Roglic verteidigt Rot, Lipowitz jetzt Siebter

Die Vuelta-Favoriten lauern, Dunbar profitiert

Von Guido Scholl

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Eddie Dunbar (Jayco – AlUla) gewinnt auf dem Picon Blanco seine zweite Vuelta-Etappe. | Foto: Cor Vos

07.09.2024  |  (rsn) – Eddie Dunbar (Jayco – AlUla) hat das 20. Teilstück der 79. Vuelta a Espana auf dem Picon Blanco gewonnen. Auf der letzten Bergetappe der Rundfahrt fuhr er den Favoriten, die vor sich gegenseitig belauerten, am Schlussanstieg davon. Nach 172 Kilometern war er sieben Sekunden schneller als Enric Mas (Movistar). Das Tagespodium komplettierte Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) mit 10 Sekunden Rückstand vor Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) und Urko Berrade (Kern Pharma).

Roglic geht als Gesamtführender ins abschließende Zeitfahren. Sein Teamkollege Florian Lipowitz kam als Neunter direkt vor Mattias Skjelmose (Lidl – Trek) ins Ziel. Im Klassement kletterte der Deutsche eine Position, da Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) den Anschluss an die Favoriten am vorletzten Berg verloren hatte.

"Ich hatte immer davon geträumt, mal oben an einem Berg zu gewinnen. Jetzt hat es geklappt“, sagte der überglückliche Tagessieger im Ziel-Interview. Er gab aber zu, dass er aus der Gruppe der Besten herausfahren konnte, weil er im Gesamtklassement schon einige Minuten zurücklag. Ob diese Vuelta nun eine Initialzündung für seine weitere Karriere sein wird? "Es gibt immer Aufs und Abs. Jetzt habe ich zwei Etappen gewonnen in den letzten zwei Wochen“, zeigte sich der Siebte des letztjährigen Giro bodenständig. Erst einmal gelte es, den Moment zu genießen.

Glücklich war auch O'Connor, der wohl das Podest gesichert hat. Weil sich die anderen Anwärter auf das Abschlusspodium zeitweise anschauten, konnte der Zweitplatzierte seinen Rückstand minimieren. Er geht nun mit neun Sekunden Vorsprung auf Mas und derer 58 auf Carapaz in das Zeitfahren. Er sei zuversichtlich für den Kampf gegen die Uhr. Doch der ehemalige Träger des Roten Trikots schränkte ein: "Es ist Radsport und ich muss mich bis morgen noch etwas erholen.“

Auch wenn das Podest für Carapaz kaum noch realistisch ist, zeigte sich der Ecuadorianer mehr als zufrieden. "Ich bin noch sehr emotional. Hier wieder bei den besten Fahrern zu sein, das bedeutet sehr viel für mich. Ich habe viel gelitten in den vergangenen Jahren“, gab er im Ziel zu Protokoll. Er hätte gern noch mehr erreicht, habe aber alles gegeben. Und es habe nicht gereicht, um sich eine bessere Ausgangsposition für die letzte Etappe zu schaffen. "Am Ende bin ich dann mein eigenes Rennen gefahren“, erklärte der Südamerikaner.

Lipowitz und Skjelmose bleiben zusammen

Bester Deutscher war wieder einmal Lipowitz, der im Schlussanstieg arbeiten musste und der Attacke seines Kapitäns anschließend nicht mehr folgen konnte. Zeitweise hatte er Skjelmose, den Träger des Weißen Trikots abgehängt, der Däne kam aber zeitgleich eine Position hinter dem Tagesneunten Lipowitz mit 37 Sekunden Rückstand ins Ziel. In der Gesamtwertung verbesserte der Red-Bull-Profi sich auf den siebten Rang mit nun 6:26 Minuten Rückstand.

In der Bergwertung entwickelte sich ein spannender Schlagabtausch ausgerechnet unter den UAE-Team-Emirates-Fahrern Marc Soler und Jay Vine. Das bessere Ende hatte der Australier für sich. Auch das Rennen um das Nachwuchstrikot nahm noch einmal Fahrt auf, da Skjelmose und Rodriguez am vorletzten Berg des Tages früh Schwierigkeiten bekamen. Skjelmose kam wieder zurück, während der Spanier viel Zeit einbüßte.

