Ein Tour-Drama in fünf Akten

Hirschi: 153-Kilometer-Kampf fand kein Happy End

Foto zu dem Text "Hirschi: 153-Kilometer-Kampf fand kein Happy End"
Marc Hirschi (Sunweb) auf der 9. Tour Etappe | Foto: Cor Vos

06.09.2020  |  (rsn) - Ãœber 153 Kilometer hat Tour-Debütant Marc Hirschi (Sunweb) einen bravourösen Kampf geliefert, der am Ende den Etappensieg in Laruns verdient gehabt hätte. Die Formulierung zeigt: Der Parforceritt wurde zum Drama, ein Drama in fünf Akten, wie es klassischer nicht hätte geschrieben werden können.

Akt I: Der Kampf um die Ausreißergruppe des Tages
Ewig lang zog es sich hin, bis die Gruppe des Tages auf der zweiten Pyrenäenetappe stand. Das halbe Peloton machte sich Hoffnungen darauf. Auch Hirschi mischte ab Kilometer 0 mit, versuchte es mehrmals mit einer Attacke und sollte sogar einmal mit der Brechstange von zwei Teamkollegen an die Spitze des Rennens gebracht werden. "Wir wollten unbedingt heute vorne sein. Wir haben uns gesagt, dass die Chance besteht, dass die Gruppe durchkommt", erklärte Hirschi dazu.

Akt II: Der Sprung in die Gruppe des Tages war geschafft
Nach rund 60 Kilometern hatte sich im Anstieg zum Col de la Hourcere (1. Kat) eine kleine, aber feine Gruppe um Hirschi, Lennard Kämna (Bora - hansgrohe), den Schweizer Meister Sebastien Reichenbach (Groupama - FDJ) und Dauphiné-Sieger Felipe Martinez (EF) gefunden. Doch weit weg kamen die Ausreißer nicht, das von Jumbo - Visma angeführte Feld gestand Hirschi & Co nicht mehr als 25 Sekunden zu. Also erhöhte der Schweizer erneut das Tempo und nur Kämna konnte nur kurzzeitig folgen. 

Akt III Hirschi probiert es als Solist
Dann musste auch der Deutsche allerdings die Segel streichen. "Ich war am Hinterrad von Hirschi und dachte 'Oh nein, das ist zu schnell‘, also habe ich mich in die Gruppe dahinter fallen lassen", erklärte Kämna. Hirschi entschied sich jedoch, sein schier unmöglich erscheinendes Unterfangen als Solist fortzusetzen und nicht auf seine Ausreißerkollegen zu warten. "Als es nicht richtig mit einer Gruppe klappte, sagte ich mir, dass ich mein eigenes Rennen fahre. Ich wusste nicht, was das Peloton machen würde, aber wusste, dass ich mich einfach auf meinen Plan konzentrieren musste.", verriet der 22-Jährige.

Seine einstigen Begleiter hofften vergeblich, Hirschi auf der anschließenden Abfahrt wieder einzufangen. Auf über drei Minuten baute der Berner seinen Vorsprung aus. Im Col de Marie Blanque (1. Kat), dem letzten Anstieg des Tages, büßte Hirschi zwar Sekunde um Sekunde auf die Favoritengruppe ein, die Kämna und die anderen Verfolger längst gestellt hatte. Doch knapp 20 Sekunden konnte der Ausreißer noch über die den Gipfel retten. 

Auf der anschließenden Abfahrt baute der Mann des Tages seinen Vorsprung sogar wieder auf knapp 30 Sekunden aus, doch Primoz Roglic, Tadej Pogacar, Egan Bernal und Mikel Landa dürckten als erste Verfolger mächtig auf die Tube, auch, um die weiteren Klassementfahrer auf Abstand zu halten. Auf dem etwa abschließenden, fünf Kilometer langen Flachstück kamen die vier Verfolger Sekunde um Sekunde näher, und als Hirschi in Sichtweite war, traf Sunweb die Entscheidung zu warten.

Akt IV: 1700 Meter vor dem Ziel war Hirschis Solo beendet
Hirschi nahm  die Beine hoch und ließ sich von seinen vier Verfolgern einholen. Selbst wenn er weiter voll durchgezogen hätte, wäre er gestellt worden. "Von hinten kamen die vier besten Fahrer dieser Tour, sie waren noch frisch und haben sich abgewechselt. Da müssen wir abwägen, denn sie hätte nicht nachgelassen und Marc eingeholt. Deshalb sahen wir größere Chancen, wenn er es mit dem Sprint versucht", erklärte Team-Manager Iwan Spekenbrink, gegenüber radsport-news.com. So aber konnte der nun an letzter Stelle fahrende Hirschi noch ein paar Momente durchschnaufen, ehe es zum Sprint kam

Akt V Im Sprint erst vorne, dann noch von Pogacar und Roglic überholt
Dass sich Hirschi trotz seines kräftezehrenden Ritts noch Hoffnungen auf den Tagessieg machte, zeigte allein die Tatsache, dass er sich mehrmals die Rennschuhe festzog, um möglichst viel Power auf die Pedale zu bringen. Etwas ungeduldig trat Hirschi schon 250 Meter vor dem Ziel von letzter Position aus an. "Ich habe mir gerade den Sprint angeschaut. Vielleicht beginnt er ein klein wenig zu früh", erklärte Coach Marc Reef nach dem Rennen.

