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12.07.2012 | La Toussuire (dapd) - Mit versteinerter Miene startete Cadel Evans (BMC) nach Überquerung der Ziellinie gleich durch, steuerte das nur 200 Meter entfernte liegende Hotel "Les Airelles" an und verschwand wortlos in der Lobby seines Alpenquartiers. Die Reiseplanung der 99. Tour de France meinte es auf der Königsetappe mit dem geschlagenen Vorjahressieger gut. Nach seiner bitteren Niederlage konnte der Australier auf galante Weise den Dutzenden Kamerateams entfliehen. Zu sagen hatte Evans ohnehin nichts mehr nach seinem schwarzen Tag in den Alpen.
Denn auf der 11. Etappe über 148 Kilometer von Albertville nach La Toussuire, die der Franzose Pierre Rolland (Europcar) im Alleingang gewann, hat Evans womöglich die Tour schon verloren. Bradley Wiggins (Sky) wollte er auf den Rampen in den Alpen aus dem "Maillot jaune" fahren, am Ende war er selbst der Geschlagene. 1:26 Minuten verlor Evans auf den 32 jahre alten Briten, der als Sechstplatzierter seine Spitzenposition recht souverän verteidigte.
Im Gesamtklassement ist der "Aussie", der gut vier Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen musste, 3:19 Minuten zurück nur noch Vierter. So erscheint angesichts der Überlegenheit von Wiggins und seines britischen Kronprinzen Christopher Froome das Unternehmen Titelverteidigung aussichtslos.
Wiggins, der mit allen weiteren Spitzenfahrern eine knappe Minute hinter dem 25-jährigen Rolland das Ziel erreichte, liegt nach der ersten Hochgebirgsetappe dieser Tour nun 2:05 Minuten vor Froome. Der Italiener Vincenzo Nibali (Liquigas-Cannondale), der zweimal erfolglos am Schlussanstieg attackiert hatte, ist 2:23 Minuten zurück nun Dritter.
"Als wir Cadel abgehängt und nur noch ein paar Kilometer vor uns hatten, war die Erleichterung überwältigend. Ich wusste, dass die Etappe gelaufen war. Es war die härteste Etappe der Tour. Wir haben überhaupt nicht erwartet, dass wir Cadel Zeit abnehmen. Ich war überrascht", sagte Wiggins nach dem Rennen.
Unbezwingbar scheint der Träger des Gelben Trikots aber nicht, geriet er doch kurze Zeit in Schwierigkeiten, als nach einem taktischen Fauxpas im Schlussanstieg sein Helfer Froome das Tempo angezogen hatte und der Kapitän nicht mehr folgen konnte. Doch der Vuelta-Zweite wurde schnell von seinem Team wieder zurückgepfiffen. "Ich weiß, dass es eine Hierarchie gibt und ich mich dieser unterordnen muss. Das ist ein Fragment zum Toursieg", sagte Froome, der im Finale der Etappe einen besseren Eindruck hinterließ als Wiggins udn alle anderen Favoriten.
Jubeln durfte aber nicht nur die Sky-Mannschaft, auch Rolland strahlte wie im Vorjahr nach seinem Sieg in Alpe d'Huez. "Ich habe alles für diesen Tag investiert. Ich bin am Ende meiner Kräfte", sagte der 25-Jährige. Auf dem 18,8 Kilometer langen und durchschnittlich 6,1 Prozent steilen Schlussanstieg hatte er sich aus der zu diesem zeitpunkt noch vierköpfigen Spitzengruppe gelöst und war seinem zweiten Etappensieg allein entgegengefahren. 55 Sekunden zurück fuhren sein 22-jähriger Landsmann Thibaut Pinot (FDJ-BigMat) und Froome auf die Plätze zwei und drei.
Im Kreis der Favoriten ging es erstmals gut 64 Kilometer vor dem Ziel zur Sache, als Evans am Col de la Croix de Fer (HC) attackierte. Doch nach nur fünf Kilometern war das Unterfangen wieder beendet. Es reichte allerdings, um Fahrern mit gehobenen Ansprüchen wie dem Vorjahresdritten Frank Schleck oder dem früheren Tourzweiten Andreas Klöden in Schwierigkeiten zu bringen.
Die beiden RadioShack-Profis gehören ohnehin zu den Verlierern der diesjährigen Tour. Einer der Gewinner aus dem Luxemburger Top-Rennstall, der Schweizer Olympiasieger Fabian Cancellara, hat indes am Donnerstag die Heimreise angetreten. Der Schweizer Prologsieger, der an den ersten sieben Tagen das Gelbe Trikot getragen hatte, erwartet mit seiner Frau Stefanie die Geburt ihres zweiten Kindes.
Am Freitag verabschiedet sich der Tour-Tross wieder aus den Alpen. Die 12. Etappe, die mit 226 Kilometern die längste der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt ist, führt von Saint-Jean-de-Maurienne nach Annonay-Davezieux in die Weinregion Ardeche. Die Etappe ist dabei wie geschaffen für Ausreißer, da die Schwierigkeiten des Tages, der Col du Gran Cucheron und der Col du Granier, schon nach 80 Kilometern gemeistert sind.
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