RSNplusZeitfahrweltmeister trotzt dem Pech mit Silber

Sattel-Drama kostet Evenepoel die Chance aufs WM-Double

Von Felix Mattis aus Kigali

Foto zu dem Text "Sattel-Drama kostet Evenepoel die Chance aufs WM-Double"
Remco Evenepoel schwer enttäuscht im Ziel des WM-Straßenrennens. | Foto: Cor Vos

28.09.2025  |  (rsn) – Remco Evenepoel war am Boden zerstört. Im Ziel des WM-Straßenrennens von Kigali setzte sich der Belgier an die Bande und blickte minutenlang schwer enttäuscht nach unten. Es dauerte, bis er verdaut hatte, was ihm in den Stunden zuvor passiert war. Denn der Kampf ums Regenbogentrikot war für den 25-Jährigen ein wahrer Krampf – und das sogar im wahrsten Sinne des Wortes.

Denn im vorentscheidenden Moment des WM-Rennens, als Pogacar auf dem steilen letzten Kilometer des Mont Kigali das Tempo erhöhte und das Favoritenfeld zum Explodieren brachte, hatte Evenepoel genau das: Krämpfe. Die allerdings kamen nicht etwa durch Nährstoffmangel, sondern durch eine seit dem Fuß des Berges drastisch veränderte Sitzposition.

"Ich bin vor dem Mont Kigali in ein Schlagloch gefahren und mein Sattel ist dabei runtergerutscht. Als es dann berghoch ging, haben meine hinteren Oberschenkel mehr und mehr zugemacht und gekrampft. Als Tadej dann attackierte, was ich genau an dieser Stelle auch erwartet hatte, konnte ich nicht mehr ordentlich in die Pedale treten. Das mag komisch klingen, aber so ist das bei einer so drastischen Sitzpositionsveränderung", erzählte Evenepoel auf der Pressekonferenz, was radsport-news.com vorher noch während des laufenden Rennens von den belgischen Mechanikern erfahren hatte. Zwei Zentimeter seien es gewesen, die Evenepoel plötzlich tiefer saß, bestätigten die. ___STEADY_PAYWALL___

Deshalb die Geste des Belgiers auf dem Gipfel, als er sich umdrehte und hinter sich nach unten zeigte. Zuerst dachte man, er hätte einen Platten, doch das Problem war das verrutschte Sitzrohr. Weil das Teamfahrzeug der Belgier in dieser Rennphase, als das Feld gerade in seine Einzelteile zerfiel, die Abfahrt und anschließend die enge Mur de Kigali anstanden, aber zu weit hinten war und nicht zu ihm vorkam, musste Evenepoel noch eine ganze Weile so weiterfahren. Insgesamt waren es etwas mehr als 20 Kilometer vom Schlagloch bis zur nächsten Zielpassage, wo er auf ein schwarzes Rad wechselte.

Von einem nicht passenden Rad aufs nächste?

"Das war dann aber mein Drittrad, das ich nicht oft benutze, und da hatte ich auch das Gefühl, dass ich nicht richtig saß. Der Sattel war zu gerade. Das hat für große Probleme im unteren Rücken gesorgt. Deshalb konnte ich darauf auch nicht lange bleiben. Die Schmerzen wurden sehr groß", erzählte Evenepoel. Die belgischen Mechaniker aber urteilten, dass beim Drittrad eigentlich alles in Ordnung gewesen sei. Sie hätten es extra auch nach dem Einsatz noch mal vermessen.

Doch egal ob faktisch richtig oder nur ein Gefühl in Evenepoels Kopf: Der Belgier kam mit dieser Maschine nicht zurecht, stoppte am Ende des Kopfsteinpflasteranstiegs von Kimihurura erneut und wartete auf den Teamwagen, um von dessen Dach wiederum sein goldenes Zweitrad zu bekommen.

Remco Evenepoel an der Mur de Kigali, als er noch auf nach unten gerutschtem Sattel unterwegs war. | Foto: Cor Vos

"Dann war endlich alles wieder in Ordnung und ich konnte ins Rennen zurückkommen", so Evenepoel, der durch das zweimalige Stoppen und all die Probleme bereits rund 1:45 Minuten hinter Spitzenreiter Pogacar lag und später zugab, dass er zu diesem Zeitpunkt auch beinahe aufgegeben hätte.

