Mit Wagner durch den Winter/ Teil 10

Meine Hand stand auf halb neun

Von Robert Wagner

Foto zu dem Text "Meine Hand stand auf halb neun"

Robert Wagner (Skil-Shimano) muss in Katar vorzeitig die Segel streichen.

Foto: ROTH

10.02.2009  |  (rsn) - Heute beschließe ich mein Winter-Tagebuch. Eigentlich hatte ich gehofft, euch zum Abschluss mit tollen Neuigkeiten von der Katar-Rundfahrt zu versorgen. Dieses Vorhaben hat sich allerdings in der Neutralisation der 4. Etappe erledigt.

Schon zu Beginn des Rennens habe ich gemerkt, dass die Form ganz gut ist und ich über den Winter nicht all zu viel verkehrt gemacht haben kann. So wurde ich am Ende der 3. Etappe in einem chaotischen Sprint Neunter. Auf diesen ersten drei Etappen habe ich aber auch festgestellt, dass das Niveau der Rundfahrt in diesem Jahr deutlich höher war als bei der Ausgabe 2008. Die Teams waren auf diese Katar-Rundfahrt richtig vorbereitet und haben den Wettbewerb sehr ernst genommen. Vor allem der Kampf bei den Windkanten-Aktionen - das war der Wahnsinn.

Viel vorgenommen hatte ich mir auch für die 4. Etappe. Diese war für mich allerdings schon vorbei, bevor sie überhaupt so richtig angefangen hatte. Ich konnte schon das Schild für den offiziellen Start sehen, nur noch ein letzter Kreisel in der Neutralisation war zu meistern. Dort gab es dann jedoch einen "schönen" Sturz mit Domino-Effekt. Neben mir stürzte unter anderem der belgische Meister Jurgen Roelandts und anschließend kam auch ich zu Fall. Das Problem bei diesem Sturz war, dass wir eine geringe Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h drauf hatten. Da passiert meistens mehr, als wenn man sich mit 50 Sachen ablegt.

So war es dann auch bei mir. Ich habe mich beim Fallen mit meinem Arm aufgestützt und gleich gehört was los war. Die Hand stand quasi auf halb neun. Die Rundfahrt war für mich beendet. Sofort kam der Rennarzt und signalisierte, dass ich ins Krankenhaus müsse. Dort wurde diagnostiziert, dass ich mir das Handgelenk gebrochen habe, anschließend bekam ich einen Gips angelegt. Schöne Sch.... Da war ich natürlich richtig down und wollte nur noch nach Hause.

Meine Rückkehr gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Am Donnerstag früh musste mein Teamarzt zunächst ein Schriftstück verfassen, worin er meine Verletzung genau schilderte. Anschließend musste ich noch mal zu einem Arzt der Fluggesellschaft Katar Airlines, und erst dann ging es zum Flughafen. Ich war schon abflugbereit, da rief mich dieser Arzt nochmals an: „Ausreise ist nicht“. Ich erfuhr, dass man Katar mit einem Gips erst nach 48 Stunden verlassen darf. Ich fühlte mich wie ein Gefangener.

Also ging es für mich wieder zurück zum Teamhotel – wo die Stimmung wirklich mies war. Schon bevor ich zum Flughafen fuhr, habe ich mitbekommen, dass Frederiek Nolf in der Nacht verstorben war. Der Sportliche Leiter von Columbia kam und sagte: "Einer von Topsport liegt tot im Bett". Ich konnte es erst gar nicht glauben, hatte es erst für einen schlechten Scherz gehalten, obwohl man ja bei so einem Thema keine Witze macht. Total geschockt erkundigte ich mich nach dem Namen des Fahrers. Da sagte man mir: "Der Nolf".

Er war der einzige Fahrer vom Topsort Vlaanderen-Aufgebot für Katar, den ich persönlich kannte. Wir waren keine Kumpels, aber „Hallo, wie geht`s“ haben wir uns immer gesagt. Noch am Abend zuvor ist er beim Abendessen zu mir gekommen und hat sich wegen meines Sturzes erkundigt und gefragt, wie lange ich pausieren müsse. So spielt das Leben. Das ist schon krass.

