18. Etappe des Giro d´Italia 1992

Bölts gewinnt überraschend die Königsetappe und rettet Telekom

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Bölts gewinnt überraschend die Königsetappe und rettet Telekom"
Udo Bölts feiert! Er hat die Königsetappe des Giro 1992 gewonnen | Foto: Cor Vos

28.05.2020  |  (rsn) - Udo Bölts ist der Prototyp des selbstlosen Helfers, der Jan Ullrich durch die tiefsten mentalen Täler auf die schwersten Berge führte. Der Heltersberger ist aber auch ein großer Kämpfer. 1992 gewann er die 18. Etappe des Giro d’Italia über 260 Kilometer von Saluzzo nach Pila. Der Sieg auf der Königsetappe brachte seinem Team die Einladung zur Tour de France. Und was noch viel wichtiger war: Es sicherte der Mannschaft die weitere Unterstützung des Sponsors Telekom.

radsport-news.com fragte bei Bölts nach, ob er sich noch an den Erfolg vor 28 Jahren erinnere? "Ja, es gab eine große Ausreißergruppe. Ich weiß nicht mehr, mit wie vielen Leuten. Vorne war ein Mann. Roman Arrieta hieß er. Er sah eigentlich schon wie der sichere Sieger aus. Doch ich habe ihn kurz vorm Ziel noch eingeholt. Ich glaube, er hatte einen Hungerast bekommen", erzählte der Pfälzer, ohne lange nachdenken zu müssen.

In seinem Buch "Quäl dich, du Sau" (Covadonga Verlag), das nach dem Spruch benannt ist, der ihn weltberühmt gemacht hat, schreibt er, nachdem die Verfolger nur noch aus ihm und dem Italiener Giancarlo Perini bestanden: "Wir einigen uns darauf, bis zum Fuße des letzten Berges gemeinsame Sache zu machen. Danach sollte jeder tun, was er kann. Wir beide verstehen uns glänzend. Ich registriere voller Achtung seinen Ehrgeiz. Er schwächelt ein wenig, umso mehr freue ich mich über seinen Willen. Arrieta führt mit rund eineinhalb Minuten Vorsprung.

Als Frans Van Looy mit dem Auto nach vorne gerast kommt, weiß ich, dass der Vorsprung auf die nächste Gruppe groß genug ist. Perini zu schlagen, sehe ich nicht als Problem an, und wieder einmal gibt mir die Hoffnung auf einen zweiten Etappenplatz mehr Kraft und Motivation, als dass mich Angst lähmen könnte. Wunderbar!“

… Plötzlich schreit Frans: 'Dort fährt der andere. Auf Udo, komm!‘ Ich hebe meinen Kopf und stiere nach vorne. Tatsächlich, die Begleitfahrzeuge von Arrieta. Das kann doch nicht sein. Ich glaube, Arrieta bricht ein."

Im Gespräch mit radsport-news.com erinnerte Bölts sich: "Ich habe gesehen, dass er zickzack gefahren ist. Da hatte er keine Chance mehr."

"Als ich ihn hundert Meter vor mir habe, blase ich zur Attacke. Ich hole tief Luft und überhole ihn mit großem Schwung. Arrieta hat sich völlig übernommen. Noch zwei Kilometer, da realisiere ich, dass ich diese Königsetappe gewinnen werde", schreibt er weiter in seinem Buch.

Ein Triumph, der fast nicht zustande gekommen wäre, da Bölts zu Beginn des Giros schwer gestürzt war. "Ich habe im Zielsprint einen Überschläger gemacht und mir dabei einer Gehirnerschütterung zugezogen. Damals ist man noch mit Sturzring gefahren. Heute, mit Helm, hätte ich wohl keine Gehirnerschütterung gehabt", behauptete er gegenüber radsport-news.com.

Nur weil er auf die Zähne gebissen hatte, gelang ihm der Coup. Bölts: "Es war mein erster großer internationaler Erfolg. Ich würde den Sieg schon ganz weit oben einordnen. Ich bereue es auch ein bisschen, dass ich damals das Fahrrad und das Trikot nicht aufgehoben habe. Dann hätte ich noch eine Erinnerung daran. Den Pokal habe ich aber noch."

