Rennbericht - 215 km, 4300 hm

Kitzbüheler Radmarathon: In Schlangenlinien zum Nebel-Horn

Von Oliver Knott

Foto zu dem Text "Kitzbüheler Radmarathon: In Schlangenlinien zum Nebel-Horn "
Sie sehen, dass Sie nix sehen... Das Ziel am Kitzbüheler Horn - im Nebel | Foto: Knott

30.08.2023  |  Kitzbühel - eine Legende... Und wer denkt da nicht sofort an Wintersport? Das Hahnenkamm-Rennen auf der berühmten Streif, damit wurde die Region schon vor fast 90 Jahren über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Im Sommer präsentiert sich der Tiroler Ort mit dem Kitzbüheler Radmarathon (KRM) nun zum dritten Mal als Gastgeber für Radsportler/innen.

Ich folgte dem Ruf zum ersten Mal und reiste am Samstag vor der Veranstaltung an. Kitzbühel kannte ich bisher nur mit dem PKW via Pass Thurn Richtung Süden, als Umgehung von Staus auf der Tauern-Autobahn. Eine Rennrad-Runde über das Kitzbüheler Horn ist auch in meinem Palmares, doch in der Stadt war ich noch nie...

Nachdem ich mein etwas außerhalb liegendes Hotel bezogen hatte, machte ich mich auf, meine Startunterlagen abzuholen, und anschließend ein kleine Runde zu drehen. Das Wetter war hervorragend - das sollte sich jedoch noch ändern. Ich traf mich an der Startnummernausgabe mit meinem Freund Rudi, der ebenfalls am Start war. Als wir uns unterhielten, entdecke ich an der Flanke meines Vorderreifens eine merkwürdige "Verwerfung", ein feiner, senkrechter Schnitt. Was für ein Ärger - zuhause hatte ich die Laufflächen noch kontrolliert und entschieden, dass ich keinen Ersatz mitnehmen muss, da hinreichend Gummi vorhanden war und sich die üblichen Ritzer in Grenzen hielten.

Ein Königreich für einen Rennradreifen
Ich erkundigte mich, ob es einen Fahrrad-Service gebe - leider nein, erst am Renntag. Doch sei gleich in der nächsten Straße ein Sportgeschäft. Fehlanzeige! Rennradreifen gab es nicht. Also schnell weiter zum nächsten Laden, es war kurz vor 17 Uhr und damit kurz vor Geschäftsschluss. Aber auch hier: Fehlanzeige.

Langsam breitet sich eine gewisse Panik bei mir aus, ich sah mich schon am Sonntag ausschlafen, gemütlich frühstücken und anschließend im Auto nach Hause fahren. Auf der kleinen KRM-Expo zunächst auch kein Erfolg - Klamotten, Watt-Kurbeln, aber keine Ersatzteile. Irgendwann fand ich dann das ersehnte Teil, der teuerste Mantel, den ich bisher erstanden hatte - aber egal, Hauptsache morgen nicht ausschlafen...

En route... Fotos: kitzbueheler-radmarathon.at

Die ersten beiden Austragungen des KRM waren ziemlich verregnet - damals noch im Juli. Dieses Jahr hat der Kitzbüheler terminlich mit dem Ötztaler Radmarathon getauscht - und was für ein Pech: An diesem Samstag sollte die längste Hitzeperiode des Jahrs 2023 zu Ende gehen. Und in der Tat: Am Abend setzte Regen ein, der sich durch die Nacht zog.

Und die Nacht war kurz: 4:50 Uhr – der Wecker klingelt, ein Schritt auf die Terrasse: 12 Grad, Regen, Klamottenwahl schwierig. Ich entschied mich für Armlinge, Regenjacke und in der Trikot-Tasche eine Weste. Tagsüber sollten die Temperaturen nochmal auf 20 Grad und mehr steigen. Wie auch immer - ab aufs Rad und los...