"Natürlich: Ich habe zur Anzeige hochgeschaut und 1:45 oder so gesehen und mich schon gefragt: Wieso überhaupt weiterfahren? Aber als ich dann wieder in die Gruppe zurückkam und sich der Körper nach dem zweiten Radwechsel wieder besser angefühlt hat, habe ich gespürt, dass ich noch etwas machen kann. Klar: Der Abstand zu Tadej war zu groß, um ihn noch mal einzuholen. Das war erledigt. Aber ich konnte immer noch auf Platz zwei fahren."

Evenepoel klar der Stärkste hinter Pogacar

Und genau das tat Evenepoel schließlich auch. Der Belgier kam mithilfe seines Teams und des Fahrzeugkonvois zur großen Verfolgergruppe hinter dem da noch mit Isaac Del Toro zu zweit an der Spitze fahrenden Tadej Pogacar sowie dem Verfolgertrio Ben Healy, Mikkel Honoré und Pavel Sivakov zurück und lag damit lediglich eine Minute hinter der Spitze. Er drückte aufs Tempo, fuhr mit Jai Hindley, Mattias Skjelmose und Tom Pidcock Ende der fünftletzten Runde - also rund 65 Kilometer vor Schluss - zu Healy vor und nun ging es zu fünft um Silber, da Del Toro, Honoré und Sivakov durchgereicht worden waren.

21,5 Kilometer vor dem Ziel ließ Evenepoel bei der vorletzten Passage der Cote de Kigali Golf auch Healy und Skjelmose noch stehen und hatte nun eine Lücke von 1:07 Minuten zwischen sich und Pogacar. Doch die bekam er nicht mehr kleiner und so gewann der Slowene schließlich mit 1:28 Minuten Vorsprung.

Fest entschlossen: Remco Evenepoel war im Finale klar stärker als Mattias Skjelmose (hinten links) und Ben Healy (hinten rechts). | Foto: Cor Vos

"Ich denke, ohne die Krämpfe hätte ich mit ihm (Pogacar) und Del Toro mitgehen können", sagte Evenepoel auf seiner Pressekonferenz mit Blick auf den Mont Kigali, wo zunächst auch Juan Ayuso noch bei Pogacar geblieben war – außer Sichtweite für den krampfenden Evenepoel. "Am Ende ist Tadej 1:20 Minuten oder so vor mir und ich bin auch eine Minute vor dem Nächsten. Ich denke, das zeigt, dass meine Form diese Woche sehr gut war und ich die Beine hatte. Aber etwas Pech hat dafür gesorgt, dass ich das Double heute nicht holen konnte."

Ob Evenepoel Pogacar im direkten Duell ohne seine zwischenzeitlichen Schwierigkeiten geschlagen hätte, das wird man niemals herausfinden können. Doch wenn man sieht, wie der Belgier trotz allem unterwegs war, darf man wohl zumindest sicher sein, dass es sehr spannend geworden wäre. Evenepoel präsentierte sich nach der Zeitfahr-Dominanz des vergangenen Wochenendes erneut bärenstark, ließ sich die Magenprobleme, die er in den letzten Tagen gehabt habe und die auch im Straßenrennen zwischenzeitlich spürbar gewesen seien, nicht anmerken und setzte dann auf der Pressekonferenz noch ein Statement:

Das härteste Rennen? "Eigentlich nicht"

Auf die Frage, ob das sein härtestes Rennen gewesen sei, auf die sehr viele andere Profis an diesem WM-Sonntag mit "Ja" reagiert hatten, antwortete er: "Eigentlich nicht." Der Belgier schien nach der großen Enttäuschung sofort Stärke ausstrahlen zu wollen und strotzte in den Interviews bereits wieder vor Selbstbewusstsein.

Das Regenbogentrikot musste Evenepoel Pogacar wieder überlassen. Das EM-Trikot nächsten Sonntag will er ihm aber streitig machen. | Foto: Cor Vos

"Gold und Silber ist eine gute Ausbeute und da kann man schon glücklich sein. Nur war das Ziel von mir und dem Nationalteam eben, zwei Mal Gold zu holen. Aber bei der WM muss eben alles perfekt laufen. Ich glaube nicht, dass schon mal jemand mit Pech Weltmeister wurde - okay, van der Poel vielleicht, ja. Aber eigentlich muss schon alles passen und das war heute nicht der Fall. Es ist, wie es ist. Morgen muss ich den Schalter umlegen, denn mein nächstes Ziel wartet schon am Mittwoch mit dem EM-Zeitfahren", blickte Evenepoel bereits voraus auf die kommende Woche in Frankreich, wo er am nächsten Sonntag auch erneut im Straßenrennen antreten und erneut auf Pogacar sowie dann auch Jonas Vingegaard treffen wird.

