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24.06.2016 | (rsn) - Ganz persönliche Erinnerungen eines Wegbegleiters an Deutschlands Rad-Idol Rudi Altig, das seinen Kampf gegen den Krebs verlor.
„Mein Kämpfer kämpft und kämpft seine letzte Bergetappe. Keiner weiß, wie lang sie wird...“ Bewegende Worte, die Monique Altig schrieb, Rudis Ehefrau, nur wenige Tage vor seinem Tod. Seit dieser Nachricht ahnten wir, dass Deutschlands Rad-Idol das Ziel seiner „Tour de Hoffnung“ nicht erreichen würde. Sehr schnell, viel zu schnell, wurde es endgültig.
Die deutsche Öffentlichkeit, aber auch die gesamte internationale Radsportwelt - ob in Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Spanien,sogar in Polen - reagiert betroffen in Wort und Bild, verneigt sich ein letztes Mal vor dem „Colosse Allemand“- wie die französische L'Equipe einmal schrieb: vor seinen sportlichen Leistungen, aber auch vor diesem Botschafter des deutschen Sports und Sympathienträger, noch 50 Jahre nach seiner Karriere.
Der Autor hatte das Glück, diesen „deutschen Koloss“ seit 1960 als Journalist begleiten zu können. Koloss war wohl ein wenig „französisch-übertrieben“, hatte der Radathlet Altig doch lediglich ein Kampfgewicht von 75 Kilo, mit seinen 1,78 m. Aber Rudi wirkte auf dem Rennrad nun mal kolossal. Und - er war es menschlich!
Als junger Werkstudent und Mitarbeiter der Nürnberger Nachrichten bestaunte ich ihn erstmals vor 56 Jahren, als er im Trikot des Verfolgungs-Weltmeisters im Innenraum der Nürnberger Rennbahn Am Reichelsdorfer Keller „Männchen“ machte: eine Yoga-Kopfstand-Übung mit angewinkelten Knieen, der sogenannte Scorpion, die ihm sein Mannheimer Entdecker, Trainer und väterlicher Freund Karl Ziegler (inzwischen 96) beigebracht hatte, um sich - und besonders die Bandscheibe - vor und nach dem Rennen zu entspannen.
Richtig kennen lernte ich ihn aber erst ab 1963, als Fernsehjournalist des ZDF. Da hatte Rudi bereits seine Ehrenrunden als Bahn-Weltmeister gedreht (1959 in Amsterdam, 1960 in Leipzig und 1961 in Zürich). Die Leipziger Titelkämpfe wurden legendär; denn als bei der Siegerehrung die (für die DDR damals nur West-) Deutsche Nationalhymne „durch ein technisches Missgeschick“ nach wenigen Takten abgebrochen wurde, sangen 20 000 ostdeutsche Radsportfans das Lied für den Landsmann aus dem Westen „live“ weiter. Diese einmalig - mutige spontane Reaktion war für „Rudi national“ bis ins Alter „eine der schönsten Ehrbezeugungen in meiner Laufbahn“.
Dass Altigs Popularität bis in unsere schnelllebige, hektische Zeit so nachhaltig geblieben ist, verdankte er seinem Erscheinungsbild, seinem Auftreten; der Art, wie er die Rennen gefahren und mit den Sportkollegen umgegangen ist; seiner Hilfsbereitschaft und Natürlichkeit; seinem Humor und Witz, seiner Komik; und der Nähe zum Zuschauer, zu seinen Fans.
Diese Funken sind übergesprungen, wo immer er auftauchte - später als Rennleiter, auf Fahrradmessen, bei Jedermann-Rennen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Wiedersehensfeiern; auch im Kreise der Hobby-Golfer oder viele Jahre als Fernsehexperte vor und hinter dem Bildschirm bei Eurosport und ARD.
Rudi Altig war ein Star ohne Allüren, einer zum Anfassen. Weil er nie die Bodenhaftung verloren hatte und der Mannheimer Bub geblieben war, als der er 1937 geboren wurde.
Vorbestimmend für seine Laufbahn wurde die schmale Nachkriegs-Familienkasse. Als Mutter Altig ihren beiden Söhnen 1951 die Gretchenfrage stellen musste: entweder ein neues Rennrad für den zwei Jahre älteren Bruder Willi oder neue „Töppen“ für den 14-jährigen Rudi. Beides zu finanzieren, war unmöglich. Schweren Herzens verzichtete „der Kleine“ auf die neuen Fussballschuhe, bald darauf auch auf das Training bei Phönix Mannheim... erbte dafür aber von Willi dessen alte Rennmaschine. Auf ihr gewann Rudi im folgenden Winter seinen ersten Siegerkranz. In Böhl-Iggelheim bei einem Querfeldein-Rennen.
