RSNplus“Nach heute bin ich wieder in der Weltspitze“

Déjà-vu: Lippert verpasst Bronze in starkem WM-Rennen knapp

Von Felix Mattis aus Zürich

Foto zu dem Text "Déjà-vu: Lippert verpasst Bronze in starkem WM-Rennen knapp"
Liane Lippert im WM-Straßenrennen 2024 in Zürich. | Foto: Cor Vos

28.09.2024  |  (rsn) – Es soll bislang wohl einfach nicht sein für Liane Lippert. Nach Rang fünf 2020 in Imola und Platz vier 2022 in Wollongong, wo sie die stärkste Fahrerin im Rennen zu sein schien, hat die Friedrichshafenerin eine Medaille bei den Straßen-Weltmeisterschaften der Elite auch 2024 in Zürich nur knapp verpasst.

Im Sprint einer sechsköpfigen Gruppe am Sechseläutenplatz ums Regenbogentrikot schob sie ihr Vorderrad nur knapp hinter Bronze-Medaillengewinnerin Elisa Longo Borghini (Italien) über den Zielstrich. Ganz im Gegensatz zu Wollongong war die 26-Jährige ob der verpassten Medaille diesmal aber nicht am Boden zerstört, sondern in gewisser Weise sogar glücklich.

"Ich war ja schon mal so nah dran, war schon mal Vierte. Und ich hätte heute so gerne eine Medaille mitgebracht. Am Ende haben die Körner gefehlt, die ich auf der Strecke liegengelassen habe. Ich bin aber auch nicht enttäuscht, weil ich ein Teil des Rennens war. Ich bin nach heute wieder in der Weltspitze angekommen", sagte Lippert im Ziel des verregneten Rennens frierend zu radsport-news.com. ___STEADY_PAYWALL___

Diese Erkenntnis, wieder zu den Besten zu gehören, war für sie an diesem Tag wohl am wichtigsten. Nach einem schweren Jahr, in dem sie wegen einer Ermüdungsfraktur im Bein erst Ende April überhaupt ins Renngeschehen eingestiegen war, machte vor allem Lipperts Auftritt auf den 154,1 Kilometern mit 2.384 Höhenmetern wieder Lust. "Einen so starken Willen wie heute hatte ich die ganze Saison über noch nicht", sagte sie.

Denn auch wenn Lippert im Juli in Chieti eine Giro-Etappe gewann und im August auf zwei Tour-Etappen jeweils Dritte wurde, so waren diese Ergebnisse eher das Resultat ihrer Sprintstärke am Ende von harten Etappen. In Zürich nun aber fuhr sie am Berg mit den Besten mit, verhielt sich in der Schlussrunde in der Favoritinnengruppe clever und drückte dem Rennen so ihren Stempel auf.

Bergauf waren nur Vollering und Longo Borghini stärker

"Jeder hat zu mir gesagt, fahre schlau, stehe nicht so oft im Wind, fahre am Hinterrad und nicht daneben. So habe ich das heute wirklich gemacht und abgewartet. Ich habe nur einmal viel investiert. Das war am Züricher Berg und danach habe ich noch eine Lücke zugefahren. Sonst habe ich mich zurückgehalten und keine unnötigen Sachen unternommen", fasste Lippert ihr Rennen zufrieden zusammen.

Franziska Koch (re.) leistete wichtige Positionierungsarbeit für Liane Lippert (2. von re.) und das deutsche Team. | Foto: Cor Vos

Als es in der letzten der vier Runden auf dem WM-Rundkurs die steile Zürichbergstraße aus der Innenstadt hinausging, blieb Lippert bei den Besten dabei und bildete mit Demi Vollering, Lotte Kopecky, Elisa Longo Borghini und Chloe Dygert ein starkes Quintett. Anschließend im etwas längeren Anstieg durch Witikon hindurch konnte sie kurzzeitig zwar nicht folgen, als sich Longo Borghini und Vollering lösten. Doch die Deutsche Vizemeisterin kämpfte sich über die Kuppe wieder an die beiden heran, als die gerade den Anschluss an die vier Spitzenreiterinnen Marianne Vos, Riejanne Markus, Ruby Roseman-Gannon und Justine Ghekiere geschafft hatten.

Taktisch klug durch die Schlussrunde gesurft

Als anschließend vor allem Vollering die Gruppe mit hohem Tempo verkleinern wollte und Hilfe von Longo Borghini bekam, verhielt sich Lippert clever. Sie saß hinten in der Gruppe, wartete ab und führte nicht mit, sondern ließ die italienisch-niederländische Connection in der Gruppe die Arbeit machen. Vor den beiden folgenden, kurzen, steilen Rampen vor der Abfahrt von Zumikon hinunter nach Küsnacht rückte sie in der Gruppe etwas auf, positionierte sich und ging dann scheinbar problemlos mit, als Vollering und die von hinten aufgeschlossene Kopecky nochmal attackierten.

