“Der Kurs liegt einfach über meinem Limit“

Findet die Afrika-WM ohne Girmay statt?

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Findet die Afrika-WM ohne Girmay statt?"
Bininam Girmay zweifelt ob des schweren Kurses für die Weltmeisterschaften in Kigali an seiner Teilnahme. | Foto: Cor Vos

18.01.2025  |  (rsn) – 2025 werden zum ersten Mal die Straßen-Weltmeisterschaften der Elite in Afrika stattfinden. Wurden die Wettbewerbe der Junioren in Casablanca (1986) und Kapstadt (2008) schon zwei Mal dort ausgetragen, war der Kontinent auf höchster Ebene bisher der letzte weiße Fleck. Doch wenn die Wettbewerbe im September rund um Ruandas Hauptstadt Kigali ausgetragen werden, ist es gut möglich, dass der Mann, der heute wie kein Zweiter für den afrikanischen Radsport steht, gar nicht dabei ist.

Als sich Kigali 2019 für die Austragung der Weltmeisterschaften bewarb, war Girmay nicht mehr als ein verheißungsvolles Talent. Im Trikot des World Cycling Centers der UCI, das Fahrern aus radsportfernen Ländern die Chance gibt, eine professionelle Karriere einzuschlagen, hatte er gerade seine ersten beiden Siege in einem Profirennen gefeiert. Ausgerechnet natürlich in Ruanda. In den vergangenen Jahren entfachte der heute 24-Jährige regelrechte Begeisterungsstürme, vor allem in seiner Heimat Eritrea. Egal wo Girmay am Start steht, im Zielbereich wartet immer eine Gruppe Landsleute stimmungsgeladen und mit riesigen Fahnen auf ihn.

Spätestens seit dem Gewinn des Grünen Trikots mit drei Etappensiegen bei der vergangenen Tour de France hat Girmay seinen Glamour-Faktor – mehr oder weniger unfreiwillig allerdings – weit über die Grenzen seines Landes oder Afrikas hinaus erweitert. Das gerade er bei der mit Spannung erwarteten WM fehlen soll, wäre ein ziemlicher Rückschlag für den ansässigen Radsport. Doch die Strecke mit mehr als 5000 Höhenmetern ist dem klassikererprobten Sprinter alles andere als auf den Leib geschneidert. Deswegen packte der Profi von Intermarché – Wanty in einem Interview mit Sporza auch ein dickes Fragezeichen hinter seine Teilnahme.

Girmay: “Für mich persönlich nicht notwendig“

“Der Kurs liegt einfach über meinem Limit. Wenn ich diese lange Reise antrete, nur um dann bei der WM auszusteigen, ist das eigentlich sinnlos“, so Girmay. “Für mich persönlich ist es nicht notwendig, nur dort zu sein, um teilzunehmen, aber wenn mein Land mich dort haben will, werde ich auf jeden Fall dort hingehen“, machte er dann aber doch noch Hoffnung auf seinen Start. Denn, dass sich der eritreische Radsportverband gegen Girmay entscheiden könnte, scheint ausgeschlossen.

Wirklich glücklich wäre Girmay damit aber nicht, wie er durchblicken ließ. “Wenn ich in der letzten Runde noch vorne dabei bin, dann könnte ich auch bei der Tour de France eine Königsetappe fahren. Aber ich weiß, wozu ich fähig bin und wozu nicht. Wir müssen realistisch sein – ich kann da nichts ausrichten.“

“Stellen Sie sich vor, Girmay wird Weltmeister …“

Auch Girmays Sportlicher Leiter Aike Visbeek äußerte sich zum Thema und brachte sogar eine Streckenänderung ins Spiel, um Girmay bessere Chancen auf Erfolg zu geben. “Ich hoffe, dass die Vernunft siegt“, sagte er, wohlwissend, dass eine Umplanung nach der bereits erfolgten Verkündung des Kurses beispiellos wäre. Dennoch malte er ein Bild, mit dem sich die afrikanischen Radsport-Entscheidungsträger sicher gut anfreunden könnten. “Er ist jetzt der erste Afrikaner, der das Grüne Trikot bei der Tour gewann, aber stellen Sie sich vor, er würde das Regenbogentrikot gewinnen“, so der Niederländer. "Das hätte eine noch größere Wirkung.“

Viel wahrscheinlicher sei allerdings ein Szenario, das dem afrikanischen Radsport eher die Grenzen aufzeigt. “Mit der aktuellen Lösung wird es eher der Fall sein, dass Louis Meintjes (der Südafrikaner fährt auch für Intermarché) der einzige Afrikaner ist, der 80 Kilometer vor dem Ziel noch nicht abgehängt wurde. Und das wäre alles andere als gut für den afrikanischen Radsport.“

Wenig besser für den Radsport im Allgemeinen sei der Umstand, dass auch die beiden darauffolgenden Weltmeisterschaften in Montreal und dem französischen Department Haute Savoie tief in den Alpen nicht gerade sprinterfreundliche Kurse aufbieten werden.

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