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11.06.2021 | (rsn) - Vor einigen Tagen hat Marcel Sieberg (Bahrain Victorious) seinen Rücktritt zum Saisonende angekündigt. Im Interview mit radsport-news.com blickte der 39-jährige Bottroper auf seine lange Karriere zurück und berichtete über seine Rolle als Edelhelfer für die Sprinter, über seine Freundschaft zu André Greipel und seine Pläne für die Zeit nach dem Profiradsport.
Sie haben sich entschlossen, nach 17 Jahren als Profi Ihre Karriere zu beenden. Wann fiel die Entscheidung?
Marcel Sieberg: Ende letzten Jahres habe ich einen Einjahresvertrag unterschrieben, der erste meiner Karriere, sonst waren es immer zwei Jahre. Weil ich jetzt schon 39 bin, kam im Winter schon die Überlegung auf, dass es meine letzte Saison sein könnte. Ich wollte im Winter richtig gut durchziehen, die Klassiker gut fahren. Jedes Rennen genießen, aber auch Leistung zu bringen. Nach den Klassikern habe ich mit meinem Teamchef gesprochen und habe ihm mitgeteilt, dass ich Ende des Jahres meine Karriere beenden möchte. Dann haben wir uns einen Zeitpunkt überlegt, um es öffentlich zu machen. Wir haben uns auf die Slowenien-Rundfahrt geeinigt, da sich hier der Service Course unseres Teams befindet.
Ihr bester Freund André Greipel fährt noch bis Ende 2022. War es nicht Ihr Wunsch, gemeinsam mit ihm aufzuhören?
Sieberg: Es war nie ein fester Plan. André hat ja auch für zwei Jahre unterschrieben. Mit 39 ist dann halt auch irgendwann die Zeit gekommen. Ich habe Teamkollegen, die sind halb so alt wie ich. Es gibt Momente auf dem Rad, in denen ich sage: So, es ist gut. Natürlich habe ich mit André darüber gesprochen, aber letztlich muss jeder selber wissen, wann die Karriere zu Ende sein soll. Und für mich war es klar, dass es Ende 2021 sein wird.
Sie waren über Jahre der zuverlässige, treue Helfer. Wurden Sie mit dieser Mentalität "geboren“ oder gab einen Punkt in ihrer Karriere, an dem Sie sagten: Lieber ein Top-Helfer als ein mittelprächtiger Ergebnisfahrer?
Sieberg: Für mich war es relativ früh klar, spätestens mit dem Wechsel zu Milram 2007, wo es Jungs wie Ete (Erik Zabel) und (Alessandro) Petacchi gab. Da ging es erst mal ums Lernen und in den Leadout-Train zu kommen. Das habe ich gut geschafft und habe mit Milram auch meine erste Tour bestritten. Ich habe relativ früh mit den Sportlichen Leitern Jan Schaffrath und Rolf Aldag von Telekom gesprochen, sie haben gefragt, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte. Und darauf hin bin ich ein Jahr früher zum Telekom-Nachfolger gewechselt, denn eigentlich hatte ich bei Milram noch ein Jahr Vertrag. Ursprünglich lag bei Highroad mein Fokus als Helfer im Leadout für Gerald Ciolek, mit dem ich schon bei Wiesenhof zusammengefahren war. Aber es hat sich dann einfach so ergeben, dass ich immer mehr Rennen mit André gefahren bin. Und das hat super geklappt. Dann die elf Jahre mit André…man wächst in eine Position rein, macht das, was man am besten kann. Ich war da auch nie neidisch, unser Zusammenspiel hat super funktioniert. Radsport ist ein Teamsport und ich habe eine sehr gute Position eingenommen, mit der ich auch sehr zufrieden war in all den Jahren.
Sie haben in Ihrer Helferrolle immer einen sehr zufriedenen Eindruck gemacht. Blickten Sie jetzt kurz vor dem Karriereende doch mit etwas Wehmut darauf zurück, dass Sie so selten persönliche Ergebnisse erzielen konnte?
Sieberg: Ich habe mir nie irgendwelche Fragen gestellt, was gewesen wäre, wenn ich auf eigene Kappe gefahren wäre. Wehmut kam nie auf. Ich war als Helfer zufrieden. Klar, ich kann mich an eine Deutsche Meisterschaft im Allgäu erinnern, als ich am Ende noch mal attackiert habe und erst 800 Meter vor dem Ziel gestellt wurde. Natürliich wäre es schön gewesen, das Meistertrikot zu gewinnen. Aber dadurch, dass André das Rennen gewonnen hat, sind mir auch die Bilder im Kopf geblieben, wie wir uns nach dem Rennen in den Armen liegen. Wenn André ein Rennen gewonnen hat, war es für mich so, als hätte ich selbst gewonnen. Man gewinnt als Mannschaft, aber natürlich stehen dann André oder zuletzt Phil (Bauhaus) auf dem Podium. Aber so ist es halt, nur einer kann gewinnen.
