Diskussionen nach Paris-Roubaix

Eine Bahnschranke und der Geist des Reglements

Von Matthias Seng

10.04.2006  |  Auch am Tag nach der umstrittenen Disqualifikation von Leif Hoste, Peter Van Petegem und Vladimir Gusev schlagen die Wellen hoch angesichts der harten Entscheidung der Rennleitung. Zu der skurrilen Situation an einem beschrankten Bahnübergang neun Kilometer vor dem Ziel war es gekommen, weil die Veranstalter von einem furiosen Peloton überrascht wurden. Mehr als 15 Minuten lagen die Fahrer vor dem schnellsten errechneten Schnitt und erreichten zu früh die ominöse Stelle.

“Das ist lächerlich”, sagte ein geschockter Hoste nach seiner Disqualifikation. „Ich wusste, dass wir einen Fahler begingen, aber wir haben ja niemanden gefährdet. Und warum benachrichtigten uns die Rennkommissare im Finale nicht über ihre Entscheidung? Dann hätten wir aussteigen können.“ Erst nach sämtlichen 259 Kilometern durch die Kopfsteinpflasterhölle wurden die drei darüber informiert, dass alle ihre Anstrengungen umsonst gewesen waren.

Peter Van Petegem, Roubaix-Sieger von 2003, wartete mit seinem Sohn während der Siegerzeremonie darauf, als vermeintlich Dritter das Podium zu besteigen. Dann erfuhr er von einem Reporter des französischen Fernsehens, dass er disqualifiziert worden war. Der Belgier verließ wutschäumend die Siegerehrung.

Sogar die Veranstalter selber waren nicht glücklich mit der Entscheidung. Jean-Francois Pescheux, der für den Parcours verantwortliche Vertreter des Veranstalters ASO, sagte: „So sind die Regeln, dass stimmt. Aber vielleicht hätte man eine Ausnahme machen sollen, aus Gründen der Fairness und der sportlichen Ethik. Nach 250 Kilometer Rennen und angesichts der Tatsache, dass die drei dem Führenden nicht mehr gefährlich werden konnten, hätte man die Regel nicht auf den Buchstaben genau auslegen sollen.“

Ähnlich argumentierte auch Renndirektor Jean-Marie Leblanc: „Diese Entscheidung ist sehr hart. Sicherlich verletzten die drei Verfolger die Regeln. Aber sie veränderten nicht die Rennsituation. Cancellara vergrößerte sogar seinen Vorsprung noch, das konnte jeder sehen. Die Drei wären also nur noch um Platz zwei gefahren. In solchen Situationen sollte man den Geist gegenüber dem Buchstaben des Reglements den Vorzug geben.“

Kritik kam erwartungsgemäß von Discovery-Chef Johan Bruyneel, der mit Hoste und Gusev gleich zwei Fahrer durch die Entscheidung der Jury verlor: „Man kann sich natürlich fragen, wie es kommen kann, dass das Finale eines ProTour-Rennens von einem Güterzug derart beeinträchtigt werden kann“, sagte der Belgier, und an die Adresse der Rennkommissare gerichtet: „Ich weiß, dass es Regeln gibt. Aber manchmal könnte man sie auch anders interpretieren.“

Tom Boonen, der nur das Podium betrat, um sein ProTour-Führungstrikot in Empfang zu nehmen, erkannte seinen zweiten Platz gar nicht erst an: “Ich bin in Wirklichkeit immer noch Fünfter“, sagte der Weltmeister. „Das ist der Platz, den ich verdient habe angesichts meiner Leistung in diesem Rennen. Als Cancellara im Sektor Campin-en-Pévèle attackierte, wollte ich reagieren. Leider hatte Flecha die gleiche Idee und ich musste rausnehmen, so dass ich an Geschwindigkeit verlor. Danach war alles aus und vorbei."

Van Petegems Sportdirektor Marc Sergeant und Bruyneel planen jetzt Beschwerde gegen die Entscheidung der Rennkommissare einzulegen. „Die Entscheidung ist unmenschlich“ so Sergeant pathetisch gegenüber der belgischen Zeitung Het Nieuwsblad. „Wir verlieren einen wichtigen Podiumsplatz und jede Menge ProTour-Punkte. Das ist bitter für uns. Ich habe kein Problem mit den regeln, aber wenn Van Petegem, Hoste and Gussev disqualifiziert worden sind, warum nicht die Gruppe Boonen? Das ist doch eine Frage des Prinzips.“

Allerdings dürfte Sergeant mit dieser Einstellung ziemlich alleine dastehen. Zwar umkurvten Boonen, Alessandro Ballan und Juan Antonio Flecha ebenfalls die Schranken – aber zu diesem Zeitpunkt hatte der Güterzug längst die Stelle passiert.

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