Mittendrin am schwarzen Tag beim Profi-Debüt

Der Pechvogel greift sich Stölting: Zehn Platten & zwei Stürze

Von Felix Mattis aus Doha

Foto zu dem Text "Der Pechvogel greift sich Stölting: Zehn Platten & zwei Stürze"
Warten auf den Start: Team Stölting bei seinem ersten Auftritt als ProContinental-Rennstall. | Foto: Felix Mattis

08.02.2016  |  (rsn) - Schon in den Tagen vor dem Start der Katar-Rundfahrt zählte man auf der Facebook-Seite des Teams den Countdown herunter. Die Vorfreude auf den Saisonauftakt 2016 war bei Stölting groß, kein Wunder: Schließlich ist es für die Gelsenkirchener das erste Jahr auf Profi-Level, ausgestattet mit einer ProContinental-Lizenz. Und auch wenn in Katar beim Saisonauftakt der 25-jährige Kerpener Thomas Koep (siehe Fahrtenprofil) der einzige Neu-Profi im achtköpfigen Kader sein würde, so hatten die anderen sieben doch etwas mit ihm gemeinsam: Sie alle kamen als Wüsten-Jungfrauen nach Doha.

Nicht einmal der Tour-de-France-erfahrene Fabian Wegmann war vorher bereits in Katar am Start. "Und so richtig liegen tut mir das hier auch nicht", grinste er deshalb am Etappenstart in Dukhan. Wirklich viel erwarten durfte man von der Stölting Service Group auf dem 180 Kilometer langen Weg von Dukhan nach Al Khor Corniche daher nicht.

Trotzdem bereiteten die Sportlichen Leiter Gregor Willwohl und Andre Steensen ihre Schützlinge bestmöglich vor, erklärten, wo es wichtig werden, wo der Wind vom Rücken- zum gefährlichen Seitenwind drehen würde. Und auch Wegmann brachte bei der Mannschaftsbesprechung vor dem Start Erfahrungswerte alter Kollegen ein, die ihm erzählt hatten: "Auf den letzten 20 Kilometern wird die Straße enger und der Belag schlecht - fast wie Kopfsteinpflaster."

Dass all die Informationen für das Etappenfinale letztlich für die Katz' sein würden, damit konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand rechnen. Doch nach 45 Kilometern begann ein Debakel seinen Lauf zu nehmen, wie es eindrucksvoller kaum hätte sein können. Denn als das Feld gerade an der Windkante zu zerbrechen begann, holte, vom schiebenden Seitenwind angetrieben, der Pechvogel die blau-weiß gekleideten Stölting-Fahrer ein und warf einen nach dem anderen zurück zum Teamwagen.

Erst schaute Mads Pedersen vorbei, der 20-jährige Däne, der 2012 und 2013 das Nachwuchsrennen Trofeo Karlsberg gewann. "Mein Sattel rutscht runter", rief Pedersen durchs Beifahrerfenster ins Teamauto. Mechaniker Johannes Waack lehnte sich heraus und behob das Problem während der Fahrt von der Rückbank aus. Von da an ging es Schlag auf Schlag.

Sechs Kilometer später: Sturz! Zwei Fahrer liegen auf der Straße, einer davon trägt blau-weiß: Wegmann. Der ehemalige Deutsche Meister trägt eine erhebliche Schürfwunde am linken Oberschenkel davon und muss das Rad tauschen. Ausgerechnet seines befindet sich aber im zweiten Materialwagen weiter hinten in der Kolonne. Das kostet Zeit und es dauert lange, bis er den Anschluss ans Feld wieder herstellen kann - zu lange um mitzubekommen, wie sich an der Spitze jene 21 Mann absetzen, die später den Etappensieg unter sich ausmachen werden.

Die nächsten zehn Kilometer werden denkwürdig, denn Willwohl kommt aus dem Anhalten kaum mehr heraus. Nacheinander haben Koep, Christian Mager und Alex Kirsch sowie Pedersen mehrere Plattfüße - Koep sogar hinten und vorne gleichzeitig. Im Fahrzeug-Convoy arbeitet sich das Quartett wieder nach vorne und fährt ins Hauptfeld ein, das inzwischen die dritte Gruppe des Rennens ist. Auch den Abgang der zweiten Gruppe, die später mit 1:43 Minute Rückstand auf Tagessieger Mark Cavendish ins Ziel kommen soll, haben von Stölting daher nur die Wenigsten mitbekommen.

Einzig der 36-jährige Däne Michael Reihs, 2001 und 2002 bei Phonak unter Vertrag, befindet sich vorne. Er sollte für die ambitionierten Youngster eigentlich den 'Road Captain' spielen, den Mann, der dem Rest des Teams beim Orientieren hilft und die Marschrichtung im Rennen vorgibt. Doch wem sollte er beim Sprung in die Verfolgergruppe helfen, wenn beinahe alle Teamkollegen mit Defekten in der Wagenkolonne sitzen?

Der Defekt-Teufel hat bereits voll zugeschlagen, doch es kommt noch bitterer. Als es bei Kilometer 61 rechts herum aus dem Gegenwind auf eine Seitenwind-Gerade geht, gibt Willwohl per Funk noch einmal das Kommando durch: "Reiht Euch möglichst weit vorne ein, gleich gibt's Windkante." Er fährt an die Gruppe heran, um bei der nächsten Möglichkeit zu überholen und zu Reihs vorzufahren. Doch dann kracht es mitten im Feld und eines der blau-weißen Trikots wird rechts auf den Schotter geschleudert: Pedersen. Der Däne bleibt einen Moment liegen und krümmt sich am Boden, fährt dann aber trotz arg ramponierter rechter Körperhälfte weiter.

"Das war dann unser Mann fürs Klassement und die Nachwuchswertung", seufzte Willwohl. Pedersen, das große Talent, das auch am Mittwoch im Zeitfahren gut klargekommen wäre, hätte unter normalen Umständen sicher den Sprung in die zweite Gruppe geschafft, meinte Willwohl. So aber verliert er bis zum Ziel fast zwölf Minuten und hat keine Chance mehr auf ein Top-Resultat im Kampf ums Weiße Nachwuchstrikot.

"Game Over", kommt es Willwohl im weiteren Verlauf des Tages noch mehrfach über die Lippen, als das Teamfahrzeug an einigen verirrten Autos Einheimischer vorbeifährt, die sich in die große Lücke zwischen Verfolger und den versprengten Gruppen der Abgehängten geschoben haben. Insgesamt zehn Plattfüße zählt der Sportdirektor am Ende des Tages zusammen, dazu zwei Stürze - mehr Pech kann man beim Debüt wohl kaum haben.

"Wir müssen schauen, was passiert ist und warum es so viel war", so Willwohl nach dem Rennen im Hotel. "Wir haben verschiedene Sorten der Reifen, auch neue. Aber die sind genauso betroffen wie die älteren. Deshalb wollen wir es nicht auf die Reifen schieben, denn jeder hat auch eine Szene zu seinem Platten zu erzählen - der eine ist an die Straßenkante gekommen, ein anderer hat ein Katzenauge getroffen, bei Stürzen ist etwas kaputtgegangen. Es war wohl einfach Pech."

Das erste Rennen als Profi-Team: Als Stölting in den vergangenen Tagen den Countdown auf der Facebook-Seite startete, hatte man sich wohl etwas ganz anderes vorgestellt. Doch auch in Gelsenkirchen wird man wissen: Es kommen bessere Tage. Und Katar bietet noch vier davon.

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