Die großen Stars der Teams stehen im Rampenlicht, müssen aber auch noch mehr Druck aushalten, da sie an Ergebnissen gemessen werden. Hatten Sie als Helfer das ruhigere Leben?
Sieberg: Als Helfer hat man minimal weniger Druck, aber es ist nicht so, dass man zu Hause nicht trainieren muss. Man will ja seinem Kapitän bestmöglich helfen, entsprechend macht man sich selbst ja auch viel Druck. Da ist mein Ehrgeiz schon sehr groß. Selbst wenn André oder Phil Rennen gewonnen haben, ich aber nicht das dazu beitragen konnte, was ich eigentlich wollte, dann war ich schon auch sehr unzufrieden mit mir. Selbst wenn wir abends miteinander angestoßen haben, habe ich da noch ein bisschen mit mir gehadert.
Auf welche sportliche Leistung sind Sie besonders stolz?
Sieberg: Wir haben viele schöne Ergebnisse eingefahren, ich weiß gar nicht, bei wie vielen Siegen ich dabei war. Klar, die Siege bei den Deutschen Meisterschaften waren speziell, weil wir immer nur zu Zweit am Start waren, die Siege auf den Champs Elysees bei der Tour de France waren aber auch sehr besonders. Ich bin persönlich stolz auf meinen siebten Platz bei Paris-Roubaix, auch wenn mir zwei Minuten nach dem Rennen durch den Kopf ging, was ich hätte besser machen können. Es hat mich geärgert, dass ich auf einem Pflasterstück nicht am richtigen Hinterrad war und dann ein Stück hinter den Spitzenfahrern war. Ich denke, an diesem Tag hätte ich mit etwas mehr Glück mit den Besten ins Velodrome einfahren können. Aber am Ende ist man immer schlauer. Insgesamt kann ich mit meiner Karriere schon zufrieden sein.
Was war Ihr traurigster Tag als Sportler?
Sieberg: Einer der traurigsten Tage war der Tag, an dem mein Teamkollege Stig Broeckx bei der Belgien-Rundfahrt schwer gestürzt ist. Ich war auch fast in den Sturz verwickelt, habe es gerade so vorbei geschafft. Als ich wieder im Feld war, wurde das Rennen neutralisiert und nach langem Warten haben wir erfahren, dass Stig mit dem Helikopter ins Krankenhaus gebracht worden ist. Wir sind dann auf dem kürzesten Weg ins Ziel gerollt. Das waren schon schwere letzte Kilometer, weil man sich nen Kopf gemacht hat. Auch der tödliche Sturz von Bjorg Lambrecht bei der Polen-Rundfahrt war eine sehr schlimme Zeit. Man hat sich lange einen Kopf gemacht. Es war aber auch keine einfach Situation, als klar war, dass André und ich nach elf tollen gemeinsamen Jahren getrennte Wege gehen würden. Aber da ging es immerhin nicht um Leib und Leben.
In welchem Team haben Sie sich am wohlsten gefühlt?
Sieberg: Ich habe mich in jedem Team wohlgefühlt. Bei Lamonta hatte ich ein schönes Jahr, auch Wiesenhof und Milram, dann die drei Jahre mit Highroad, das war das beste Team der Welt zu der Zeit. Die acht Jahre bei Lotto waren extrem schön, auch weil wir da die meisten und größten Siege gefeiert haben. Das war eine super Truppe, wir im Sprintzug waren alle gute Freunde. Bei Bahrain sind wir auch eine coole Truppe, mit Heino (Heinrich Haussler) und Phil macht es super viel Spaß. Hier bin ich in den drei Jahren zwar keine Grand Tour gefahren, dafür mal hier und da eine Rundfahrt, die ich zuvor noch nicht gefahren bin. Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Aber es war kein Team und kein Jahr dabei, in dem es absolut nicht gepasst hat. Es gab in jedem Jahr schöne Momente.
Wer war Ihr schrägster Teamkollege?
Sieberg: Ich hatte sehr viele Teamkollegen in den 17 Jahren. Auf die schnelle fällt mir Adam Hansen ein, bei Lotto unser Tüftler und Bauer. Ich habe gar nicht mehr nachgefragt, was er noch so alles nebenbei macht. Ich glaube, Radsport war sein Hobby. Er hat nachts stundenlang irgendwelche Sachen auf dem Computer rumgetippt. Für ihn war der Tag mit 24 Stunden definitiv zu kurz. Er war ein sehr spezieller, aber auch sehr lieber Mensch und Teamkollege. Ansonsten ist ja jeder Mensch etwas speziell in seiner Machart.
Wann haben Sie André Greipel kennen gelernt?
Sieberg: Wir sind beide 82er Baujahr. Wann ich ihn das erste mal gesehen habe, kann ich gar nicht mehr sagen. Es müssen irgendwelche U13-Schülerrennen gewesen sein, wo André mit seinem PSV Rostock und dem roten Bus angekommen ist, wir müssen etwa zehn Jahre alt gewesen sein. Wir sind das eine oder andere Rennen gegeneinander gefahren. Wenn man älter wird und auch in der Nationalmannschaft gemeinsam fährt, da sind dann schon auch noch gute Erinnerungen vorhanden. Zum Beispiel bei den Junioren sind wir mal in einem Rennen zu Zweit weggefahren, ich gewinne die Etappe und André wird Zweiter. Solche Momente festigten die Freundschaft.
