Lotto-Profi hört mit 22 auf

Top-Talent Vervloesem wurde im Radsport nicht glücklich

Von Kevin Kempf

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Xandres Vervloesem (Lotto Soudal) beim Critérium du Dauphiné (2.UWT). | Foto: Cor Vos

27.12.2022  |  (rsn) – Spätastens als er 2017 die Schlussetappe des Juniorenrennens Aubel-Thimister-La Gleize gewann und dabei Mark Donovan (DSM), Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) und Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) hinter sich ließ, war klar, dass Xandres Vervloesem ein echtes Klettertalent ist. Doch rund vier Jahre später hängt der Profi von Lotto Soudal sein Rad an den Nagel. Radsport mache ihn nicht glücklich und er verfolge nun größere Ziele, verriet er dem belgischen Sportsender Sporza.

Nach seinem zweiten Jahr bei den Junioren, das er 2018 als Zehnter der Weltrangliste abschloss, konnte sich Vervloesem sein Team praktisch aussuchen. Er entschied sich für das DSM Development Team. “Der Spaß verschwand, als ich als 18-Jähriger dort landete. Plötzlich fand ich heraus, dass Radfahren viel mehr ist, als nur schnell Rad zu fahren. Daten bestimmten plötzlich mein Leben. Damit umzugehen fiel mir schwer“, erinnerte sich der Flame. “Schon in jungen Jahren wurde mit mir nur das Wort ‘Radfahrer‘ in Verbindung gebracht. Es ist gefährlich, sich darin zu verlieren. Ich habe wie ein Priester gelebt, weil ich dachte, Radrennen würden mich glücklich machen, aber glücklich war ich definitiv nicht“, fügte er an.

U23 – der Anfang vom Ende

Dass der Spaß weg war, wurde gleich im ersten U23-Jahr deutlich. Die Ergebnisse blieben aus und Vervloesem verließ DSM schon Ende August des gleichen Jahres. Das war aber noch nicht gleichbedeutend mit seinem Karriereende, denn 2020 kehrte er bei Lotto - Soudal U23 ins Peloton zurück – mit Erfolg! Nachdem er in der ersten Saisonhälfte nicht in Erscheinung trat, gewann er im September die Ronde de l’Isard (2.2U), eine der schwersten und wichtigsten Nachwuchsrundfahrten des UCI-Kalenders.

Folgerichtig stieg der Kletterer 2021 bei Lotto in die WorldTour auf. Doch sein Einstand dort verlief katastrophal. "Ich bin gleich bei Le Samyn gestürzt und habe das mental nie verkraftet. Ich hatte im Winter monatelang hart gearbeitet. Nach diesem Sturz hatte ich das Gefühl, dass alle meine Bemühungen umsonst waren", so Vervloesem, dessen zweiter Einsatz als Berufsradfahrer bei Nokere Koerse (1.Pro) ebenfalls auf dem Asphalt endete. Statt einer zweiwöchigen Rennpause wie bei Le Samyn, hatte dieser Sturz allerdings eine zweimonatige Wettkampfabstinenz zu Folge.

Für das Talent war das ein schwerer Rückschlag: "Ich lag hinter meinen eigenen Erwartungen zurück und fragte mich ständig, ob ich gut genug war. Ich habe gesehen, wie Gleichaltrige den Durchbruch schafften, während ich immer wieder auf der Stelle trat. Das hat einen gewissen Druck erzeugt - und das hat mich nicht glücklich gemacht". Auch bei seinem Comeback bei der Ronde van Limburg (1.1) blieb er nicht bis zum Schluss auf dem Rad sitzen, es folgte eine erneute Rennpause, die wieder zwei Monaten dauerte. In seiner ersten Saison hatte Vervloesem nur bei drei Rennen das Ziel gesehen.

Das Ende ist der Anfang etwas Neuen

2022 lief nicht viel besser. Zwar hatte er im Januar und Februar schon drei Rennen zu Ende gefahren, doch ab dem März stapelten sich die DNFs; nur Rund um Köln (1.1) fuhr er als 74. noch zu Ende. Dieses Mal waren nicht Verletzungen die Ursache, es war die Psyche. Der 22-Jährige hatte die Lust am Radsport verloren. “Als ich Profi war und meine Idole traf, verlor ich auch meine Leidenschaft für den Sport. Meine Idole erwiesen sich als normale Menschen mit vielen Unsicherheiten. Ich habe gesehen, wie ihr Leben als Spitzenradfahrer aussah und ich habe mich gefragt, ob ich das wirklich will“, erzählte Vervloesem.

Seine Antwort war eindeutig – und sie lautete “nein“. “Wenn ich weitergefahren wäre, hätte ich mir noch mehr Schaden zugefügt“, vermutete er. So endet eine hoffnungsvolle Karriere, bevor sie wirklich angefangen hatte. Doch der Belgier trauert nicht. Er hat bereits neue Pläne und will nächstes Jahr sein Studium der Umwelt- und Naturwissenschaften an der Universität Antwerpen wieder aufnehmen. "Mein Traum ist es, eines Tages an innovativen Technologien zur Aufbereitung von Abwasser und zur Bereitstellung von Trinkwasser mitzuarbeiten“, schloss er ab.

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