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17.04.2021 | (rsn) - Durch die Wüsten der Emirate, über kultige Schotterpisten der Toskana bis auf die höchsten Berge Kataloniens – hallo, hier ist wieder Ben Zwiehoff, und ich freue mich, Euch meine zweite Ausgabe des Neo-Profi-Blogs auf radsport-news.com zu präsentieren.
Eine turbulente erste Saisonphase liegt hinter mir. Als ich das letzte Mal berichtete, stand ich kurz vor meinem ersten Rennen als Profi in der WorldTour. Den Einstieg gab ich für mein Team Bora - hansgrohe bei der UAE Tour in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Einerseits sagten mir viele meiner erfahreneren Kollegen, dass dieses Rennen ein recht simpler und guter Einstieg für mich als “Newbie” sein würde, gleichzeitig verwies Ackes (Pascal Ackermann) auch auf die Windverhältnisse, welche das Rennen trotz guter und breiter Straßen kompliziert machen können. Leider behielt er wie so häufig mit seiner Prognose Recht, zumindest am ersten Tag.
Um ehrlich zu sein, war ich trotz meiner jahrelangen Erfahrung als Mountainbike-Profisportler, mega nervös und aufgeregt vor meinem ersten Einsatz. Ich hatte keine Ahnung, wie man sich das Radio ins Trikot stopft, welchen Kanal man einstellen muss und wie die Abläufe vor einem Rennen sind. Deshalb beobachtete ich die Jungs ganz genau, um mir gleich am ersten Tag so viel wie möglich abzuschauen.
Ich rechnete mit einem wirklich schnellen Rennen gleich von Beginn an. Die ersten Kilometer waren sehr anfällig für Seitenwind und die berühmt-berüchtigte Windkante. Ich wusste, dass diese Bedingungen für einige Hektik sorgen würden, aber was dann nach dem Start passierte, überraschte mich nicht nur, sondern hinterließ in der Nachbetrachtung sogar einen kleinen Schock. Nach genau 100 Metern teilte sich das Feld aufgrund des Seitenwinds zum ersten Mal. Unwillkürlich dachte ich: “Moment mal? Cross Country Weltcup wollte ich doch eigentlich nicht mehr fahren…”.
Der Seitenwind begleitete uns den ganzen Tag und sorgte für ein chaotisches Rennen. Im Finale kam für mich noch ein Vorderraddefekt dazu, was die Sache nicht einfacher machte. Leider verloren wir als Team komplett den Anschluss und waren nicht in der ersten Gruppe vertreten. Ich überquerte die Ziellinie als 31. – mit einer ganzen Menge Fragezeichen im Gepäck. “Was war das bitte für ein Tag? Wie kann einem sowas Spaß machen?”. Zum Glück folgte die für mich beruhigende Antwort schon wenige Tage später.
Bei den Bergankünften wendete sich sowohl für uns als Team als auch für mich persönlich das Blatt. Am Jebel Hafeet konnten Emu (Emanuel Buchmann), Konni (Patrick Konrad) und ich lange gemeinsam in der Spitzengruppe bestehen, Emu brachte für uns einen vierten Platz nach Hause. Am Jebel Jais zeigten wir als Team Präsenz am ganzen Berg und ich konnte vier Kilometer vor dem Ziel sogar meine erste Attacke in einem WorldTour-Feld forcieren. “Das macht doch sogar richtig Spaß!”, dachte ich.
Dass meine erste Verunsicherung nach nur ein paar Tagen einer Menge Spaß und Freude weichen konnte, lag vor allem daran, dass mich die Jungs sehr gut an die Hand genommen haben, ich mich dadurch schneller als gedacht an den Flow des Pelotons gewöhnt habe und es für mich mit jeder Minute ein Stückchen leichter wurde.
Natürlich passierten mir noch Fehler, aber alles in allem fühlte ich mich nach der UAE-Tour schon sehr wohl mit dem Fahren im Feld. Meine erste WorldTour-Rundfahrt beendete ich auf dem 26. Gesamtrang und, was noch viel wichtiger war, mit einer Menge Erfahrung im Gepäck. Allein am ersten “Horror-Tag” habe ich wahrscheinlich so viel gelernt wie bei zehn “normalen” Etappen.
Wieder Zuhause angekommen, blieb kaum Zeit zum Verarbeiten der Eindrücke. Es ging quasi nahtlos weiter mit der Strade Bianche, meinem ersten “Klassiker”. Für mich war es einerseits gewohntes Terrain, andererseits aber auch eine große Prüfung. Gewohnt waren die “Gravel-Sektoren”, in denen ich mich sehr sicher gefühlt habe, die Prüfung lag in den Positionskämpfen vorher. Bis zum achten Sektor gelang mir ein gutes Rennen und vor allem eine gute Positionierung ohne zu viel Energie zu verschwenden.
Leider erwischte Patrick Konrad einen Defekt genau zwischen den entscheidenden Sektoren 7 und 8. Ich wartete und versuchte, ihn nochmal vorne reinzufahren. Dadurch verlor ich den Anschluss an die große Gruppe. Am Ende war ich dennoch stolz, meine Aufgaben erledigt und dieses Rennen gefinisht zu haben.
Nach einem guten weiteren Trainingsblock durfte ich als Teil einer starken Bora-hansgrohe-Mannschaft an der 100. Auflage der Volta Ciclista a Catalunya teilnehmen. Wir hatten mit Wilco Keldermann, Lennard Kämna und Peter Sagan drei aussichtsreiche Kandidaten sowohl fürs Gesamtklassement als auch für den einen oder anderen Etappensieg dabei. Deshalb war die ganze Mannschaft bis in die Haarspitzen motiviert. Nach einem guten Start und soliden Etappen 2 & 3 war für uns klar, dass wir auf der 4. Und 5. Etappe wirklich was holen konnten.
Besonders viel gelernt habe ich auf der 4. Etappe, auf der ich gemeinsam mit Ide Schelling und Lennard Kämna in der Ausreißergruppe dabei war und dann Lenni im Finale mit zu seinem Etappensieg verhelfen konnte. Darüber hinaus war der 19. Platz auch mein persönlich bestes WorldTour Ergebnis bis dato – ein super Tag für uns alle!
Am Ende der Katalonien-Rundfahrt stand eine sehr starke Teamvorstellung, die die Basis für die zwei Etappensiege (Lennard Kämna & Peter Sagan) sowie den fünften Gesamtrang für Wilco Keldermann gelegt hat, zu Buche. Für mich war es das erste Mal, dass ich eine so erfolgreiche, aber gleichzeitig auch so lehrreiche Woche erleben durfte. Umso glücklicher war ich auch, als ich die Ziellinie in Barcelona überquerte.
Mein größter Dank geht an das ganze Team und an den gesamten Staff, dass ihr mich in dieser nicht ganz einfachen Anfangsphase meiner Straßenkarriere unterstützt habt!
Ich freue mich jetzt mit den gesammelten Erfahrungen so richtig loszulegen und bei den nächsten Rennen, nämlich der Tour of the Alps und der Tour de Romandie, davon zu profitieren.
Bis dahin, bleibt alle gesund und passt auf euch auf!
Ride on
Euer Ben
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