Wer kennt ihn nicht, den Moment, wenn Wasser auf die Schienbeine trifft? Der Moment der ersten Nässe ist der unangenehmste – denn ist man erst mal ordentlich nass, dann macht noch mehr Wasser auch nix mehr aus. Am Sonntag war dieser Moment nach noch nicht einmal 100 Metern gekommen. Ich rollte kurz vor dem Startschuss in meinen Block zwei, und fand mich damit am hinteren Ende wieder. Rudi startete wie zuletzt schon am Mondsee aus den vorderen Reihen im selben Block. Mit uns überquerten 820 Teilnehmer die Starlinie, 280 weniger als gemeldet; die Wetterprognose hat ganze Arbeit geleistet.

Körner auf dem Rollerberg
Nach dem Start ging es auf der gesperrten Bundesstraße Richtung Pass Thurn, dem ersten von fünf Anstiegen des Tages - und vermeintlich der Einfachste. Aber durchaus eine gefährliche Angelegenheit, denn es ist ein Rollerberg. Mit 19 Kilometern und einer Durchschnittssteigung von 2,7% verleitet er dazu, hier schon mehr Körner zu verschießen, als man noch braucht, um die kommenden Aufgaben zu bewältigen. Ich wollte mich nicht anstecken lassen und fuhr mein Tempo, zusammen mit einer kleinen Gruppe.

Die Regenjacke entpuppte sich für bergauf als ein klein wenig zu warm, sollte aber in der Abfahrt gute Dienste leisten. Kurz vor der Kuppe hörte ich von hinten meinen Namen. Ich blickte mich um und sah Jörg, den ich vor ein paar Jahren bei einer RTF kennengelernt hatte. Seitdem folgen wir uns über Strava, und heute nach langer Zeit ein erfreuliches persönliches Wiedersehen. Wir gingen gemeinsam in die Abfahrt, und Jörg, die Tret-Maschine, stellte kurz hinter Mittersill den Anschluss zu einer vor uns fahrenden Gruppe her. Auf breiter Straße machten wir uns auf den Weg nach Wald im Pinzgau, Beginn des nächsten Anstiegs, auf der alten Straße hinauf zum Gerlos-Pass.

Der Einstieg zum finalen Anstieg zum Kitzbüheler Horn

Wer kennt ihn nicht, den Moment, wenn man am rechten Schaltgriff drückt, und sich nichts bewegt? Man blickt nach unten und stellt fest, dass der erste Gang bereits eingelegt ist... Herzlich willkommen am Gerlos! Dabei war das erst der Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Hier lässt es sich nicht mehr im Schongang fahren: Deutlich zweistellige Prozente begleiten uns, ich bin froh, dass ich auf der ersten flacheren Passage meine Regenjacke gegen die Weste getauscht habe.

Jörg setzte sich etwas ab, aber kurz vor der Passhöhe und der Verpflegungsstelle waren wir wieder zusammen. In der folgenden Abfahrt Richtung Zillertal hingen dichte Nebelschwaden am Hang, die gut ausgebaute Straße war noch nass, aber gut zu befahren. So konnten wir auf eine größere Gruppe aufschließen, diese schließlich überholen und in unserem Sog talwärts ziehen.

An dieser Stelle ein großes Lob den vielen Helfer/innen der Veranstaltung. Die Stecke war bestens abgesichert und uns Radler/innen wurde stets die Vorfahrt eingeräumt... So ging es leicht abfallend das Zillertal hinaus, bis in Bruck am Ziller mit dem Kerschbaumer Sattel die nächste Herausforderung wartete. Ein erneuter Vorgeschmack auf das Grande Finale des Tages, der Anstieg zum Horn. Meist zwischen zehn und 14 Prozent schlängelte sich das schmale Sträßchen durch den Wald bergauf zum Sattel. Alle traten klar im ersten Gang, bis die knapp sieben Kilometer Auffahrt überwunden war.