Mit dem Sieg hatten weder er noch die Sponsoren der Telekom gerechnet, die wegen ausbleibender großer Erfolge schon ein Ausstiegsszenario in Erwägung zogen. Bölts: "Sie haben die Etappe während einer Sitzung gesehen und waren begeistert, dass einer ihrer Fahrer eine Etappe gewann. Es war wohl auch ein bisserl der Auslöser, dass wir (von der ASO, d. Red.) zur Tour de France eingeladen wurden"

Mit insgesamt zwölf Tour-de-France-Teilnahmen, bei denen er jedesmal ins Ziel kam. stellte er danach einen neuen deutschen Rekord auf, der erst von Jens Voigt (17) gebrochen wurde.

Heute arbeitet Bölts in einem Mountainbike Park im Pfälzer Wald. "Als Förster", schreibt Wikipedia! "Nein, kein Förster. Ich habe das ja auch nicht gelernt", wehrte der Gewinner der Clasica San Sebastian ab. "Ich betreue die Mountainbikestrecken und Wanderwege. Das ist ein Netz von 180 Rad- und 90 Kilometer Wanderwegen. Das ist eine sehr schöne Sache. Man wird natürlich nicht reich davon. Man freut sich aber, wenn man sieht, dass was gemacht wurde und die Wanderer oder Fahrer das gut finden. Ich mache das gerne."

Sportlich ist er immer noch: "Ich fahre dreimal die Woche Rad. Heute waren es 70 Kilometer. Ich treibe immer noch gerne Sport. Gehe Laufen. Wenn die Schwimmbäder auf wären, würde ich auch zweimal die Woche Schwimmen gehen. Zum Fithalten, nicht mit dem Hintergrund als Wettkampfsportler." Obwohl er dann einschränkte: "Wenn es möglich wäre, würde ich schon noch den einen oder anderen Mountainbike-Marathon fahren. Es ist aber nicht so, dass es mir fehlt. Ich habe hier wunderschöne Strecken vor der Haustür. Da stört es mich auch nicht, wenn ich allein fahren muss."

So war Bölts früher, so ist er geblieben: Selbstlos und bescheiden!

Mehr Informationen zu diesem Thema

09.05.2023Wegmanns großer Coup mit dem Bergtrikot

(rsn) - Ehe Pascal Ackermann im Mai 2019 das Maglia Ciclamino nach Verona trug und somit die Punktewertung des 102. Giro d´Italia für sich entschied, war es der größte Erfolg, den je ein Deutscher

31.05.2020Arndt krönte seinen Giro über einen kleinen Umweg

(rsn) – Die Schlussetappe bei einer GrandTour zu gewinnen, ist immer etwas Besonderes. Beim Giro d`Italia 2016 gewann Nikias Arndt (Sunweb) das letzte Teilstück, das damals in Turin zu Ende ging.

31.05.2020Video- Rückblick: Als Lopez einem Zuschauer eine knallte

(rsn) - Am entscheidenden Tag des Giro d´Italia 2019 lagen die Nerven blank. Miguel Angel Lopez (Astana) befand sich in einer Verfolgergruppe die einem Trio Spitzenreiter Richard Carapaz (Movistar) n

31.05.2020Ackermann nimmt als erster Deutscher das Ciclamino mit heim

(rsn) – Gleich bei seiner ersten GrandTour überhaupt hat Pascal Ackermann (Bora – hansgrohe) geschafft, was vor ihm noch keinem seiner Landsleute beim Giro gelungen war. Der Landauer gewann 2019

30.05.2020Der Beginn von Marco Pantanis langem Leiden

(rsn) - Am Valentinstag, dem 14. Februar 2004, verstarb Marco Pantani in einem Hotelzimmer in Rimini an einer Überdosis Kokain. Doch so plötzlich sein Tod auch eingetreten ist, so elendig lang war d

29.05.2020“Il Falco“ demonstriert am Finestre seine Abfahrtskünste

(rsn) – Was haben Paolo Savoldelli, Alberto Contador und Simon Yates gemeinsam? Richtig, sie alle gewannen mindestens eine GrandTour. Alle trugen das Maglia Rosa beim Giro d’Italia. Und alle drei

28.05.2020Video-Rückblick: Simon Yates schlägt auch in Sappada zu

(rsn) - Nach der 15. Etappe des Giro d’Italia 2018 schien Simon Yates (Mitchelton - Scott) auf dem Weg zu seinem ersten Gesamtsieg bei einer GrandTour nicht mehr zu stoppen zu sein. In überragender

27.05.2020Kluges verrückte letzte Minute in Cassano d´Adda

(rsn) - Beim Giro d’Italia 2016 räumten die deutschen Sprinter mit gleich sieben Etappensiegen groß ab. André Greipel war mit drei Tagessiegen dabei am erfolgreichsten, gefolgt von Marcel Kittel

