Interview mit dem Riesentalent

Linus Gerdemann: „Ich bin kein Querulant!“

Von Matthias Seng

25.11.2004  |  Linus Gerdemann zählt zu den größten deutschen Nachwuchshoffnungen. Der 22 Jährige Münsteraner hat in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge die U23 Bundesliga gewonnen, aber auch durch seine Nichtnominierung für die WM in Verona für Aufsehen gesorgt. In einem Interview mit Radsport aktiv äußert sich Gerdemann zum Streit mit dem BDR, zu seinen Zukunftsplänen und erzählt, wie er zum Radsport gekommen ist.

Radsport aktiv: Sie gehören zu den erfolgreichsten Nachwuchsfahrern in Deutschland, trotzdem waren Sie weder bei der WM noch haben Sie ein hochwertiges Profiteam gefunden. Wie erklären Sie sich das?

Gerdemann: Das ist ein Punkt, über den ich mir auch schon meine Gedanken gemacht habe und der auch meine Psyche belastet. Ich habe alle meine Saisonziele erreicht - und zum Saisonhöhepunkt, der WM, wo ich mein Potenzial hätte abrufen können, werde ich nicht berücksichtigt. Da ich nicht an Zufälle im Leben glaube, habe ich mich natürlich auch selbstkritisch gefragt: Liegt es etwa an meiner Person, dass der BDR mich nicht nominiert hat?

Radsport aktiv: Ihnen wurde vom BDR vorgeworfen, nicht teamfähig zu sein. Sind Sie ein Querulant?

Gerdemann: Ganz bestimmt nicht. Ich bin bisher in allen Teams, in denen ich gefahren bin, mit meinen Kameraden gut ausgekommen. Mein Motto lautet nicht umsonst ‚Einer für alle, alle für einen’. Radsport ist ein Mannschaftssport, und natürlich gehört dazu, dass man auch für andere fährt. Ich glaube, ich habe schon bewiesen, dass ich mir dafür nicht zu schade bin. Die Vorwürfe, die gegen mich erhoben werden, sind doch widersprüchlich. Fakt ist jedenfalls, dass ich seit vier Jahren gute Leistungen bringe, aber dafür vom BDR kaum mit Einsätzen belohnt worden bin. Ich werde auch nicht mehr vom Verband gefördert, sondern ausschließlich von meinem Team Winfix. Vielleicht hat ja Bundestrainer Peter Waibel ein Problem mit mir, ich jedenfalls würde gerne für den BDR fahren. Für mich wäre es eine Ehre.

Radsport aktiv: Wie würden Sie sich als Mensch beschreiben?

Gerdemann: Ich bin eher der ruhige Typ, der gerne mit seinen Freunden zusammen ist. Mein Freundeskreis hat fast gar nichts mit dem Radsport zu tun, was für mich ganz wichtig ist, weil ich so einen Ausgleich zu meinem Beruf finde und auch mal abschalten kann.

Radsport aktiv: Sie hatten das Thema Selbstkritik angeschnitten. Haben Sie negative Eigenschaften?

Gerdemann: Da gibt es wohl zwei: meine Unpünktlichkeit und meine Probleme mit häuslicher Ordnung. Am ersten Punkt arbeite ich schon seit einiger Zeit, auch mit einigem Erfolg. Für das Durcheinander, das ich in meiner Wohnung oder in einem Hotelzimmer veranstalte, nehme ich mir allerdings ziemlich viel Zeit, bis ich es beseitige. Da bin ich schon ein bisschen chaotisch.

Radsport aktiv: Was sind Ihre Stärken auf dem Rad?

Gerdemann: Ich sehe mich als Allrounder. Ich bin ein guter Zeitfahrer und habe meine Stärken am Berg.

Radsport aktiv: Und woran müssen Sie noch arbeiten?

Gerdemann: Ich hatte anfangs ziemlich große Defizite im taktischen Bereich. Aber ich habe in den letzten Jahren viel dazugelernt. Ich fahre jetzt viel ökonomischer und verbessere mich auch taktisch von Jahr zu Jahr. Aber natürlich gibt es noch genügend Kniffe und Tricks, die ich lernen kann.

Radsport aktiv: Seit wann fahren sie Radrennen?

Gerdemann: Ich bin erst spät zum Radrennsport gekommen. Genau genommen war ein Verkehrsunfall vor fünf Jahren, bei dem ich mir mein Schienbein brach, dafür verantwortlich. Ich war früher Hobby-Mountainbiker, aber nach dem Unfall dufte ich wegen der Erschütterungen erst mal nicht mehr Mountainbike fahren. Bei einem Freund entdeckte ich zu der Zeit im Keller ein Rennrad. Der Rennradsport hat mich schon immer fasziniert hat, besonders die Leidensfähigkeit der großen Fahrer. Und weil ich unbedingt weiter Sport treiben wollte, bin ich eben vom Mountainbike auf’s Rennrad umgestiegen. Dann ging alles ziemlich schnell. Im Jahr 2000 fuhr ich meine erste Saison als Junior, und im Jahr darauf ging es dann richtig los. Da gewann ich die Bundesliga-Gesamtwertung des Jahrgangs 1982.

Radsport aktiv: Sie stehen noch am Beginn Ihrer Karriere. Was möchten Sie erreichen?