Dazu hatte Hirschi auch noch Pech: Just in dem Moment, als er antrat, schaute der die Gruppe anführende Roglic zwischen linkem Arm und Körper nach hinten - der Überraschungsmoment war verpufft. Zwar übernahm Hirschi im Sprint kurzzeitig die Führung, doch Roglic und Pogacar, der ebenfalls sofort reagierte, erwiesen sich als die beiden Fahrer mit den größten Kraftreserven. "Es war eine sehr schöne Etappe, nur das Ergebnis ist echt sehr sehr schade", befand Reef.

Am Ende wurde Pogacar mit dem Etappensieg belohnt und Roglic mit dem Gelben Trikot. Hirschi blieb nur die Auszeichnung zum kämpferischsten Fahrer und das Lob der Konkurrenz. "Ich hätte es Hirschi mehr als gegönnt. Er wäre mein Lieblingssieger gewesen", sagte etwa Kämna. 

Für all das Lob konnte sich Hirschi aber nicht so recht etwas kaufen. "Jetzt bin ich sehr traurig, dass ich nicht gewonnen habe. Es fehlte wirklich nicht viel, aber ich hatte nicht genug Kraft auf dem Pedal", meinte Hirschi. Auch wenn er jetzt zwei Mal knapp den ganz großen Sieg bei der Tour verpasst, so will der Debütant nicht aufstecken. "Wir werden weiterhin probieren, in die Gruppen zu gehen", kündigte er an.


Mehr Informationen zu diesem Thema

16.06.2021Madiot: “Wir hätten Pinot früher aus der Tour nehmen sollen“

(rsn) - Sein bisher letztes Rennen bestritt Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) vor mittlerweile zwei Monaten, als er die Tour of the Alps unter ferner liefen auf Rang 60 beendete. Danach entschied der Fra

23.12.2020Bernal wieder schmerzfrei auf dem Rad

(rsn) - Egan Bernals Genesung macht offensichtlich deutliche Fortschritte. Wie der Tour-de-France-Sieger von 2019 gegenüber dem Internetportal primertiempo.co sagte, könne er wieder schmerzfrei trai

11.12.2020Dumoulin zuversichtlich: “Mir fehlt nur noch ein Prozent“

(rsn) - 2020 war für Tom Dumoulin ein Jahr mit vielen Tiefen und nur wenigen Hochs. Nach dem mit großen Hoffnungen verbundenen Wechsel von Sunweb zu Jumbo - Visma warf zunächst ein bakterieller Dar

15.11.2020Pogacar lobt Roglic als slowenischen Vorreiter

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) hätte seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo - Visma) den Tour-de-France-Sieg gegönnt. Das sagte der 22-jährige Slowene im Gespräch mit der spanischen Sp

27.10.2020Bernals Genesung dauert länger als gedacht

(rsn) - Egan Bernals Rückenprobleme, die ihn zum Ausstieg bei der Tour de France und zum vorzeitigen Saisonende zwangen, sind offensichtlich ernsthafter als bisher angenommen. Wie der Kolumbianer geg

10.10.2020Bernal: “Ich hatte eine schwierige Zeit“

(rsn) - Der bei der Tour de France vorzeitig ausgestiegene Egan Bernal (Ineos Grenadiers) wird in diesem Jahr keine Rennen mehr bestreiten. Das kündigte der Kolumbianer auf Instagram an und bestätig

03.10.2020War der Toursieg für Roglic im Zeitfahren unmöglich?

(rsn) - Radsportjournalist Thijs Zonneveld von der niederländischen Zeitung AD hat nach eigenen Angaben Einblick in die Leistungswerte des Tour-Zeitfahrens von Primoz Roglic (Jumbo – Visma) erhalte

24.09.2020Pogacar: “Die Saison ist noch lange nicht vorbei“

(rsn) - Nach seinem Tour-de-France-Triumph hat Tadej Pogacar (UEA - Team Emirates) schon die nächsten großen Ziel im Blick. "Ich muss konzentriert und fit bleiben für die Weltmeisterschaft und die

23.09.2020Viviani: Beim Giro zurück in die Erfolgsspur?