26.05.2020Wütender Contador rächt sich für die Astana-Taktik

(rsn) – Im Sport gibt es zahlreiche Regeln, die für einen fairen Wettkampf sorgen sollen. Im Radsport werden diese Maßgaben vom Weltverband UCI vorgegeben. Sogar die Sockenlänge ist im Regelwerk

25.05.2020Video-Rückblick: Schachmann gelingt Giro-Coup in Prato Nevoso

(rsn) - Vor zwei Jahren fuhr Maximilian Schachmann beim Giro d’Italia den bis dahin größten Erfolg seiner Karriere ein. Der damals für das belgische Team Quick-Step Floors fahrende Berliner gewan

24.05.2020Video-Rückblick: Dumoulin muss “austreten“, Nibali schlägt Landa

(rsn) – Die Königsetappe des Giro d`Italia 2017 hielt eine der skurrilsten Szenen der vergangenen Jahre parat. Der Gesamtführende Tom Dumoulin musste wegen eines menschlichen Bedürfnisses 33 Kil

24.05.2020Eichler war ab dem Passo Fedaia die Numero Nero

(rsn) – Den Giro d`Italia hat bisher noch kein Deutscher gewinnen können. Die Numero Nero der Italien-Rundfahrt für den Fahrer, der den letzten Platz im Schlussklassement belegt, dagegen schon. 2

Weitere Radsportnachrichten

23.12.2025Manche Dinge “stimmten voll zufrieden, manche halt gar nicht“

(rsn) – Seit Jahren gehört Christina Schweinberger (Fenix – Deceuninck) zu den Aushängeschildern des österreichischen Radsports. Sie sorgt für Topergebnisse in der WorldTour, aber auch im Trik

23.12.2025Italien: Autofahrer schießt auf Trainingsgruppe eines KT-Teams

(rsn) – Die Aggressionen gegen auf öffentlichen Straßen fahrende Radsportler haben offensichtlich eine neue, schockierende Stufe erreicht. Wie das italienische Kontinental-Team S.C. Padovani Polo

23.12.2025Van der Poel nach weiterer Attacke: “Schon besser als Bier“

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) ist in seiner Karriere schon öfter an der Strecke angepöbelt und attackiert worden – unter anderem mit Bierbechern. Beim diesjährigen Paris

23.12.2025Weltmeisterin Vallières verlängert mit EF Education - Oatly

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

23.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

23.12.2025Unscheinbare Größe mit starker Saison und viel Grund zum Jubeln

(rsn) – 29 Saisonsiege durfte Felix Großschartner in der Saison 2025 mit seiner Mannschaft feiern und erstmals seit 2021 war auch ein eigener erster Platz außerhalb von Österreichischen Meistersc

23.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

22.12.2025Van der Poel macht den Sand-Hattrick in Hofstade perfekt

(rsn) - Antwerpen, Koksijde und Hofstade – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat drei Sandrennen in drei Tagen gewonnen und seinen vierten Saisonsieg bei seinem vierten Einsatz gefeiert.

22.12.2025Brand holt sich in Hofstade auch das vierte X2O-Rennen

(rsn) - Lucinda Brand (Baloise – Glowi Lions) baut ihre Serien weiter aus. Bei der X2O Badkamers Trofee in Hofstade gewann die Niederländerin zum neunten Mal in Folge, was gleichzeitig ihr 56. Podi

22.12.2025Aus dem Anfahrer wird der Sprintkapitän van Poppel

(rsn) – Bisher war Danny van Poppel vornehmlich in der Rolle als erstklassiger Anfahrer im Trikot von Red Bull – Bora – hansgrohe zu sehen. Doch bereits bei der vergangenen Tour of Holland, bei

22.12.2025An das DM-Zeitfahren ein Häkchen drangesetzt

(rsn) – Nach fünf Jahren beim Red Bull-Bora-Rennstall kehrte Maximilian Schachmann Anfang dieser Saison zu Soudal – Quick-Step zurück, wo er 2017 seine Profikarriere begonnen hatte und im Jahr d

22.12.2025Palzer à la Rocky: “Ab jetzt wird geboxt“

(rsn) – Nach knapp fünf Jahren bei Red Bull – Bora – hansgrohe ist Anton Palzers Karriere als Radprofi beendet. Der 31-jährige Berchtesgadener nahm das nun zum Anlass, um in einem Instagram-Be

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)