In der Punktwertung führt nach wie vor Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) uneinholbar mit 226 Zählern vor Roglic, der genau die Hälfte der Punkte des Spitzenreiters auf dem Konto hat. Die Teamwertung ist UAE – Team Emirates nicht mehr zu nehmen, 34:20 Minuten beträgt der Vorsprung zu Red Bull – Bora – hansgrohe, das am Schlusstag noch drei Aufgaben hinnehmen musste.

So lief die 20. Etappe der Vuelta a Espana:

Nach einer hektischen Startphase mit vielen Attacken setzten sich Marc Soler, Jay Vine (beide UAE Team Emirates), Clément Berthet (Decathlon - AG2R - La Mondiale), Sylvain Moniquet (Lotto - Dstny), Marco Frigo (Israel -Premier Tech), Harold Tejada (Astana Qazaqstan), Carlos Canal (Movistar), Jack Haig (Bahrain Victorious), Enzo Leijnse (dsm-firmenich - PostNL), Thomas Champion (Cofidis) und Pablo Castrillo (Kern Pharma). Mehrere Fahrer versuchten später noch erfolglos, zu den elf Ausreißern hinzuspringen, unter anderem Casper Pedersen und Kasper Asgreen (Soudal – Quick Step).

Das Team des Gesamt-Neunten, Mikel Landa (Soudal - Quick-Step), hatte offenbar etwas vor, denn die belgische Equipe übernahm später im Anstieg zum Portillo de Lunada (1. Kat.) das Tempodiktat in der Hauptgruppe. Zuvor hatte bereits Ineos Grenadiers dem Team Red Bull – Bora – hansgrohe bei der Nachführarbeit geholfen. So schrumpfte der Vorsprung der Ausreißer, der maximal sechs Minuten betragen hatte, rasch wieder auf unter vier.

Das Streckenprofil der 20. Etappe der Vuelta a Espana | Foto: Veranstalter

Extrem spannend entwickelte sich der Kampf um das Bergtrikot: Im ersten Drittel der Etappe sah es so aus, als würde sich Vine in der Kletterwertung von seinem Teamkollegen und Fluchtgefährten Soler absetzen, da er alle Kletterpreise gewann. Soler wurde dreimal Zweiter, Castrillo einmal. Doch im Anstieg zum Portillo de Lunada setzte sich Soler früh von seinen Begleitern ab, nachdem die Gruppe zuvor bereits in mehrere Teile zerfallen war. Am längsten konnten Vine und Berthet dem Spanier folgen. Eine Stallorder in puncto Bergwertung oder Etappensieg gab es bei UAE offenbar nicht. Denn Soler gewann den Berpreis der 1. Kategorie, Vine sprintete 30 Sekunden dahinter auf Platz zwei.

Krise bei Red Bull

Gemeinsam mit Frigo, Berthet und Castrillo ging der Australier in die Abfahrt, während das Hauptfeld den Portillo de Lunada mit 3:30 Minuten Rückstand überquerte. Nicht mehr dabei war da der Kolumbianer Daniel Felipe Martinez (Red Bull – Bora – hansgrohe), der früh Probleme bekundet hatte und die Vuelta schließlich am vorletzten Tag – offenbar erkrankt – aufgeben musste. Zur Erinnerung: Noch am Freitag war Martinez entscheidend an Roglic' Triumphfahrt ins Rote Trikot beteiligt gewesen. Wenig später ereilte seinen Mannschaftsgefährten Nico Denz das gleiche Schicksal. Auch ihre Teamkollegen Patrick Gamper und Aleksandr Vlasov waren ungewöhnlich früh distanziert worden.

Vine, Frigo, Berthet und Castrillo schlossen am Ende der Abfahrt zu Soler auf, sodass ein Quintett den Portillo de la Sia (2. Kat.) gemeinsam in Angriff nahm. Doch nur wenige Hundert Meter weiter griff der Spanier direkt wieder an und setzte sich erneut ab. Bis zur Bergwertung baute der UAE-Profi auf 45 Sekunden aus. Mit den 5 Punkten, die er oben vor Vine gewann, zog Soler wieder gleich mit seinem Teamkollegen.

