Der große Kampf zwischen Quintana und Froome

Herz gegen Hirn um den Vuelta-Sieg

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Herz gegen Hirn um den Vuelta-Sieg"
Das große Duell Quintana gegen Froome - hier bei der Tour 2016.| Foto: Cor Vos

30.08.2016  | 

(rsn) - Chris Froome (Sky) ist ein kühler Taktiker, der seine Siege vorher plant und sich dabei pulsgesteuert vom Computer Richtung Ziel bewegt. Bei der Tour ließ Froome mit einigen wilden Attacken in der Abfahrt und an der Windkante aufhorchen, aber bei der Vuelta ist er zu seiner berechnenden Fahrweise zurückgekehrt. Ganz anders dagegen Nairo Quintana, der seine Attacken scheinbar emotional abfeuert. Deshalb lautet wohl diesmal die große Frage: Herz oder Hirn – wer gewinnt die Vuelta?

Nach der ersten Woche der Spanien-Rundfahrt deutet vieles auf einen Zweikampf der beiden so unterschiedlichen Charaktere hin, der schon bei der Tour de France erwartet worden war. Nur 58 Sekunden trennen den Mathematiker aus Großbritannien und den emotionalen Kolumbianer nach den ersten zehn Etappen.

Was uns in den kommenden Tagen erwartet, konnte man auf dem gestrigen Tagesabschnitt sehen. Chris Froome schien im zwölf Kilometer langen Anstieg hinauf zu den Lagos de Covadonga immer wieder auf die Watt- und Pulszahlen zu schauen, die ihm sein Radcomputer anzeigte und fuhr, wie schon auf der 3. Etappe am Mirador de ìzaro genau nach Plan sein Tempo, während Quintana immer wieder versuchte, seine Begleiter durch Rhythmuswechsel und zermürbende Attacken abzuschütteln.

Sieben Kilometer vor dem Ziel sah der Brite bei 45 Sekunden Rückstand auf Quintana wie der große Verlierer des Tages aus. „Ich fuhr das Tempo, mit dem ich mich am wohlsten fühlte“, erklärte Froome hinterher, der bestritt, dass er sich dabei ausschließlich von seinem Powermeter leiten ließ. Froome: „Ich richtete mich mehr nach meinem Gefühl.“
 
Allerdings gab er auch zu: „Es kümmerte mich nicht, was um mich herum vorging. Ich fuhr ganz in Ruhe, wie es für den 35-minütigen Anstieg am besten war. Ich sah ja, dass andere wieder zurückkamen, die zu schnell begonnen hatten. Ich richtete mich nach meinen Teamkollegen, die heute einen ganz tollen Job gemacht haben“, lobte er Peter Kennaugh und Leopold König, die ihm zu Beginn das Tempo vorgegeben hatten. Exakt genauso klang er bereits an Tag 3: "Man weiß ja, dass der Anstieg sieben Minuten lang ist", sagte er dort.

Froome nun: „Die Fahrer wieder einzuholen, war gut für die Moral. Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt der Saison, nach Tour und den Olympischen Spielen, sehr weh tat.“ Dabei übersieht der Brite auch nicht: „Nairo befindet sich in großer Form. Das hat er schon in den letzten Tagen bewiesen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Platz, auf dem ich mich gerade befinde und hoffe, dass ich in den nächsten Tagen die Chance habe, meine Position zu verteidigen.“ Um dann spätestens im Zeitfahren der 19. Etappe den großen Angriff auf den Vuelta-Sieg starten zu können.

Mit 57 Sekunden Rückstand auf den Kolumbianer belegt der Toursieger aktuell Rang drei in der Gesamtwertung.  „Das ist schon ein großer Abstand“, weiß Froome der hofft: „Es wäre ideal, bis zum Zeitfahren, noch etwas gut zu machen.“

Das wird Quintana mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Der Tour-Dritte genoss seinen Etappensieg und die Zurückeroberung des Roten Trikots in vollen Zügen. "Natürlich ist das gut gelaufen heute. Wir hatten uns den Etappensieg vorgenommen. Die ganze Mannschaft arbeitete super. Ruben Fernandez hat den Angriff gut vorbereitet. Ich habe da nicht extra auf Froome geguckt. Der Zeitpunkt zu attackieren, war einfach gut. Alberto hat dann auch noch angegriffen."
 
Dass Froome, der schon abgehängt schien, wieder immer näher kam, motivierte ihn zum eigenen Angriff. „Ja, Froome ist Froome! Als der Rückstand immer mehr schmolz und ich auch sah, dass Alberto (Contador, d. Red.) nachließ, musste ich einfach beschleunigen. Ich bin glücklich, wie es gelaufen ist, auch darüber, dass ich mich offenbar besser fühle als Froome. Ich hatte den ganzen Tag schon ein gutes Gefühl."

Doch auch der kleine Bergspezialist ist nicht mehr in Topform. „Nein, frisch fühle ich mich nicht. Die Saison ist ja schon lang, und ich habe auch die Tour in den Beinen. Aber die Verfassung ist generell gut und ich freue mich, das Trikot wieder zu haben. Ich weiß aber auch, dass noch viele schwere Tage kommen.“ 
Deshalb stellte er auch fest: „Morgen haben wir zum Glück einen Ruhetag."

Und danach geht die Vuelta mit der nächsten Bergankunft weiter!

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