Am Freitag bin ich dann endlich nach Hause geflogen. Am Samstag war ich in Den Bosch beim Arzt, der mir riet, entgegen der Anweisungen der Ärzte in Katar, das Handgelenk nicht operieren zu lassen. Der Heilungsprozess würde dadurch nicht schneller verlaufen, lautete seine Begründung. Die Schmerzen im Ruhezustand sind erträglich, ich brauche keine Schmerztabletten. An Rollentraining oder ähnliches ist aber nicht zu denken. Wenn ich die Hand anwinkle, dann tut es doch noch sehr weh. Mir sind, wenn man so will, die Hände gebunden. Am Freitag muss ich noch mal nach Den Bosch zum Röntgen, dann werde ich vielleicht schon schlauer sein.

Eigentlich sollte für mich als nächstes die Ruta del Sol und dann Het Volk anstehen. Daraus wird jetzt nichts. Das Frühjahr will ich noch nicht abschreiben, aber Kopfsteinpflaster in Verbindung mit einem Handgelenksbruch ist nicht wirklich optimal. Von daher ist es beruhigend, dass ich vor der Saison einen Zweijahresvertrag bekommen habe. Da muss ich nicht auf Gedeih und Verderb schnellstmöglich Ergebnisse einfahren, habe so nicht den allergrößten Druck und kann die Verletzung in Ruhe ausheilen lassen.

Ich hoffe, ich konnte Euch in den vergangenen Monaten mit meinem Tagebuch den einen oder anderen interessanten Einblick in das Leben eines Radprofis vermitteln.

Bis demnächst

Euer Wagi

Robert Wagner (Skil-Shimano) zählt zu den deutschen Klassiker-Hoffnungen. In der vergangenen Saison konnte der 25-jährige Magdeburger mit dem Erfolg bei der Ronde van Noord-Holland (Kat. 1.1) und einem Etappensieg bei der Delta Tour Zeeland (Kat. 2.1) überzeugen. Auf Radsport News schildert Wagner in den kommenden Wochen, wie er sich auf die neue Saison vorbereitet.

Mehr Informationen zu diesem Thema

27.01.2009Ich bin heiß auf mein erstes Rennen

(rsn) - Seit Sonntag bin ich wieder im Lande. Genau so stürmisch, wie unser Landeanflug am heimischen Flughafen war, genau so stürmisch trainierte unser Team auf Mallorca. Das Programm war erwarte

14.01.2009Von Alkmaar nach Mallorca

(rsn) - Gleich geht es wieder in den Flieger nach Mallorca. Gemeinsam mit meinen Skil-Shimano-Mannschaftskollegen befinde ich mich schon am Flughafen, von wo aus es ins Teamtrainingslager geht.Die Tag

04.01.2009Mit "Heppe" auf dem Mountainbike gebrettert

(rsn) - Die Feiertage sind geschafft. Ich denke, ich habe sie ganz ordentlich gemeistert und bin gut ins neue Jahr gekommen. Weihnachten verbrachte ich bei meinen Eltern in Magdeburg. In dieser Zeit

24.12.2008Besuch beim "Hexer" und den "12 Aposteln"

Leider hat es doch nicht geklappt, dass ich mich auch während des Trainingslagers mal melde. Dafür gibt es jetzt einen ausführlichen Bericht, wie es mir die letzten zwei Wochen auf Mallorca ergange

08.12.2008Auf nach Mallorca

Die Koffer sind gepackt. Am heutigen Montag geht es nach Mallorca. Nicht zum Feiern, sondern zum Trainieren. Bis zum 22. Dezember werde ich der Kälte entfliehen und meine Form bei hoffentlich gutem W

27.11.2008Schön aufs Glatteis geführt

(rsn) - Teamtreffen sind doch immer etwas Schönes. Diesmal waren wir von Montag bis Mittwoch in De Lutte knapp hinter der Deutsch/Niederländischen Grenze. Dort habe ich auch zum ersten Mal all unse