Als er seine Lehre als Elektro-Installateur beendet hatte, durfte er sich dem Radtraining intensiver widmen. Sehr bald sprach man von „den Altigs“. Willi und Rudi wurden ein Bahnfahrer-Duo, das überall „abräumte“ - im Sprint, in der Verfolgung, im Mannschaftsfahren. Willi, der besonnenere, war der Taktiker; Rudi, der Temperemantsbolzen, der Sprinter und Finisseur. Wegen ihrer Kraft und ihrem Siegeswillen nannte man sie „die Ochsen“.
Die Fortsetzung der Karriere ist bekannt. Eine beispielhafte Erfolgsgeschichte. Rudi gewann zwar nicht die Tour de France, aber er wurde - und bleibt vorerst - Deutschlands erfolgreichster und beliebtester Radrennfahrer aller Zeiten. Das soll man mir, einem seiner journalistischen Wegbegleiter, so abnehmen, ohne dass ich seine sportliche Visitenkarte noch einmal präsentiere.
Wichtiger erscheint mir, noch ein paar persönliche Erfahrungen mit ihm zu erzählen, die dokumentieren, was für ein großes Herz dieser große Sportler hatte.
Ich erinnere mich an die Tour de l'Avenir der Amateure 1966. Der Chronist war, ein Jahr nach seiner ersten Tour de France fürs ZDF, Chauffeur des deutschen Mannschaftswagens, um den Radsport „zu studieren“. Da bemötigte Otto Ziege, der Bundestrainer, für seine Fahrer schnellstens neue Rennhosen. Sie vom Verband aus Deutschland schicken zu lassen, dauerte zu lange; also bat er Rudi Altig, der auf der parallel laufenden Profi-Tour de France gerade Triumphe feierte, den Amateuren zu helfen.
Das war morgens. Abends durften wir die Hosen abholen, Profiqualität - mit der Aufschrift von Altigs Rennstall Molteni. Diese „Werbung“ für einen italienischen Fleischfabrikanten aber untersagten die Amateur-Regeln. Also musste sie auf Geheiß des Verbandes unsichtbar gemacht werden. Der Dank an Rudi, den spontan Hilfsbereiten, hatte somit ein Geschmäckle.
Altig, den Kooperativen, erlebte ich im Dezember 1971 in Andalusien. Der Autor drehte fürs ZDF „Der Weg nach München“ - das Training der Strassenfahrer für Olympia 1972. Eine Woche lang nur Regenwetter. Verzweiflung pur. Am Tag der Abreise dann, wie zum Hohn, strahlende Sonne. Die Rennfahrer saßen schon, Rückreise bereit, auf ihren Koffern... gab Rudi Altig, inzwischen zusammen mit seinem Entdecker Karl Ziegler Bundestrainer, das Kommando: „Jungs, los, Klamotten und Räder auspacken! Wir fahren noch eine Trainingseinheit für die Mainzelmännchen.“ Mein Kamerateam jubelte und filmte aus zwei Cabrios „wie die Weltmeister“ - all das, was wir uns tagelang vergebens erhofft hatten, bei schönstem Wetter.
Ja, es war ein gegenseitiges Nehmen und Geben zwischen dem Sportler und den Journalisten. Rudi Altig hatte auch dafür ein tolles Gespür.
Und er wusste, was es heißt, wenn Radfahrer nach dem Rennen hungrig sind und ihre „Depots“ wieder aufladen müssen! Ich erinnere mich an das Frühjahr 1972: als bei der Algerien-Rundfahrt das rasselnde Protestkonzert der Bestecke und Blechteller von 100 hungrigen Fahrern gegen die dürftige Verpflegung kein Gehör fand, formulierte der deutsche Trainer den kollektiven Unwillen in der Küche derart eindrucksvoll, dass es anstelle von Couscous und zwei winzigen Hackfleischbällchen fortan ordentliche Steaks gab, mit Reis oder Spaghetti.
Der Autor hat hier nur ein paar Nuancen des Charakters von Rudi Altig angedeutet. Er war einer der beliebtesten deutschen Sportler alles Zeiten - im Inland wie im Ausland, bei seinen Kollegen und beim Publikum. Sogar Bundespräsidenten zählten ihn als Freund.
Er war ein Vorbild und Botschafter des Sports für unser Land. Leider hat man das nicht überall so gesehen; weil man die Schrammen, die auch seine Laufbahn hatte, viel höher bewertete als seine großen Verdienste. Warum sonst hat man ihm einen Platz in der Hall of Fame des deutschen Sports verwehrt? Vielleicht, das ist meine Hoffnung, denkt man doch noch um und erkennt Rudi Altig diesen Ehrenplatz zu, in der Stunde des Abschieds.
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