Ein Moment, den niemand vermisst
Wer kennt ihn nicht, den Moment, in dem das Hinterrad ohne Vorankündigung, wegrutscht, und man sich auf dem Teer wiederfindet? Hoffentlich die Wenigsten... Ich kenne ihn nun ein weiteres Mal, obwohl ich seit dem letzten Mal irgendwie nichts vermisst hatte. Es war eine steile Spitzkehre in der Abfahrt vom Kerschbaumer Sattel, nicht zu schnell - und trotzdem hat es mich erwischt. Außer ein paar Abschürfungen und einer zerrissenen Hose konnte ich nichts entdecken, was einer Weiterfahrt hinderlich gewesen wäre. Nur Jörg war schon in der Auffahrt enteilt, und Rudi überholte mich, als ich gerade meine Kette wieder auflegte - nicht ohne sich kurz nach meinem Befinden zu erkundigen.

Bis zur nächsten und vorerst letzten Bergprüfung, dem Brandenberg, waren es nur ein paar Kilometer, in denen ich wieder zu Rudi aufschließen konnte. So nahmen wir diesen zweiteiligen Anstieg gemeinsam in Angriff und versuchten in einem gleichmäßigen Tempo die Gruppe beisammen zu halten. Nach einer kurzen, aber steilen Abfahrt war noch der zweite Teil des Anstieges zu meistern, mit bis zu 16 Steigungsprozenten.

Unten in Kramsach angekommen, waren die Gruppe auf etwa 20 Radler/innen angewachsen. Allerdings teilte sich diese bald wieder - weil einige eine ausgewachsene "Wind-Allergie" hatten, und weil andere Watt-Zahlen traten, die viele überforderten. Nach der nächsten Verpflegungsstation waren nur noch letzte Reste der Gruppe übrig, und auch diese teilte sich weiter. Zu dritt gelang es uns auf eine vorausfahrende Gruppe aufzuschließen, und siehe da: Jörg war wieder eingeholt.

Finale ohne Nebel: Das Ziel an der Bergstation der Kitzhorn-Bahn bei der KRM-Premiere 2021

Nur noch 9,5 Kilometer, sagte ich zu Rudi, als wir die letzte Verpflegungsstation verlassen hatten. Klingt gar nicht schlimm - wenn da nicht noch die letzten 7,6 Kilometer wären, die haben es nämlich in sich: Auf die Teilnehmer/innen der Klassik-Variante wartet die Auffahrt auf das Kitzbüheler Horn - einer der anspruchsvolleren Anstiege der Alpen: Bei einer durchschnittlichen Steigung von 12,7 Prozent sind 966 Höhenmeter zu überwinden.

Schlangenlinien machen den Berg flacher
Allerdings ist es hier, kurz vor der Auffahrt, noch möglich, sich für einen direkten Zieleinlauf in der Stadt zu entscheiden - wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht mehr für gut eine Stunde stetig bergauf reicht. Das gelang mir immerhin, wie vielen andern auch allerdings nicht immer geradeaus bergauf, sondern in Schlangenlinien - einfach um den Berg ein bisschen flacher und damit erträglicher zu machen.

Nach acht Stunden und 21 Minuten, 215 Kilometern und 4306 Höhenmetern erreichte ich schließlich das Ziel an der nebelverhangenen Bergstation der Seilbahn. Am Ende war alles wie am Anfang, zumindest der Regen war genauso nass. Doch erfreulicherweise hatte der Wetterbericht nicht Recht behalten, und es war doch über mehrere Stunden trocken. Und zur Zeit: Jörg, Rudi und ich lagen innerhalb von fünf Minuten. Talwärts ging es mit der Gondel, um weitere Gefahren für die Teilnehmer/innen zu vermeiden.

Ein großes Erlebnis blieb mir leider verwehrt: Der Ausblick vom Kitzbüheler Horn auf die umliegende Bergwelt - ein Grund, wieder zu kommen. Denn alle guten Dinge sind bekanntermaßen drei: Dreimal war der KRM nun verregnet, es kann also nächstes Jahr nur besser werden. Kitzbühel, ich komme wieder - bei Kaiserwetter. Und dann will ich den Ausblick vom Horn genießen, sicher nicht weniger erschöpft, aber genauso stolz auf das Geleistete.

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