Giro: Almeida holt sich Zeit zurück

Die Liebe verlieh Tratnik im steilen Finale Flügel

Von Felix Schönbach

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Jan Tratnik (Bahrain - McLaren) gewann die 16. Etappe des Giro d´Italia. | Foto: Cor Vos

20.10.2020  |  (rsn) - Jan Tratnik (Bahrain - McLaren) hat die 16. Etappe des Giro d’Italia aus einer Spitzengruppe heraus gewonnen. Der Slowene schlug Ben O’Connor (NTT) nach 229 Kilometern auf dem steilen Schlusskilometer von San Daniele del Friuli. Dahinter komplettierte sein italienischer Teamkollege Enrico Battaglin das Tagespodium. Das Favoritenfeld ließ den Großteil der Etappe langsam angehen. Aber auf den letzten Metern konnte der Gesamtführende Joao Almeida (Deceunick - Quick - Step) den Konkurrenten noch zwei Sekunden abknüpfen, um sein Rosa Trikot abzusichern.

Tratnik gehörte zu einer 28 Fahrer großen Spitzengruppe, die den Etappensieg unter sich ausmachte. Der 30-Jährige war einer der ersten, die auf den zwei anspruchsvollen Schlussrunden die Initiative ergriffen. "Ich wollte heute etwas versuchen, weil die harten Etappen anstehen. Also wartete ich nicht lange und bin mit Boaro nach der ersten Zielpassage losgefahren", erklärte er nach dem Rennen.

Es stellte sich heraus, dass der Slowene der stärkste Fahrer unter den Ausreißern war. Allein O’Connor konnte ihn gefährden. "Ab dem vorletzten Berg bin ich allein gefahren, aber O’Connor hat mich an der letzten Bergwertung wieder eingeholt. Wir haben gut kooperiert, aber ich war 50 Kilometer allein vorne", beschrieb Tratnik die Ausgangssituation fürs Finale.

Die Entscheidung fiel schließlich auf einer bis zu 18 Prozent steilen Rampe auf dem letzten Kilometer. Mit der langen Solofahrt in den Beinen hatte Tratnik eigentlich die schlechteren Karten. Doch kurz vor dem Ziel bekam der Routinier unerwartete Unterstützung: "Es war einer dieser besonderen Tage, weil wir nahe meiner Heimat Slowenien fuhren. Mein Bruder und meine Freundin waren im Ziel. Die letzten drei Kilometer war ich schon am Limit, aber als ich meine Freundin 500 Meter vor dem Ziel sah, gab mir das extra Energie und ich bin zur Ziellinie geflogen", sagte er.

Almeida nutzte die gleiche Taktik, um nach dem Zeitverlust am Sonntag ein kleines Ausrufezeichen zu setzen - auch wenn seine Freundin nicht am Straßenrand stand. "Ich habe mich gut gefühlt. Manchmal ist Attacke die beste Verteidigung. Wenn es so steil ist, muss jeder Energie aufwenden, also warum sollte ich es nicht versuchen?", freute sich der Portugiese nach seiner gelungenen Aktion.

Im Hinblick auf die Schlüsseletappen in den kommenden Tagen gab sich Almeida gelassen: "Man muss die Beine haben, aber manchmal ist auch der Kopf entscheidend. Für morgen bin ich selbstbewusst und auf das Schlimmste vorbereitet." Der 22-Jährige verteidigte auch die Führung in der Nachwuchswertung. Das Sprinttrikot bleib bei Arnaud Démare (Groupama - FDJ). Giovanni Visconti (Vini Zabù - KTM) konnte alle Angriffe auf sein Blaues Trikot des Bergbesten abwehren.

So lief das Rennen:

Nach etwas mehr als 20 Kilometern attackierte Ruben Guerreiro (EF Pro Cycling) am ersten Anstieg und sicherte sich die Punkte in der Bergwertung. Guerreiro folgten 27 weitere Fahrer, wie unter anderen Visconti, Tratnik, O’Connor, Battaglin, Kamil Malecki (CCC), Ben Swift (Ineos Grenadiers), Manuele Boaro (Astana), Geoffry Bouchard und Andrea Vendrame (beide AG2R La Mondial), Valerio Conti (UAE-Emirates) und Allessandro Tonelli (Bardiani-CSF-Faizanè). Das von Deceunnick-Quick-Step angeführte Feld ließ sie ziehen und gewährte der Gruppe einen Vorsprung von zeitweise 14:40 Minuten. Schnell war klar, dass der Etappensieg vorne ausgefahren werden würde.

Guerreiro und Visconti lieferten sich ein Duell um die Bergpunkte. Nachdem die erste Bergwertung der 2. Kategorie an Guerreiro gegangen war, gewann Visconti die nächsten beiden Bergpreise der 3. Kategorie. Zwischenzeitlich sicherte sich Vendrame den ersten Zwischensprint. Bei der ersten von drei Passagen des Monte di Ragogna attackierte dann Guerreiro, um sich die Bergpunkte zu sichern. Als er nach der Abfahrt, 62 Kilometer vor dem Ziel, eingeholt wurde, setzten sich Boaro und Tratnik ab. Boaro sicherte sich den Bonussprint und das Duo baute seinen Vorsprung auf die restlichen Ausreißer langsam auf bis zu 40 Sekunden aus.

Dort kam es zu mehreren Konterattacken, bis sich schließlich eine Verfolgergruppe mit Swift, Conti, Tonelli und Bouchard herauskristallisierte. Am nächsten Anstieg fielen Conti und Tonelli zurück, während Battaglin, Malecki und O’Connor zur Verfolgergruppe aufschlossen. Vorne konnte Boaro dem Tempo von Tratnik nicht mehr folgen. Er wurde kurz vor Ende der zweiten Schlussrunde von der Verfolgergruppe geschluckt. Die sieben Verfolger um Swift konnten vor dem letzten Anstieg jedoch kaum Boden auf Tratnik gutmachen.

Entscheidung an der Rampe

Erst als O’Connor bei der letzten Passage des Monte Ragogna angriff und damit die Verfolgergruppe zerriss, sank Tratniks Vorsprung erstmals. O’Connor kämpfte sich Meter um Meter an Tratnik heran und stellt an der Bergwertung den Anschluss wieder her. Das Duo absolvierte die letzten zehn Kilometer einträchtig. Erst an einer kurzen, steilen Rampe kurz vor Schluss trat O’Connor an. Tratnik konnte den Angriff parieren und setzte am steilsten Abschnitt dann den entscheidenden Konter. Hinter dem Duo sprintete Battaglin, der als Teamkollege Tratniks die ganze Zeit keine Arbeit verrichten musste, vor Malecki und Swift auf Platz drei.

Nachdem das Feld die ganze Etappe bummelte, zeigten sich die Favoriten auf dem steilen letzten Kilometer nochmal angriffslustig. Almeida griff am steilsten Stück an. Sein schärfster Kontrahent Wilco Kelderman (Sunweb) war zwar an seinem Hinterrad, musste aber über die Kuppe reißen lassen und kam wie der Rest der Favoriten mit zwei Sekunden Rückstand auf das Rosa Trikot ins Ziel. Fausto Masnada (Deceunick-Quickstep) verlor als einziger Fahrer in den Top 10 knapp zwölf Sekunden auf seinen Kapitän.

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