17.11.2008Retschkes Retro-Rad ist reif fürs Museum

Die vergangene Woche ist recht unspektakulär verlaufen. Ich saß zwar ein paar Mal auf dem Rad, aber nie nicht länger als zwei bis drei Stunden. Zudem besuchte ich zweimal den Kraftraum und die S

10.11.2008Thomas Dekker nascht wohl nie Schokolade

(rsn) - In der letzten Woche habe ich viel auf dem Mountainbike trainiert - allerdings nie mehr als zwei Stunden. Das Training steuere ich nach Herzfrequenz. Im November trainiere ich noch nicht wirkl

03.11.2008Das Rad stand vier Wochen in der Ecke

(rsn) - Robert Wagner (Skil-Shimano) zählt zu den deutschen Klassiker-Hoffnungen. In der vergangenen Saison konnte der 25-jährige Magdeburger mit dem Erfolg bei der Ronde van Noord-Holland (Kat. 1.

Weitere Radsportnachrichten

25.12.2024Kräftezehrendes Jahr mit zwei Grand Tours

(rsn) – Die Ambitionen von Felix Gall (Decathlon – AG2R La Mondiale) waren vor dem Jahr 2024 berechtigter Weise groß. Denn der Österreicher konnte auf eine erfolgreichste Saison zurückblicken,

25.12.2024Alles offen nach einer erfolgreichen Saison

(rsn) - Das Resümee ihrer ersten vollständigen Profi-Saison dürfte durchweg positiv für die Schweizerin Elena Hartmann vom Team Roland ausgefallen sein. Erst vor zwei Jahren gelang der inzwischen

25.12.2024Traum erfüllt und doch unzufrieden

(rsn) – Es gibt durchaus einfachere Aufgaben als die Saison 2024 von Pascal Ackermann zu bewerten. Auch er selbst ist da ein wenig zwiegespalten. Schließlich hat er es mit dreißigeinhalb Jahren en

25.12.2024Meistertitel das Highlight im insgesamt bislang besten Jahr

(rsn) - Die abgelaufene Saison wird Franziska Koch vom Team dsm-firmenich - PostNL wohl noch länger in Erinnerung bleiben - war es doch mit Abstand ihre erfolgreichste, seit sie im Jahr 2019 beim Tea

25.12.2024Auch Colombo und vier Kollegen verlassen Q36.5

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

25.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

25.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2024

(rsn) - Wie bei den Männern so blicken wir traditionell am Jahresende auch auf die Saison der Frauen zurück und stellen die besten 15 Fahrerinnen unserer Jahresrangliste vor. Wir haben alle UCI-Ren

25.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

24.12.2024Der größte Sieg war jener über Long-Covid

(rsn) – Es war eine Saison voller Höhen und Tiefen für Marlen Reusser (SD Worx – Protime), wobei vor allem in der zweiten Saisonhälfte die Tiefe übernahm – und zwar komplett. Denn die Schwe

24.12.2024Top-Sprinter mit starkem Sinn für Realismus

(rsn) - Mit zwei Siegen und insgesamt 21 Top-Ten-Resultaten bei UCI-Rennen zeigte Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) auch 2024, dass er zu den schnellsten Männern im Feld zählt. Mit seiner Saison w

24.12.2024Mit 36 Jahren noch immer einer der Besten

(rsn) – Seit vielen Jahren gehört Riccardo Zoidl (Felt – Felbermayr) zu den absolut besten Fahrern Österreichs. 2013 erlebte er seinen absoluten Durchbruch, wo er sich mit zahlreichen Rundfahrts

24.12.2024Hamilton bricht sich das Schlüsselbein bei Trainings-Crash

(rsn) – Chris Hamilton, Tim Naberman und Oscar Onley sind am letzten Tag des Dezember-Trainingslagers des Teams dsm-firmenich – PostNL, das ab Januar Picnic – PostNL heißen wird, gestürzt. Wä

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine