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30.06.2011 | (Livigno, 29.6., 16/00) - 48 Kehren, 1850 Höhenmeter, 25 Kilometer: Das Stilfser Joch ist allein schon den Zahlen nach einer der beeindruckendsten Pässe der Radsport-Welt. Heute war es Teil der vierten Transalp-Etappe von Naturns nach Livigno – die Königs-Etappe. Aber während ich diese Zeilen schreibe, fühle ich mich durchaus nicht wie ein König, eher wie ein geprügelter Hund. Der "Stelvio", wie der Italiener sagt, hat mir ganz schön zugesetzt.
Schon die Anfahrt war hart. Die neutralisierte Phase auf den ersten 40 Kilometern entpuppte sich nämlich bald als Rennen hinter dem Führungsfahrzeug. Bis zu 360 Watt zeigte mein SRM-System auf der ständig leicht ansteigenden Strecke durch das Vinschgau stellenweise an. Andi und ich mussten ganz schön treten, um uns in der Spitzengruppe zu behaupten. „Wie soll ich jetzt auch noch das Stilfser Joch packen“, dachte ich mir, als wir die Ortseinfahrt von Prad erreichten. Da begann die Steigung...
Die führenden Teams attackierten direkt unten. Einige andere erhöhten ebenfalls das Tempo, während wir unseren Rhythmus weiterfuhren. Schließlich lagen ja nicht nur das Stilfser Joch vor uns, sondern auch noch der Passo Foscagno, der zweite Anstieg des Tages. Mit 270 Watt ging es also dahin. Andi sammelte an der Verpflegung wieder zwei Flaschen ein, und ich kurbelte meinen Stiefel.
Zumindest in der ersten Hälfte, denn im oberen Teil bekam ich ernsthafte Sitzprobleme. Als Einarmiger kann ich ja nicht in den Wiegetritt gehen, und muss alle Strecken auf dem Hintern absitzen. Gerade an so langen Tagen ist das nicht gerade angenehm. Während Andi einen richtig guten Tag erwischte, rutschte ich also auf meinem Sattel hin und her. Erst ein wenig, dann immer mehr.
Aber trotz dieser Schwierigkeiten zahlte sich unser zurückhaltendes Tempo aus: Viele, die anfangs überzogen hatten, überholten wir nun. Sogar zwei kurze Stopps – mein Sitzfleisch schmerzte einfach zu sehr – änderten nichts daran, dass wir uns von Kilometer zu Kilometer nach vorne arbeiteten. Einige Positionen verloren wir zwar wieder in der Abfahrt, aber das war es uns wert: Während andere in den dunklen Tunnels durchaus ihr Leben riskierten, wollten wir einen Sturz um jeden Preis vermeiden.
Am Fuß des Foscagno fanden wir uns in einer größeren Gruppe etwa an der 40. Position wieder. Trotz einer kurzen Schwächephase meinerseits in der Steigung konnten wir diesen Rang durch eine Attacke kurz vor Livigno noch verbessern, so dass wir auf dem 33. Rang das Ziel erreichten. Unser vorsichtiger Beginn und das konstante Tempo hatten sich bezahlt gemacht!
In der Gesamtwertung sind wir nun 33. Mal sehen, ob sich morgen was zu unseren Gunsten ändert: Dann steht im Lauf der 111 Kilometer langen Etappe von Livigno nach Ponte di Legno der berüchtigte Mortirolo auf dem Programm. Ein echter Hammer, der sogar manchen Profi beim Giro d'Italia zur Verzweiflung treibt!
Ich habe ehrlich gesagt auch ein bisschen Bammel: Nicht nur weil ich mit nur einem Arm echt Probleme bei starken Steigungen habe, sondern auch, weil die Abfahrt recht gefährlich sein soll. Drückt uns die Daumen, dass alles gut geht!
Euer Wolfgang
P.S: Hier noch mein üblicher Hinweis auf unser Projekt „Bike for SMA“; viele kennen es mittlerweile schon. Jede noch so kleine Spende ist eine wichtige Hilfe für die Erforschung der Krankheit Muskelschwund. Informationen findet ihr unter dem Link hier unten. Vielen Dank!
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