Vorschau WM-Straßenrennen der Männer

Weit mehr als nur Pogacar gegen Evenepoel

Von Felix Mattis aus Zürich

Foto zu dem Text "Weit mehr als nur Pogacar gegen Evenepoel"
Tadej Pogacar (links) und Remco Evenepoel auf dem Podium der Tour de France 2024. | Foto: Cor Vos

29.09.2024  |  (rsn) – Das Straßenrennen der Männer (hier im Live-Ticker) beschließt am Sonntag die Weltmeisterschaften 2024 in Zürich. Und im Vorfeld des Highlights standen vor allem zwei Namen ganz oben auf der Favoritenliste: Remco Evenepoel (Belgien) und Tadej Pogacar (Slowenien).

Daran hat sich grundsätzlich auch im Verlauf der Woche nichts geändert. Doch Verlauf und Ausgang speziell des U23- sowie des Frauenrennens am Freitag und Samstag legen nah: Der Kampf ums Regenbogentrikot ist auf dem Züricher Rundkurs, den die Männer am Sonntag sieben Mal bewältigen müssen, vielleicht doch etwas offener.

Das 273 Kilometer lange Rennen über 4.470 Höhenmeter ist natürlich mit Abstand das schwerste der WM-Woche in der Schweiz. Aber eine Angelegenheit für Kletterer waren die Titelkämpfe bislang nicht – im Gegenteil: Niklas Behrens hat mit seinem Ritt zu Gold in der U23 gezeigt, dass auch schwerere Fahrer bestehen können. Und bei den Frauen zählen Silber-Medaillengewinnerin Chloe Dygert oder die sechstplatzierte Ruby Roseman-Gannon auch nicht unbedingt zur Kletterriege.

So ist bei den Männern der Name Mathieu van der Poel auf den letzten Drücker doch nochmal aufgestiegen im Ranking der Buchmacher (zur Startliste). Der Titelverteidiger gilt als die große Wundertüte für den Sonntag. Kommt er sieben Mal mit den besten Bergfahrern die bis zu 17 Prozent steile Zürichbergstraße hinauf und weiter hoch bis nach Witikon? "Ich sehe mich etwas unterhalb den Favoriten, aber es ist möglich", sagte van der Poel am Freitag selbst.

"Man muss bereit sein, wenn Tadej den Hammer fallen lässt"

"Man muss immer an seine Chancen glauben. Ich bin immer realistisch, also weiß ich, dass es schwer wird. Aber auch schwer ist möglich. Ich habe alles getan, was ich kann, um gute Beine zu haben und in Form zu sein", so der Niederländer, der aber nicht glaubt, dass die großen Kontrahenten ihn unterschätzen und wegfahren lassen werden. Von daher dürfte van der Poels Taktik klar sein: festbeißen und bergauf versuchen, irgendwie an Pogacar, Evenepoel & Co. dranzubleiben.

Auf dem Papier scheint das Rennen der Favoriten sehr berechenbar zu sein. Das meinte auch Evenepoel: "Tadej wird mit der Abrissbirne fahren. Gleich am Anfang der Runde kommt die steile Rampe und danach zieht es sich lange hoch. Er wird daraus eine sehr lange Attacke machen. Und dann gibt es später noch diese eine sehr steile Rampe. Das ist das Gute an diesem Kurs: Man weiß genau, wo etwas geht und wo nicht. Man muss nur bereit sein, wenn Tadej den Hammer fallen lässt", so der Belgier.

Das Streckenprofil des WM-Straßenrennens der Männer in Zürich. | Grafik: UCI

Der Weltmeister von Wollongong 2022 weiß aber, dass auch er selbst in die Offensive gehen muss. Lediglich Pogacar zu folgen und mit ihm auf die Zielgerade am Zürichsee zu kommen, das dürfte ihm das Regenbogentrikot wohl kaum bescheren. "Tadej hat schon mehrmals gezeigt, dass er der schnellere von uns beiden ist", erklärte Evenepoel. "Wenn ich wählen könnte, käme ich lieber nicht mit ihm zum Ziel. Aber das Rennen ist 280 Kilometer lang, da ist ein Sprint auch immer nochmal etwas anderes."

Würde Evenepoel mit Pogacar zusammenarbeiten?

Die Frage ist allerdings, was überhaupt passiert, wenn sich Pogacar und Evenepoel an den Anstiegen zu Beginn der 26,85 Kilometer langen Runde absetzen sollten. Denn: Vom höchsten Punkt sind es noch fast 20 Kilometer bis ins Ziel. Und Evenepoel deutete an, dass er nicht unbedingt mit Pogacar zusammenarbeiten würde. "Bei einer Rundfahrt ja, weil es da auch um die Gesamtwertung geht. Aber bei einer WM? Ich glaube ich hätte gutes Recht, auf den letzten Kilometern nicht mehr durch die Führung zu fahren", meinte er.