Gerdemann: Mein Wunsch ist es natürlich, in einem Pro Tour Team zu fahren, auch wenn der Zug für die nächste Saison wohl abgefahren sein dürfte. Grundsätzlich möchte ich das Optimum aus mir herausholen, immer 100 Prozent geben. Und ich möchte zeigen, dass ich auch ein mannschaftsdienlicher Fahrer bin.

Radsport aktiv: Für welches Team werden Sie im kommenden Jahr fahren?

Gerdemann: Das ist noch völlig offen. Ich stehe derzeit in Gesprächen mit einigen Teams und habe noch einige Optionen. Ich will mich weiter entwickeln und bei den Profis Fuß fassen. Dafür wäre ich bereit, auch in einem ausländischen Team zu fahren.

Radsport aktiv: In den letzten Wochen schlägt das Thema Doping im Profiradsport wieder hohe Wellen. Olympiasieger Tyler Hamilton etwa wurde gleich zwei mal positiv getestet...

Gerdemann: Fahrer, die sich dopen und manipulieren, bringen den gesamten Radrennsport in Verruf. Ich bin aber der Meinung, dass die meisten Fahrer sauber sind. Wenn von 200 Fahrern bei der Tour de France zwei oder drei positiv getestet werden, dann sollte man das schon kritisch betrachten, aber auch nicht verallgemeinern. Ich bin davon überzeugt, dass man auch ohne unerlaubte Unterstützung Top-Leistungen bringen und beispielsweise die Tour de France kann.

Radsport aktiv: Haben Sie ein sportliches Vorbild?

Gerdemann: Es gibt mehrere Fahrer, die ich wegen bestimmter Eigenschaften bewundere. Laurent Jalabert zum Beispiel: Der hatte sich vom reinen Sprinter zum Allrounder entwickelt und sogar das Bergtrikot der Tour gewonnen. Außerdem fuhr er immer spektakulär und aggressiv, versteckte sich nie im Feld. Und natürlich bewundere ich die Leistungsfähigkeit eines Lance Armstrong.

Weitere Radsportnachrichten

07.07.2025Sorgen um Girmays Knie nach Schlag gegen den Vorbau

(rsn) – Das Team Intermarché – Wanty hat auf der 2. Etappe der Tour de France lange Zeit gemeinsam mit Alpecin – Deceuninck die Führungsarbeit im Hauptfeld übernommen. Der Grund lag auf der H

06.07.2025Pogacar freut sich nach Auftakt-Wochenende auf das Bergtrikot

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat den Etappensieg in Boulogne-sur-Mer am zweiten Tag der Tour de France 2025 im Sprint gegen Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) verpasst

06.07.2025Das Geheimnis hinter den Siegen von Philipsen und van der Poel

(rsn) - Zwei Siege, zwei Gelbe Trikots, zwei Männer, die das, teils auch mit gemeinsamer Unterstützung erreicht haben – besser konnte der Auftakt dieser Tour de France für Alpecin - Deceuninck ka

06.07.2025Windkante oder Massensprint?

Wie am Tag zuvor führt auch die 3. Etappe vom Landesinneren nach Westen an die Küste. Das Profil ist dieses Mal aber sehr flach und es sieht auf dem Papier nach einer klassischen Sprintetappe aus, a

06.07.2025Buchmann beeindruckt an ungeliebten kurzen Rampen

(rsn) – Emanuel Buchmann vom Team Cofidis ist hinsichtlich seiner Qualitäten nun wirklich kein Puncheur an kurzen, knackigen Anstiegen. Und die gab es am zweiten Tag der 112. Tour de France (2.UWT)

06.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

06.07.2025Bei der Tour findet van der Poel seine Sprinterbeine wieder

(rsn) - Dass das Critérium du Dauphiné (2.UWT) der Tour de Suisse (2.UWT) als Vorbereitungsrennen Nummer eins auf die Frankreich-Rundfahrt den Rang abgelaufen hat, ist nichts Neues. Die Veranstalter

06.07.2025Lipowitz attackierte im Finale “einfach nach Gefühl“

(rsn) – Als der Sportliche Leiter von Red Bull – Bora – hansgrohe, Rolf Aldag, im Zielinterview der 2. Etappe der 112. Tour de France von Lauwin-Planque nach Boulogne-sur-Mer auf den Rennverlauf

06.07.2025Reusser holt sich das Auftaktzeitfahren beim Giro d’Italia

(rsn) - Marlen Reusser (Movistar) hat das Auftaktzeitfahren des Giro d´Italia Women gewonnen und sich das erste Rosa Trikot des Rennens gesichert. Die Schweizerin war auf dem 14,2 Kilometer langen Ku

06.07.2025Bahn-DM nach einem schweren Unfall abgebrochen

(rsn) - Die 138. Deutschen Meisterschaften im Bahnradsport in Dudenhofen (Rhein-Pfalz-Kreis) sind am Sonntag nach einem schweren Unfall im Keirin-Halbfinale abgebrochen worden. Wie der Veranstalter au

06.07.2025Pogacar: “Ich habe mich die letzen 400 Meter schon gefürchtet“

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat die 2. Etappe der 112. Tour de France über 209 Kilometer von Lauwin-Planque nach Boulogne-sur-Mer gewonnen und das Gelbe Trikot von seinem

06.07.2025Van der Poel bezwingt Pogacar und übernimmt Gelb von Philipsen

(rsn) - Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat sich auf der 2. Etappe der 112. Tour de France für die Sprintniederlage beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) gegen Tadej Pogacar (UAE – E

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Tour of Magnificent Qinghai (2.Pro, CHN)