Im Sprint um Gold war Lotte Kopecky (vo.) die klar Stärkste vor Chloe Dygert. Liane Lippert (re.) unterlag um Bronze nur hauchdünn Elisa Longo Borghini (2. von re.). | Foto: Cor Vos

Bis zum Ziel unten am Zürichsee blieb sie im Vergleich zu der höchst nervösen Vollering und der offensiven Longo Borghini zurückhaltend und ließ sich auch davon nicht aus der Ruhe bringen, dass auf dem Schlusskilometer Dygert und Roseman-Gannon nochmal von hinten an das pokernde Führungsquartett Vollering, Kopecky, Longo Borghini und eben sie selbst herankam.

Trotz Wollongong-Déjà-vu cool geblieben – aber die Kraft fehlte

Dieser Moment erinnerte nicht nur die Zusehenden etwas an Wollongong. Dort hatte in einer ähnlichen Situation Annemiek van Vleuten, von hinten herankommend, den WM-Titel errungen. Doch Lippert ließ sich von der Déjà-vu-Situation nicht aus der Ruhe bringen. "Ich habe mir gesagt: Okay, ich warte jetzt. Ich bin so oft zu früh losgesprintet", sagte sie zu radsport-news.com.

Und mit ihrem normalen Sprint wäre das wohl auch der richtige Weg gewesen, doch als Longo Borghini den Spurt um Gold dann eröffnete, hatte Lippert einfach nicht mehr den nötigen Punch, um der Italienerin auf der Linie noch Bronze wegzunehmen. "Es war echt knapp, aber die Beine – es ging einfach nicht mehr als das", so Lippert schließlich zum ZDF. Immerhin: Eine Medaille nimmt sie von der WM mit nach Hause – Silber aus der Mixed Staffel am Mittwoch.

Liane Lippert und Antonia Niedermaier (hinten) in der Mixed-Staffel auf dem Weg zu Silber. | Foto: Cor Vos

Mehr Informationen zu diesem Thema

17.03.2025Weltmeisterschaften in Zürich sorgen für Millionen-Minus

(rsn) – Die Straßen-Weltmeisterschaften in Zürich waren aus finanzieller Sicht ein Desaster. Wie der organisierende Verein Rad- und Para-Cycling-WM Zürich 2024 vermeldete, haben die Titelkämpfe

08.11.2024Radsport-Gemeinde nimmt Abschied von Muriel Furrer

(rsn) – Sechs Wochen nach ihrem Tod ist der im Alter von 18 Jahren im WM-Straßenrennen der Juniorinnen bei den Weltmeisterschaften von Zürich verunglückten Muriel Furrer in einem Abschiedsgottesd

05.10.2024Starkregen: 5. Etappe des CRO Race wird verkürzt

(rsn) – In Folge von heftigen Regenfällen, die in Kroatien viele Straßen unter Wasser setzten, haben die Organisatoren des CRO Race (2.1) in Kroatien die 5. Etappe verkürzen und den Start verschi

03.10.2024Kommentar: Auf Technologie zu verzichten, ist grob fahrlässig

(rsn) – Eine Woche ist vergangen, seit Muriel Furrer im WM-Straßenrennen der Juniorinnen in der Abfahrt durch die Schmalzgruebstrasse im Wald hinunter nach Küsnacht gestürzt ist und sich dabei ei

02.10.2024Offener Brief: Letten beklagen sich über van der Poels Aktion

(rsn) – Nach einer großartigen Vorstellung musste sich der Lette Toms Skujins am Ende des WM-Straßenrennens von Zürich im Sprint um die Bronzemedaille dem Niederländer Mathieu van der Poel gesch

01.10.2024Staatsanwaltschaft bestätigt: Furrer “gewisse Zeit“ unentdeckt

(rsn) – Erstmals haben sich die Kantonspolizei Zürich und die zuständige Staatsanwaltschaft zum tödlichen Unfall der Schweizerin Muriel Furrer geäußert. Die 18-Jährige hatte sich im WM-Straße

30.09.2024Merckx: “Pogacar ist der Allerbeste“

(rsn) – Mit seinem Triumph im WM-Straßenrennen von Zürich hat Tadej Pogacar eine weitere Rekordmarke erreicht. Wie vor ihm nur Eddy Merckx (1974) und Stephen Roche (1987) ist es dem Slowenen gelun