Und so ist das WM-Rennen der Männer dann eben doch viel spannender, als die Konzentration auf den scheinbar kleinen Favoritenkreis suggeriert. Denn eines hat die WM-Woche 2024 auch bereits gezeigt: Aufgeben darf man auf diesem Kurs nie. Es gibt immer noch die Chance, nochmal zurückzukommen. Das hat Paul Fietzke im Juniorenrennen gezeigt, und das haben auch Dygert und Roseman-Gannon im Finale der Frauen bewiesen. Entsprechend vergrößert sich der Favoritenkreis automatisch um all diejenigen, die ebenfalls gut über die Anstiege aus Zürich heraus kommen – und diese Liste ist sehr, sehr lang.

Ein paar sehr endschnelle Kletterer – und ein Sonderszenario

Viele Teams haben gleich mehrere Top-Kletterer mit dabei, einige sogar fast ausschließlich solche. Und unter diesen starken Bergfahrern sind auch noch einige dabei, die dann im Sprint einer Gruppe – wie am Samstag bei den Frauen – schnell sein könnten. Der Schweizer Lokalmatador Marc Hischi ist ein offensichtlicher Kandidat, Stephen Williams für Großbritannien ein anderer. Alle aufzuzählen, die aus einer taktischen Patt-Situation der Top-Favoriten Profit schlagen könnten, ist fast unmöglich.

Und dann gibt es da auch noch dieses eine andere Szenario: Eine starke Gruppe ohne die großen Favoriten, die sich früh absetzt und der dann niemand richtig hinterherfährt, weil die Top-Teams gute Fahrer darin platzieren können – beispielsweise Primoz Roglic für Slowenien und Maxim Van Gils für Belgien sowie noch je ein Mann aus den anderen großen Radsport-Nationen. 

Auch wenn sich im Vorfeld alles um Pogacar und Evenepoel sowie mit Abstrichen auch um van der Poel oder Hirschi dreht, auf den 273,9 Kilometern von Winterthur zum Sechseläutenplatz in Zürich scheint letztlich doch alles möglich. Die bisherigen Rennen der WM-Woche haben das deutlich gemacht.

Mehr Informationen zu diesem Thema

08.11.2024Radsport-Gemeinde nimmt Abschied von Muriel Furrer

(rsn) – Sechs Wochen nach ihrem Tod ist der im Alter von 18 Jahren im WM-Straßenrennen der Juniorinnen bei den Weltmeisterschaften von Zürich verunglückten Muriel Furrer in einem Abschiedsgottesd

05.10.2024Starkregen: 5. Etappe des CRO Race wird verkürzt

(rsn) – In Folge von heftigen Regenfällen, die in Kroatien viele Straßen unter Wasser setzten, haben die Organisatoren des CRO Race (2.1) in Kroatien die 5. Etappe verkürzen und den Start verschi

03.10.2024Kommentar: Auf Technologie zu verzichten, ist grob fahrlässig

(rsn) – Eine Woche ist vergangen, seit Muriel Furrer im WM-Straßenrennen der Juniorinnen in der Abfahrt durch die Schmalzgruebstrasse im Wald hinunter nach Küsnacht gestürzt ist und sich dabei ei

02.10.2024Offener Brief: Letten beklagen sich über van der Poels Aktion

(rsn) – Nach einer großartigen Vorstellung musste sich der Lette Toms Skujins am Ende des WM-Straßenrennens von Zürich im Sprint um die Bronzemedaille dem Niederländer Mathieu van der Poel gesch

01.10.2024Staatsanwaltschaft bestätigt: Furrer “gewisse Zeit“ unentdeckt

(rsn) – Erstmals haben sich die Kantonspolizei Zürich und die zuständige Staatsanwaltschaft zum tödlichen Unfall der Schweizerin Muriel Furrer geäußert. Die 18-Jährige hatte sich im WM-Straße

30.09.2024Merckx: “Pogacar ist der Allerbeste“

(rsn) – Mit seinem Triumph im WM-Straßenrennen von Zürich hat Tadej Pogacar eine weitere Rekordmarke erreicht. Wie vor ihm nur Eddy Merckx (1974) und Stephen Roche (1987) ist es dem Slowenen gelun

30.09.2024Evenepoel verpasst in Zürich sein zweites Gold-Double

(rsn) – Nach Olympia-Gold im Zeitfahren und im Straßenrennen träumte Remco Evenepoel auch vom weltmeisterlichen Double. Der erste Teil seines Vorhabens gelang dem Belgier, als er im Zeitfahren von

30.09.2024Van der Poel: “Es gab nur einen Ausnahmefahrer“

(rsn) – Tadej Pogacar und Remco Evenepoel hießen die großen Favoriten für das WM-Straßenrennen von Zürich. Dagegen wurden Titelverteidiger Mathieu van der Poel angesichts des schweren Kurses mi