Doch in der Abfahrt bot sich dasselbe Bild wie zuvor: Der Solist büßte schnell an Vorsprung ein, nach der Hälfte des Wegs bergab schloss zuerst Berthet zu ihm auf, dann folgten die anderen drei Verfolger. Auch das weiterhin von Soudal – Quick-Step angeführte Feld hatte da aber nur noch 1:30 Minuten Rückstand.

Vine sichert sich das Bergtrikot

Unten in den Anstieg zum Puerto de los Tornos (1. Kat.) hinein spannte sich Soler dann noch einmal vor seine Begleiter, ehe er ausscheren musste. Vine, Berthet und Frigo probierten es anschließend gemeinsam, doch Soudal – Quick-Step blies kurz darauf zum Angriff, den Landa ausführte. Zwar bleiben die Bestplatzierten der Gesamtwertung bis auf Mathias Skjelmose (Lidl – Trek) und Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) sowie Vorjahressieger Sepp Kuss (Visma – Lease a Bike) beieinander. Doch der Vorsprung der Ausreißer schmolz schnell auf 30 Sekunden zusammen.

Sechseinhalb Kilometer vor dem Bergpreis waren die letzten Ausreißer gestellt, sodass es zunächst bei Gleichstand in der Kletterwertung blieb. 4500 Meter vor dem Ziel schloss eine Gruppe mit Skjelmose wieder zu den anderen Favoriten auf. Kurz danach attackierte Pavel Sivakov (UAE Team Emirates) und fuhr rasch einen Vorsprung von 20 Sekunden heraus. Roger Adria übernahm für die Roglic-Equipe die Kontrolle bei den Verfolgern. Oben am Bergpreis sprintete Vine hinter Sivakov um die verbliebenen Bergpunkte und sicherte sich zwei Zähler – damit nimmt der Australier dieses Sondertrikot zum zweiten Mal in seiner Karriere mit nach Hause.

Anschließend nahm die Verfolgergruppe das Tempo raus, sodass Sivakov seinen Vorsprung auf mehr als eine Minute ausbauen konnte. 18 Kilometer vor dem Ziel nahm Red Bull – Bora – hansgrohe des Heft wieder in die Hand, doch Adria brachte die Gruppe nicht näher an Sivakov heran, der den letzten Zwischensprint dieser Vuelta gewann. Daraufhin übernahm Mattia Cattaneo (Soudal – Quick-Step) die Arbeit und reduzierte den Rückstand zum Solisten bis zum Fuß des letzten Berg der Vuelta 2024 auf 50 Sekunden.

Viel Taktik am Schlussanstieg

Im Schlussanstieg übernahm Roglic dann selbst die Kontrolle, nachdem alle Helfer außer Lipowitz zurückgefallen waren. Offenbar stellte sich der Slowene in den Dienst seines jungen Teamkollegen, da Skjelmose erneut den Anschluss verlor. Doch der Däne kämpfte sich abermals zurück. Anschließend sorgte der Ex-Biathlet selbst die Führungsarbeit. Da Rodriguez da schon hoffnungslos zurücklag, war Lipowitz auf Kurs Platz sieben in der Gesamtwertung und kontrollierte gleichzeitig das Rennen für seinen Kapitän.

Nach einer Tempoverschärfung durch Roglic mussten dann Skjelmose und Lipowitz abreißen lassen. Zuvor hatte Eddy Dunbar (Jayco – AlUla) angegriffen, der drei Kilometer vor dem Ziel zu Sivakov aufschloss und ihn kurz darauf abschüttelte. Roglic beschränkte sich auf dem verbleibenden Teil des Anstiegs weitgehend auf Verteidigung und fuhr mit Mas, David Gaudu (Groupama - FDJ) und Carapaz in Richtung Ziel. Weil sich das Quartett nicht einig war, schloss der kurzzeitig abgeschüttelte Ben O'Connor (Decathlon - AG2R - La Mondiale) mit seinem Teamkollegen Felix Gall wieder auf.

Am letzten Kilometer forcierte Mas noch einmal, ihm konnten Carapaz und Roglic folgen. Doch sie schauten sich wieder an, sodass Dunbar seinen minimalen Vorsprung ins Ziel retten konnte. Mas sprintete Roglic dann noch davon, doch der Slowene schien nicht alles zu geben, um am Rad des Spaniers zu bleiben.

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