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03.06.2023 | Vor einigen Wochen stolperte ich im Internet über ein neues Ultracycling-Rennen, das gar nicht weit entfernt am Pfingst-Wochenende stattfinden sollte. Der Name "Rund um Sachsen“ war Programm: Der Freistaat wird auf 910 km und 9000 hm nonstop umrundet, mit Start und Ziel in Oschatz, und in sechs Kategorien: alleine, als Zweier-Team (beide Fahrer absolvieren die gesamte Strecke) oder als Dreierstaffel - und jeweils unsupported oder mit Begleitfahrzeug.
Ich entschied mich für "solo unsupported" und startete am Freitag vor Pfingsten um 12 Uhr mittags. Gepäck hatte ich nur wenig dabei, denn es gab vier bemannte Kontrollpunkte, etwa alle 200 km, an denen man Klamotten hinterlegen konnte und es Verpflegung gab. Ich mag dieses Format, denn man muss unterwegs keine Verpflegung kaufen und hat regelmäßige Zwischenziele.
Nach dem Start ging es flach durch das Leipziger Tiefland, ich kam bis zum ersten Kontrollpunkt gut voran und achtete darauf, nicht zu schnell zu fahren. Nach einer kurzen Pause und dem Auffüllen der Verpflegung erreichte ich dann bei Sonnenuntergang den Rand des Erzgebirges. Die Anstiege wurden länger und steiler, die Temperatur fiel kontinuierlich, bis schließlich gegen ein Uhr fast der Gefrierpunkt erreicht war.
Nun kam ich zum zweiten Checkpoint nach 400 km, auf dem 1200 Meter hohen Fichtelberg, wo ich dickere Klamotten hinterlegt hatte und mich warm anziehen konnte. Es gab Käsebrötchen, heißen Tee und sogar die Möglichkeit, dort zu übernachten. Das kam für mich jedoch nicht in Frage, denn ich hatte den Plan, die Strecke am Stück ohne Schlaf durchzufahren.
Das Rennen begann nach meiner Einteilung erst hier richtig, und um in der kalten Nacht nicht zu sehr zu frieren, fuhr ich nun etwas intensiver. Eigentlich hatte ich mit dem typischen und durchaus gefährlichen Wildwechsel in der Nacht gerechnet, doch es war wohl auch den Rehen und Wildschweinen zu kalt, denn ich sah keine Tiere. Gegen 4:30 Uhr wurde es dann wieder hell, doch erstaunlicherweise wurde ich nun richtig müde.
Mir fielen immer wieder die Augen zu, ich driftete in Gedanken ab und war nicht mehr fokussiert. Immerhin war ich noch genug bei Sinnen, um das zu bemerken und dagegen ankämpfen zu können. Ohne Pause schaffte ich es dieses Tief nach etwa einer Stunde zu überwinde; mit steigenden Temperaturen lief es dann wieder deutlich besser. Allmählich kam ich aus dem Erzgebirge heraus und fuhr durch die tolle sächsische Schweiz, bis ich den dritten Kontrollpunkt erreichte. Hier erfuhr ich, dass ich mit einem komfortablen Vorsprung in Führung lag.
Schließlich erreichte ich den östlichsten Punkt der Strecke in Görlitz - und erinnerte mich wieder einmal an vergangene Ultra-Rennen, wie den Bundesliga-Lauf Cottbus - Görlitz - Cottbus. Auf der ganzen Strecke kam ich immer wieder durch Orte, in denen ich bereits Kriterien und Rundstreckenrennen wie Rund um Sebnitz oder die Erzgebirgs-Rundfahrt gefahren war. Das Wetter war hervorragend und als ich den letzten Checkpoint erreichte, gönnte ich mir eine kurze Pause, um etwas zu essen. Es waren jetzt nur noch 120 km bis ins Ziel und mir ging es trotz fast 800 km in den Beinen ausgesprochen gut.
Mir war nun klar, dass ich es vor Sonnenuntergang ins Ziel schaffen würde und nicht in die zweite Nacht hineinfahren musste - eine Erleichterung... Es ging überwiegend flach dahin, an einigen Seen und Festen vorbei; ich kam sogar etwas in Urlaubsstimmung. Die Straßen waren wenig befahren und es machte Spaß, durch die kleinen Ortschaften und über die Felder zu fahren. Je näher ich dem Ziel kam, desto tiefer sank die Sonne, das Licht wurde immer magischer. Daher störte mich auch die Extraschleife am Ende kaum, als es nicht den Schildern nach direkt nach Oschatz ging, sondern außenherum.
Dort kam ich kurz vor 21 Uhr nach knapp 33 Stunden mit vier Stunden Vorsprung ins Ziel und wurde vom Veranstalter Steven Dornbusch herzlich begrüßt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ultra-Rennen gab es etwas zu essen und sogar eine Dusche. Überhaupt waren die Organisation und das Engagement der Veranstalter-Familie außergewöhnlich gut. Man hätte bei Problemen jederzeit Hilfe anfordern können und wäre nicht auf sich alleine gestellt gewesen. Das musste ich zum Glück nicht in Anspruch nehmen, denn neben meinem Körper hat auch mein Material diesmal gehalten, oft der kritischere Teil.
Sachsen ist ein sehr schönes Bundesland mit gastfreundlichen und sehr netten Menschen. Es lohnt sich auf jeden Fall, Sachsen mal mit dem Rad zu umrunden - zum Beispiel wieder nächstes Jahr an Pfingsten, beim nächsten Ultra-Radmarathon "Rund um Sachen". Ich werde dann erneut in Oschatz am Start stehen.
Robert Müller ist ein Ultra-Radfahrer aus Karlsruhe, 36 Jahre alt, 2020 Zweiter bei Race around Austria hinter Christoph Strasser, und im vergangenen Sommer Dritter beim Race across the Alps.
Robert vertritt die "Reine Lehre": "Ich habe keinen Trainer, keinen Plan, ich fahre ohne Watt- und ohne Pulsmesser, rein nach Lust, Laune und Wetter. Ich höre nur auf meinen Körper und mache das, wovon ich denke, das es gut ist. Wenn schlechtes Wetter ist, fahre ich nur zwei Stunden - oder auch gar nicht. Bei Sonne und wenn ich Zeit habe, fahre ich sieben, acht Stunden – ganz nach Lust...“
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