"Ich denke, ich bin näher dran als letztes Jahr und hoffe, dass ich das mit zur EM und in die Lombardei nehmen kann", sagte er. "Das Europameistertrikot ist das einzige Trikot, das mir noch in meinem Schrank fehlt. Deshalb will ich da voll angreifen!"

Mehr Informationen zu diesem Thema

30.09.2025Keine Medaille in Ruanda: German Cycling muss umdenken

(rsn) – Ohne eine einzige Medaille ist German Cycling von den Straßen-Weltmeisterschaften in Ruanda abgereist. Seit der Wiedervereinigung ist der deutsche Straßenradsport nur in einem einzigen Jah

29.09.2025Saison für Van Wilder nach Sturz im WM-Straßenrennen beendet

(rsn) – Er wird letztlich nicht entscheidend für die Vergabe von Gold und Silber gewesen sein, doch der Ausfall von Ilan Van Wilder als mutmaßlich wichtigstem Helfer von Remco Evenepoel war schon

29.09.2025Pogacars Rekordjagd geht weiter: “Durchhalten ist die einzige Option“

(rsn) – Es war eine schnelle Nummer. Das Rennen an sich einerseits. Knapp 270 Kilometer mit 5500 Höhenmetern. 6:21 Stunden benötigte Weltmeister Tadej Pogacar dafür. Trotz enormer Länge und Höh

29.09.2025Healy fuhr mit einem speziellen Rennanzug aufs WM-Podium

(rsn) – “Es ist ein besonderes Bild“, sagte Ben Healy. Da kam er gerade von der Siegerehrung am Convention Center von Kigali und war auf dem Weg zur Pressekonferenz. “Viele der Großen sind da

28.09.2025Ayuso bleibt am längsten Berg als einziger an Pogacar dran

(rsn) – Juan Ayuso hat es am Mont Kigali 104 Kilometer vor dem Ziel des WM-Straßenrennens als einziger Fahrer geschafft, direkt am Hinterrad von Tadej Pogacar zu bleiben und mit ihm die Abfahrt in

28.09.2025Skujins glänzt auch in Kigali: “Habe Gewichtsklasse 70+ gewonnen“

(rsn) – Toms Skujins hat bei den Weltmeisterschaften in Ruanda einmal mehr unter Beweis gestellt, dass er wohl einer der unterschätztesten Fahrer im gesamten Peloton ist. Der Lette wurde nach Platz

28.09.2025Hirschi schon 90 Kilometer vor dem Ziel im “Überlebenskampf“

(rsn) – Für die Schweiz sind am Sonntag ziemlich erfolgreiche Weltmeisterschaften zu Ende gegangen. Vier Medaillen – ein Mal Gold, ein Mal Silber und zwei Mal Bronze – nehmen die Eidgenossen mi

28.09.2025Roglic: “Bin glücklich, dass ich das Rennen beendet habe“

(rsn) – Der alte und neue Weltmeister Tadej Pogacar aus Slowenien kann offensichtlich nicht anders, als die internationale Konkurrenz durch lange Solo-Ritte bei Welttitelkämpfen zu düpieren. Ähnl

28.09.2025Highlight-Video des WM-Straßenrennens der Männer

(rsn) – Tadej Pogacar hat seinen WM-Titel aus Zürich mit einem 67-Kilometer langen Solo in Kigali verteidigt. Der Slowene eröffnete 104 Kilometer vor dem Ziel am Mont Kigali das Finale und ließ d

28.09.2025Mayrhofer: “Wollte helfen, aber es war keiner mehr da“

(rsn) – Vom Nachrücker zum besten Deutschen im Straßenrennen – und das ohne ein Ergebnis. Die kurze Zeit für Marius Mayrhofer bei den Weltmeisterschaften in Ruanda ist schon wieder vorbei. Nach

28.09.2025Pogacar verteidigt Titel nach 67 Kilometer langem Solo

(rsn) - Mit dem zweitlängsten Solo in der Geschichte der Straßenweltmeisterschaften hat Tadej Pogacar seinen Titel verteidigt und souverän Gold geholt. Ab Kilometer 67 vor dem Ziel in Kigali lag de

