber von der das Peloton nun anführenden Cofidis-Equipe von Spitzenreiter Lafay nicht zugestanden.

Auf den Stadtrunden ging die Post ab

Als 32 Kilometer vor Schluss die vier Stadtrunden (à 8 km) erreicht wurden, betrug der Vorsprung nur noch 1:30 Minuten. Als der auf eine Minute gesunken war, attackierte Leknessund vor dem steilen Tyholt-Anstieg (7,7 %/1,4 km) ein weiteres Mal und setzte sich unter dem Jubel seiner Landsleute ab. Hinter ihm lösten sich Martin Urianstad (Uno-X), Embret Svestad-Bordseng (Coop) und Thomas Gloag (Trinity) vom Feld. Sie schlossen schnell zu Leknessunds ehemaligen Begleitern Verre und Grellier auf. Zusammen verfolgten sie den Spitzenreiter, der eine Minute vor ihnen und 1:30 Minuten vor dem sich immer mehr auflösenden Feld das Rennen anführte.

Im nächsten Tyrholt-Anstieg wurden die Fünf nach und nach wieder gestellt und Conci blies zur Jagd. Der Italiener wurde schnell von einer sechsköpfigen Verfolgergruppe aufgefahren, zu der auch der Gesamtdritte Houle sowie Zingle gehörten, der nach der 3. Etappe das Gelbe Trikot an seinen Teamkollegen Lafay abgeben musste. Leknessunds Vorsprung betrug nach der dritten Bergpassage nur noch 26 Sekunden auf die Verfolger und eine Minute auf das Gelbe Trikot.

Aber der Solist an der Spitze steckte nicht auf. In der Abfahrt und dank der Bonussekunden unterwegs vergrößerte der zweimalige Zeitfahrmeister seines Landes den Vorsprung wieder auf 39 Sekunden. Auch nach der vierten Tyrholt-Passage hatte er kaum von seinem Vorsprung eingebüßt.

In der Abfahrt Richtung Ziel kam ihm Conci immer näher, doch Leknessund überquerte als Tagessieger die Ziellinie. Danach wurde minutenlang gerechnet, ob es auch für den Gesamtsieg gereicht hatte. So eng war es auch wegen der Bonussekunden, die unterwegs vergeben worden waren!

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

15.08.2022Osborne: Erst als die Kette riss, war “Game over“

(rsn) – Als Stagiaire bei Deceuninck - Quick-Step konnte sich Jason Osborne im Herbst 2021 nicht für einen Profivertrag empfehlen. Ein knappes Jahr später scheinen die Chancen für den Mainzer deu

14.08.2022Vorschau auf die Rennen des Tages / 14. August

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

13.08.2022Lafay knöpft Teamkollege Zingle beim Arctic Race Gelb ab

(rsn) - Der Franzose Victor Lafay (Cofidis) gewann nach einem entschlossenen Angriff zwei Kilometer vor der Bergankunft auf dem Skallstugu Summit die 3. Etappe des Arctic Race of Norway über 180 Kilo

13.08.2022Vorschau auf die Rennen des Tages / 13. August

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

12.08.2022Vorschau auf die Rennen des Tages / 12. August

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

11.08.2022Neo-Profi Zingle ahnte abends, dass er siegen könnte

(rsn) – Mit einem beeindrucken Schlussspurt den Zielhügel in Mo i Rana hinauf gewann Axel Zingle (Cofidis) die 1. Etappe des Arctic Race of Norway. Zweiter wurde mit einer Sekunden Rückstand Gleb

Weitere Radsportnachrichten

26.12.2025Storer kritisiert Ex-Team: “Sie erwarten, dass du gut bist, ohne dir zu helfen“

(rsn) – Der “moderne Radsport“ ist in aller Munde, aber offenbar noch nicht in jedem Team angekommen. Vor einigen Tagen hatte Arne Marit, Spät-Neuzugang bei Red Bull – Bora – hansgohe, bei

26.12.2025Ist Lazkanos Sperre die Chance für die Van-Dijke-Zwillinge?

(rsn) – Familienbande sind stark. Das wissen auch Tim und Mick van Dijke. Die Zwillingsbrüder haben ihr erstes gemeinsames Jahr bei Red Bull – Bora – hansgrohe hinter sich, nachdem sie zuvor me

26.12.2025Van der Poel macht es in Gavere gegen Nys spannend

(rsn) – Beim Weltcup in Gavere hat Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) seine weiße Weste bewahrt. In der 7. von neun Runden fuhr er seinem letzten Begleiter Thibau Nys (Baloise – Glowi

26.12.2025“Nicht sehr soziale“ Brand dominiert auch in Gavere

(rsn) – Das Zählen geht weiter. Bei ihrem Sieg im Weltcup von Gavere hat Lucinda Brand (Baloise – Glowi Lions) die 57. Podiumsplatzierung in Serie eingefahren. Außerdem war es ihr 14. Sieg beim

26.12.2025Ziel nach starkem Jahr: “Die zweiten Plätze in Siege umwandeln“

(rsn) – Das sei verraten: So weit vorne wie Max Kanter (XDS – Astana) landete in der RSN-Jahresrangliste 2026 kein anderer deutscher Sprinter. Das liegt zum einen daran, dass lange Zeit dominieren

26.12.2025Mit Uno-X bei den Topsprinterinnen angeklopft

(rsn) – Linda Zanetti (Uno-X Mobility) ist 2025 zu einem der Shootingstars im internationalen Peloton geworden. Nach zwei Jahren beim UAE-Team und einem bei Human Powered Health schloss sich die Sch

26.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

26.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

25.12.2025“Harzige Saison“ ohne Sieg und Tour, aber mit Doppelbronze

(rsn) – Stefan Küng ist sicher kein Legionär. Nach insgesamt sechs Jahren bei BMC sowie derer sieben bei Groupama – FDJ steht 2026 erst zum zweiten Mal in seiner Profilaufbahn ein Tapetenwechsel

25.12.2025Pogacar verdankt Niederlage gegen Vingegaard viel

(rsn) – Als Tadej Pogacar 2019 die Tour de l’Avenir (2.2Ncup) gewann, war er in seinem zweiten U23-Jahr Teil des Drittdivisionärs ROG – Ljubljana. In einer – nachträglich kann man das nicht

25.12.2025Auf Trainingsgruppe schießender Autofahrer festgenommen

(rsn) – Drei Tege nachdem die Trainingsgruppe des Drittdivisionärs S.C. Padovani Polo - Cherry Bank im Etschtal aus einem fahrenden Auto heraus aus nächster Nähe beschossen wurde, wurde der mutma

25.12.2025Baroncini: “Ein Wunder, dass ich noch lebe und sehen kann“

(rsn) – Am 6. August stürzte Filippo Baroncini (UAE – Emirates – XRG) bei der Polen-Rundfahrt (2.UWT) schwer. Er wurde in ein künstliches Koma versetzt und es wurde um sein Leben gefürchtet.

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)