30.09.2024Evenepoel verpasst in Zürich sein zweites Gold-Double

(rsn) – Nach Olympia-Gold im Zeitfahren und im Straßenrennen träumte Remco Evenepoel auch vom weltmeisterlichen Double. Der erste Teil seines Vorhabens gelang dem Belgier, als er im Zeitfahren von

30.09.2024Van der Poel: “Es gab nur einen Ausnahmefahrer“

(rsn) – Tadej Pogacar und Remco Evenepoel hießen die großen Favoriten für das WM-Straßenrennen von Zürich. Dagegen wurden Titelverteidiger Mathieu van der Poel angesichts des schweren Kurses mi

30.09.2024Hirschi fährt smart, hat aber nicht das nötige Glück fürs Podium

(rsn) – Marc Hirschi war der große Hoffnungsträger der Schweizer Fans bei den Heim-Weltmeisterschaften in Zürich. Der 26-Jährige galt nach seinem überragenden Spätsommer mit sechs Siegen in 15

30.09.2024Alaphilippe kugelt sich bei WM-Sturz die Schulter aus

(rsn) – Bei seinem Sturz im frühen Stadium des WM-Straßenrennens hat sich Julian Alaphilippe die Schulter ausgekugelt. Das teilte sein Team Soudal – Quick-Sep noch am Sonntag mit. Der zweimalige

29.09.2024Pogacars “dummer“ Angriff endete im Regenbogentrikot

(rsn) – Statistisch war es nur die drittlängste Solofahrt im Straßenrennen der Männer aller Zeiten, aber das Feuerwerk, das Tadej Pogacar bei den Weltmeisterschaften in Zürich über die letzten

Weitere Radsportnachrichten

11.12.2025Decathlon: Mit neuem Co-Sponsor in neue Dimensionen

(rsn) – Mit dem Einstieg des Logistikriesen CMA CGM wachsen auch die Ambitionen: Die französische Equipe Decathlon - CMA CGM präsentierte am Donnerstag in Lille ihr Aufgebot und die hoch gesteckte

11.12.2025Die Trikots der WorldTour-Teams für die Saison 2026

(rsn) - Wie sieht das Peloton 2026 aus? Welche Farben werden in der kommenden Saison vorherrschend sein? Nach und nach stellen die WorldTour-Rennställe ihre Trikots für das neue Jahr vor - den Anfan

11.12.2025Evenepoel: “Wir wollen eine normale Saison bestreiten“

(rsn) – Nach der Streckenpräsentation des Giro d´Italia 2026 hätte man meinen können: Das ist etwas für Remco Evenepoel! Mit seinem flachen 40-Kilometer-Zeitfahren und nicht allzu vielen extrem

11.12.2025Wer fährt 2026 was?

(rsn) - Zum Jahreswechsel gibt es bei den Profiteams nicht nur zahlreiche Änderungen beim Personal, sondern auch in der Ausstattung. So endet die seit 2017 bestehende Partnerschaft zwischen Bahrain

11.12.2025Steht Onleys Wechsel zu Ineos unmittelbar bevor?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

11.12.2025Dem Karrierebuch ein neues Kapitel hinzugefügt

(rsn) – Eine Verletzung sorgte dafür, dass sich Carina Schrempf vor einigen Jahren dem Radsport zuwandte. Aus der Leichtathletin wurde eine Radsportlerin, die 2023 ihr Profidebüt bei Fenix – Dec

11.12.2025Roglic: “Lieber Vuelta-Sieger als Tour-Zweiter“

(rsn) – Den Traum vom Gesamtsieg bei der Tour de France wird sich Primoz Roglic nach menschlichem Ermessen nicht mehr erfüllen können. Dafür will sich der mittlerweile 36-jährige Slowene ein wei

11.12.2025Vermeersch: Red-Bull-Premiere im Gelände

(rsn) – Gianni Vermeersch wurde von Red Bull – Bora – hansgrohe als routinierter Edelhelfer für die Frühjahrsklassiker verpflichtet. Doch sein Debüt im Trikot des deutschen WorldTour-Rennstal

11.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

11.12.2025Grand-Tour-Premiere das Highlight einer guten Saison

(rsn) - Das große Ziel für diese Saison hatte sich Yannis Voisard bereits im vergangenen Jahr gesetzt. Ein Start bei einer Grand Tour sollte es werden. Diesen Punkt konnte der 27-Jährige 2025 abhak

11.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

10.12.2025Denk: “Ich sehe ähnliches Potenzial wie in der Formel 1“

(rsn) – Seit der Radsportweltverband UCI dem Projekt One Cycling im Juni eine offizielle Abfuhr erteilt und den darin involvierten Teams wohl sogar mit Lizenzentzug gedroht hat, ist es still um die

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)