28.09.2025Von wegen Moskitos: ´Montezumas Rache´ trifft das WM-Peloton

(rsn) – Vor der Reise nach Ruanda zu den Straßen-Weltmeisterschaften 2025 in Kigali wurde viel über Impfungen und die potenzielle Malaria- und Dengue-Gefahr durch Moskitos gesprochen. Vor Ort stel

Weitere Jedermann-Nachrichten

01.10.2025Walscheid & Co. mühen sich: “Wie ein Kleiderschrank im Wind“

(rsn) – Am Mittwoch ist der Startschuss für die Straßenrad-Europameisterschaften in Frankreich gefallen. Den Anfang machte das Einzelzeitfahren zwischen Loriol-sur-Drome und Étoile-sur-Rhone, in

01.10.2025Ferrand-Prevot muss auf Heim-EM verzichten

(rsn) – Wenige Minuten nach seinem Start bei der Zeitfahr-EM gestikulierte der spätere Sieger Remco Evenepoel mit dem rechten Arm. Auf einen Defekt seiner Rennmaschine wollte der Belgier aber nicht

01.10.2025Straßen-EM 2026 findet in Pogacars Heimat statt

(rsn) – Wie die Union Européenne de Cyclisme (UEC) bestätigte, wird Slowenien die Straßen-Europameisterschaften 2026 ausrichten. Demnach soll die Hauptstadt Ljubljana vom 3. bis 7. Oktober Verans

01.10.2025Wir trauern um unseren Fotografen Cor Vos

(rsn) - Radsport News trauert um den Fotografen Cor Vos. Der Niederländer verstarb am 30. September 2025 im Alter von 77 Jahren plötzlich und unerwartet. Mit ihm verliert die Radsportwelt einen d

01.10.2025Magnier bleibt auch auf verkürzter Etappe in der Erfolgsspur

(rsn) - Paul Magnier (Soudal – Quick-Step) hat sich von einer kurzfristig nötig gewordenen Rennverkürzung nicht aus dem Konzept bringen lassen und sich beim Cro Race (2.1) auch das zweite Teilstü

01.10.2025Dempster neuer Chief of Sports bei Red Bull - Bora - hansgrohe

(rsn) - Zak Dempster übernimmt bei Red Bull – Bora - hansgrohe ab dem 1. Oktober den Posten als Chief of Sports und wird damit Nachfolger von Rolf Aldag, von dem sich der deutsche WorldTour-Rennsta

01.10.2025Mehr geht nicht! Evenepoel stürmt auch zu EM-Gold

(rsn) – Mehr geht nicht! In Paris wurde Remco Evenepoel Olympiasieger im Zeitfahren. Im Juni holte er in derselben Disziplin das Belgische Meistertrikot, letzte Woche verteidigte er den WM-Titel und

01.10.2025Größter Gegner der Wind: Reusser holt viertes EM-Zeitfahr-Gold

(rsn) – Die Weltmeisterin ist auch die Europameisterin. Marlen Reusser ist in Frankreich ihrer Favoritenrolle im EM-Zeitfahren der Frauen gerecht geworden und hat souverän die Goldmedaille geholt.

01.10.2025Belgischer Doppelsieg: Vervenne und Van Kerckhove fangen Rafferty ab

(rsn) – Mit einem belgischen Doppelsieg ist ein wahrer Zeitfahrkrimi bei den U23-Europameisterschaften im französischen Etoile-sur-Rhone zu Ende gegangen. Nach 24 Kilometern setzte sich Jonathan Ve

01.10.2025Venturelli dominiert EM-Zeitfahren der U23

(rsn) – Federica Venturelli ist überlegen zum U23-Europameistertitel im Einzelzeitfahren gerauscht. Die 20-jährige Italienerin, die vor einer Woche Bronze im U23-WM-Zeitfahren von Kigali gewonnen

01.10.2025Mouris holt sich im Regenbogentrikot EM-Gold im U19-Zeitfahren

(rsn) – Zeitfahr-Weltmeister Michiel Mouris hat auch bei den Straßen-Europameisterschaften in der französischen Region Drôme-Ardèche zugeschlagen. Der für das U19-Team Grenke - Auto Eder fahren

01.10.2025EM-Zeitfahren der Juniorinnen: Leis um zwei Sekunden an Gold vorbei

(rsn) – Magdalena Leis hat German Cycling zum Auftakt der Straßen-Europameisterschaften in der französischen Region Drôme-Ardèche die erste Medaille beschert. Die 18-Jährige musste sich im Zeit

JEDERMANN-RENNEN DIESE WOCHE
  • Keine Termine