(rsn) - Im letzten Jahr gewann Elia Viviani im Trikot von Deceuninck - Quick-Step  bei der Tour de France eine Etappe und fuhr auf drei weiteren Teilstücken aufs Podium. Die 107. Austragung lief fÃ

22.09.2020UAE Emirates streicht das mit Abstand meiste Preisgeld ein

(rsn) - Kein Wunder: Durch den Gesamtsieg von Tadej Pogacar, der auch das Weiße Trikot als bester Jungprofi sowie die Bergwertung und drei Etappen gewann, sowie den Etappensieg von Alexander Kristoff

21.09.2020Phänomen Pogacar - zu schnell, um wahr zu sein?

(rsn) - Tadej Pogacar hat mit seinem Toursieg nicht nur Rekorde gebrochen, sondern damit auch Fragen aufgeworfen. Ist der Slowene einfach ein Jahrhunderttalent, für den die üblichen Maßstäbe nicht

21.09.2020Die Tour-Bubbles werden aufgelöst

(rsn) - Die Tour de France ist beendet. Die Bubbles werden aufgelöst. Neue werden errichtet, für die WM, die BinckBank Tour, den Giro d´Italia und die großen Klassiker. Primoz Roglic kann jetzt Tr

Weitere Radsportnachrichten

25.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

25.04.2024Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

25.04.2024Teutenberg jubelt zum Auftakt der Tour de Bretagne

(rsn) - Nachdem er in seinen ersten drei U23-Jahren vergeblich einem UCI-Sieg hinterhergejagt war, eilt Tim Torn Teutenberg (Lidl - Trek Future Racing) in dieser Saison von Erfolg zu Erfolg. Nach sei

25.04.2024Lechner sorgt für den ersten UCI-Saisonsieg einer Deutschen

(rsn) – Corinna Lechner vom Bundesliga-Team Wheel Divas aus Berlin hat für den ersten Saisonsieg einer deutschen Frau auf UCI-Niveau gesorgt. Die 29-Jährige, die am 14. April bereits Dritte beim e

25.04.2024Romandie-Prologsieger Zijlaard bricht sich Ellenbogen

(rsn) – Nur zwei Tage nach seinem Triumph im Prolog der Tour de Romandie (2.UWT) hat Maikel Zijlaard (Tudor) einen heftigen Rückschlag hinnehmen müssen. Wie der 24-jährige Niederländer gegenüb

25.04.2024Bike-Aid: Dorn hat in der Türkei das Bergtrikot “ziemlich save“

(rsn) – Das deutsche Kontinental-Team Bike Aid ist weiterhin der Aktivposten der Türkei-Rundfahrt (2.Pro). Am fünften Tag in Folge war die saarländische Equipe in der Ausreißergruppe vertreten

25.04.2024Nys krönt ersten Ausreißversuch der Karriere, Lipowitz Vierter

(rsn) – Ein 21-Jähriger Crossspezialist aus Belgien hat bei der Tour de Romandie (2.UWT) für die nächste Überraschung gesorgt. Thibau Nys (Lidl - Trek) entschied auf der 2. Etappe die erste Berg

25.04.2024Jakobsen gibt Andresen Grünes Licht für den zweiten Etappensieg

(rsn) – Tobias Lund Andresen (dsm-firmenich – PostNL) hat mit dem zweiten Tagessieg in Folge seine Führung in der Gesamtwertung der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) ausgebaut. Der 21-jährige Däne

25.04.2024Drei Bergankünfte, Sprints, Windkantengefahr & Teamzeitfahren

(rsn) – Nachdem die Spanien-Rundfahrt im vergangenen Jahr von Torrevieja an der Costa Blanca vorbei an Madrid in den Norden nach Asturien an den Atlantik und zur abschließenden Bergankunft an den L

25.04.2024Zwölf deutsche Profis auf vorläufiger Startliste des Giro d´Italia

(rsn) – Insgesamt zwölf deutsche Profis werden nach aktuellem Stand am 4. Mai den 107. Giro d’Italia in Angriff nehmen, wie aus der vom Veranstalter RCS Sport veröffentlichten vorläufigen Start

25.04.202422 Teams am Start der 3. Tour de France Femmes

(rsn) – Mit insgesamt 22 Teams wird am 12. August im niederländischen Rotterdam die 3. Tour de France Femmes (2.WWT) gestartet. Beim Grand Départ dabei sein werden auch die beiden deutschen Frauen

24.04.2024Highlight-Video der 1. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Der Franzose Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat sich die 1. Etappe der Tour de Romandie gesichert. Nach 165,7 Kilometern vom Château-d´Oex nach Fribourg, wobei sechs Bergwer

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Gracia Orlová (2.2, CZE)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)