Stellte Ihre Freundschaft in sportlicher Hinsicht auch mal ein Problem dar?
Sieberg: Das war nie ein Problem. Jeder von uns hatte mal einen nicht perfekten Tag, das ist einfach nur menschlich…wenn er einen Sprint verhauen hat oder ich das Anfahren… Ich glaube, wir beide sind Menschen, die sich nicht gegenseitig anschreien. Das haben wir sehr loyal geregelt. Bei so etwas ist André ein Gentleman, es ist menschlich, Fehler zu machen.
Wie groß war die Umstellung, nach elf gemeinsamen Jahren nicht mehr André Greipel die Sprints anzuziehen, sondern nun Phil Bauhaus?
Sieberg: Wir mussten uns mal einspielen. Wir hatten auch nicht sechs, sieben Mann für den Sprint, sondern wir waren höchstens zu dritt. Da kann ich mich an das erste Jahr 2019 erinnern, als ich Phil bei belgischen Rennen so lange aus dem Wind gehalten habe, dass mein Rennen drei Kilometer vor dem Ziel vorbei war, weil ich die ganzen Körner zuvor vergeuden musste und keinen Leadout machen konnte. In den letzten Rennen hatten wir ein, zwei Fahrer mehr für den Sprint, da kann man schon mehr ausrichten, das haben die letzten Rennen auch gezeigt. Wenn Phil die volle Unterstützung bekommt, kann er auch die Rennen gewinnen wie zuletzt.
Werden Sie Ihre letzten Rennen nun genießen und es locker ausrollen lassen?
Sieberg: Wer mich kennt weiß, dass ich bis zum Schluss alles gebe. Mein Ziel sind Rennen wie Poleb-Rundfahrt, DeutschlandTour, Hamburg Cyclassics, BinckBank und hinten raus Paris-Roubaix, das sind schöne Rennen, die mir liegen, die Phil liegen. Da habe ich tierisch Lust drauf. Ich will die letzten Rennen genießen, aber auch 110 Prozent für Phil geben. Mit einer super Unterstützung wie in den letzten Rennen hoffe ich, dass noch ein paar Siege folgen. Ich hoffe, dass Roubaix mein letztes Rennen sein wird, aber vielleicht werde ich danach auch noch die Saudi Tour mit Phil fahren, die er im letzten Jahr gewonnen. Da ist nicht viel Zeit zum Ausrollen.
Was hat sich im Verlauf Ihrer Profizeit am meisten verändert?
Sieberg: Es gibt immer mehr Rennen, die schwer zu kontrollieren sind. Früher war klar, dass gewisse Etappen im Sprint enden würden. Heute kann es sein, dass ein Team durchdreht und an einem Hügel attackiert. Hier und da gibt es auch weniger Respekt im Feld, auch gegenüber den erfahrenen Fahrern im Feld. Aber klar, die jungen Fahrer wollen sich beweisen, die wollen nach oben und stecken deshalb nicht zurück. Es hält sich eigentlich im Rahmen, auch wenn generell schon aggressiver gefahren wird.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Sieberg: Ich würde dem Radsport gerne treu bleiben. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, als Sportlicher Leiter zu arbeiten, vor allem mit jungen Leuten. Ich ertappe mich im Training schon dabei, mich in die Position des Sportlichen Leiters hineinzuversetzen. Meine Erfahrung würde ich gerne weitergeben. Aber es gibt noch keine konkreten Pläne, ich lasse mich da überraschen. Ich wollte mit der Ankündigung vom Karriereende nicht bis Oktober warten, weil ich einfach auch schauen will, was in den nächsten Wochen und Monaten für Angebote reinkommen und mir bei der Entscheidung Zeit lassen.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Sieberg: Ich werde mein Leben lang Radfahren, aber ich werde keine Intervalle mehr fahren oder extrem lange Touren machen. Ich war auch kein Profi, der in den letzten 17 Jahren auf Diät war und sich jetzt darauf freut, essen zu können, was ich will. Schön wird sein, dass ich nicht mehr jeden Tag an das Adams-System (Anti-Doping-Meldesystem, d. Red.) denken muss. Ich kann mich dann freier bewegen, mich einfach mal mit Freunden treffen. Auch als Sportlicher Leiter ist man viel unterwegs, sitzt aber, wenn man zu Hause ist, nicht mehr den ganzen Tag im Sattel. Vor allem möchte ich viel Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbringen. Die Abschiede fielen mir da schon immer sehr schwer, vor allem, wenn sie fragten: Papa, wie lange bist du jetzt weg? Meine Frau und meine Kinder haben genug auf mich verzichtet, ihnen gehört jetzt mein Hauptaugenmerk.
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