30.09.2024Hirschi fährt smart, hat aber nicht das nötige Glück fürs Podium

(rsn) – Marc Hirschi war der große Hoffnungsträger der Schweizer Fans bei den Heim-Weltmeisterschaften in Zürich. Der 26-Jährige galt nach seinem überragenden Spätsommer mit sechs Siegen in 15

30.09.2024Alaphilippe kugelt sich bei WM-Sturz die Schulter aus

(rsn) – Bei seinem Sturz im frühen Stadium des WM-Straßenrennens hat sich Julian Alaphilippe die Schulter ausgekugelt. Das teilte sein Team Soudal – Quick-Sep noch am Sonntag mit. Der zweimalige

29.09.2024Pogacars “dummer“ Angriff endete im Regenbogentrikot

(rsn) – Statistisch war es nur die drittlängste Solofahrt im Straßenrennen der Männer aller Zeiten, aber das Feuerwerk, das Tadej Pogacar bei den Weltmeisterschaften in Zürich über die letzten

29.09.2024Zimmermann träumt nach Platz 15 in Zürich von mehr

(rsn) – Die deutsche Nationalmannschaft hat das gesteckte Ziel einer Top-10-Platzierung im WM-Straßenrennen von Zürich verpasst, konnte mit dem 15. Rang von Georg Zimmermann und einem taktisch gen

Weitere Radsportnachrichten

21.12.2024Schöne Highlights und ein sehr starker August

(rsn) – 22 Jahre ist Fabio Christen (Q36.5 Pro Cycling) alt, und der Schweizer kommt aus einer wahren Radsportfamilie. Schon sein Großvater gehörte zu den besten Straßensportlern und auch sein Va

21.12.2024Red-Bull-Sportchef Aldag über die Transfers von Lazkano und Co.

(rsn) – Es war abzusehen, dass Red Bull – Bora – hansgrohe auch in diesem Winter wieder allerhand Veränderungen am Kader für die neue Saison vornehmen würde. Neun Profis stoßen 2025 zum Team

21.12.2024Vandeputte mit Start-Ziel-Sieg zum ersten Weltcuperfolg

(rsn) – Dank einer technischen Glanzleistung hat Niels Vandeputte (Alpecin – Deceuninck) in Hulst nicht nur einen Start-Ziel-Sieg, sondern auch seinen ersten Weltcup-Erfolg gefeiert. Der Belgier w

21.12.2024Schreiber startet am schnellsten und bleibt bis zum Schluss vorn

(rsn) – Schnellstarterin Marie Schreiber (SD Worx – Protime) hat den Cross-Weltcup in Hulst mit einem Start-Ziel-Sieg für sich entschieden. Lucinda Brand (Baloise – Trek Lions) baute als Zweite

21.12.2024Knolle, Groß, John und Zemke zu rad-net - Rembe - Sauerland

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

21.12.2024Vom Niemandsland nach Alpe d’Huez in wenigen Monaten

(rsn) – Als Ruderin stand Valentina Cavallar schon bei den Olympischen Spielen am Start und ihr Einstieg in den Radsport kam dann doch sehr überraschend. Erst im April fand sie einen Platz bei der

21.12.2024“Riesige Erleichterung“: Auf dem Weg zurück zu alter Stärke

(rsn) – Er war noch nicht ganz wieder der Alte, doch nach zwei krankheitsbedingt schwarzen Saisons hat Maximilian Schachmann 2024 endlich erneut aufblitzen lassen können, wozu er fähig ist. Das ge

21.12.2024Van Empel muss Cross-Wochenende auslassen

(rsn) - Wegen eines Trainingssturzes muss Weltmeisterin Fem van Empel (Visma – Lease a Bike) die beiden Cross-Weltcups in Hulst und Zonhoven an diesem Wochenende auslassen. Wie die Niederländerin a

21.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

20.12.2024Meisterschaftsdoppel versöhnte nach Olympia-Enttäuschung

(rsn) – Die Olympischen Spiele in Paris hatten die Österreicherin Anna Kiesenhofer (Roland) wieder in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit zurückgeholt. Immer wieder wurde ihre Sensationsfahrt v

20.12.2024Van Aert kehrt in Mol zu seiner ersten Liebe zurück

(rsn) - Viel Zeit zur Vorbereitung konnte sich Wout van Aert (30) nicht gönnen. Nach nur drei Tagen im Cross-Training will der Belgier am Montag beim Superprestige in Mol starten. Der Cross-Vizeweltm

20.12.2024Van Schip wegen Drohungen und Beleidigungen gesperrt

(rsn) - Wegen "Beleidigungen, Drohungen und unangemessenem Verhalten“ bei der Bahn-WM in Ballerup (Dänemark) hat die UCI den Niederländer Jan-Willem van Schip vom 27. Dezember 2024 bis zum 1. Febr

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine