RSNplusIn Belgien kocht die Volksseele hoch

Vingegaard: Unterlassene Hilfeleistung für van Aert?

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Vingegaard: Unterlassene Hilfeleistung für van Aert?"
Wout van Aert (vorn) und Jonas Vingegaard (beide Jumbo - Visma) auf der 2. Etappe der Tour de France | Foto: Cor Vos

02.07.2023  |  (rsn) – Die großen Verlierer des Grand Départ sind EF Education – EasyPost und Movistar, deren Kapitäne Richard Carapaz und Enric Mas bereits auf der 1. Etappe der Tour de France verletzt ausgeschieden sind. Doch knapp dahinter folgt schon eine Mannschaft, die im Teamklassement sogar ganz vorn steht: Jumbo – Visma, wenn man die Niederländer an den eigenen Maßstäben misst.

Denn Jumbo - Visma hat gleich mehrere Probleme. Obwohl die beiden ersten Teilstücke bis kurz vor dem Ziel perfekt für Wout van Aert liefen, reichte es nicht zum Etappensieg. Zudem wird spekuliert, dass es dem Team an Zusammenhalt mangele. Vor allem in der belgischen Presse und – natürlich – den Sozialen Medien geht es hoch her.

___STEADY_PAYWALL___

Die Kritik richtet sich ausgerechnet gegen Kapitän Jonas Vingegaard. Der Titelverteidiger reihte sich zum Auftakt nicht in den Jumbo-Zug ein, um in Bilbao einen Sprint für van Aert zu ermöglichen. So blieben die Yates-Brüder vor der Verfolgergruppe und machten den Sieg unter sich aus. Prompt hagelte es Kritik.

Kommentatoren-Legende äußert Kritik

Nach der 1. Etappe schrieb die belgischen Kommentatoren-Legende Michel Wuyts in seiner Kolumne für die flämische Zeitung Het Laatste Nieuws: ”Van Aert stellt sich dienstlich auf und ist ein Teamplayer. Bei seinem Kapitän ist das scheinbar viel weniger der Fall. Früher habe ich Stars wie Jan Ullrich und Bradley Wiggins im Dienst anderer fahren sehen“, erinnerte er sich an ehemalige Toursieger, die ihren Sprintern Erik Zabel und Mark Cavendish im Finale halfen. “Warum macht Vingegaard nichts für van Aert? Ich verstehe es einfach nicht! Er hat mich doch ein wenig enttäuscht“, fügte er an.

Im Finale der 2. Tour-Etappe musste Wout Van Aert (Jumbo – Visma) im Sprint versuchen, die Lücke zu Victor Lafay (Cofidis) schließen. Dennoch rettete sich der Franzose knapp vor dem Belgier ins Ziel. | Foto: Cor Vos

Dieser Beitrag wurde auf Facebook und Twitter oft geteilt und erfuhr viel Zustimmung, die meist deutlich weniger durchdacht und differenziert geäußert wurde, als der Journalist es getan hatte. Allerdings muss dabei auch erwähnt werden: Van Aert hatte sich am Samstag auch nicht am Sprint um Platz drei beteiligt. So gelang es Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), dort die letzten vier Bonussekunden zu gewinnen und somit Zeit gegenüber Vingegaard gutzumachen.

Auf der 2. Etappe schlug dann Victor Lafay (Cofidis) nach einer Attacke auf dem Schlusskilometer van Aert ein Schnippchen - und Vingegaard sah quasi tatenlos zu. José de Cauwer, früher Co-Kommentator von Wuyts und im Gegensatz zu ihm noch immer am Mikrofon des TV-Senders tätig, wurde danach in seiner Analyse sehr deutlich. “Van Aert musste selbst Lücken zufahren. Nach allem, was Wout für Jumbo – Visma geleistet hat, hätte Vingegaard ein bisschen mehr Mannschaftskollege sein müssen“, befand er und vermutete: “Darüber wird heute Abend bei Jumbo sicher gesprochen werden.“

Daraufhin explodierte auf der Facebookseite von Sporza die Kommentarleiste förmlich. Mehr als 1000 Beiträge kamen in wenigen Minuten zusammen, nicht wenige davon in einer ausgesprochen unfreundlichen Ausdrucksweise verfasst, um es vorsichtig zu formulieren.

Gibt es Konsequenzen bei Jumbo – Jumbo?

Vingegaard empfand die Kritik im Gespräch mit dem niederländischen Radsportportal wielerflits als ungerecht. "Ich finde das nicht fair. Ich denke, dass ich Wout schon sehr geholfen habe, indem ich nicht mit Pogacar mitgefahren bin”, erklärte er und spielte damit auf die Szene am Jaizkibel (2.Kat.) an, wo sich Pogacar vor ihm die maximal möglichen acht Bonussekunden geholt hatte. In der Abfahrt reagierte der Däne aber nicht auf Pogacars Aufforderung, sich an der Tempoarbeit zu beteiligen. So wurde das Duo wieder eingeholt. “Ich muss mich voll auf die Gesamtwertung konzentrieren. Das steht manchmal im Gegensatz zu Wouts Ambitionen. Wir wollten heute aber unbedingt, dass Wout gewinnt, entsprechend enttäuscht sind wir", meinte Vingegaard weiter.

Als Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, vorn) in der Abfahrt vom Jaizkibel attackierte, beteiligte sich Vingegaard nicht an der Tempoarbeit, so dass die beiden Ausreißer wieder von der Gruppe um van Aert gestellt wurden. | Foto: Cor Vos

Sein Sportlicher Leiter Frans Maassen äußerte im Gespräch mit dem niederländischen Rundfunk NOS nachträgliche Zweifel an der eigenen Taktik: "Jonas hat sich komplett auf Pogacar konzentriert. Rückblickend hätte er vielleicht aber schon helfen können.” Allerdings erklärte er auch, dass die Tour de France kein Playstation-Spiel sei. Trotzdem lässt sich vermuten, dass die Jumbo-Ausrichtung in den nächsten Tagen etwas anders aussehen wird, auch wenn Grischa Niermann gegenüber der belgischen Zeitung Het Laatste Nieuws doppeldeutige Andeutungen machte.

"Zwei Chancen auf den Etappensieg sind jetzt verstrichen, aber es gibt noch mehr. Jeder kann sehen, dass er (van Aert) in Form ist. Wenn das hier der Fehler von irgendjemandem ist, dann von mir”, sagte der deutsche Sportdirektor mit Blick auf das Finale von San Sebastian selbstkritisch. Andererseits meinte Niermann aber auch: ”Es war einfach nicht möglich, dass Vingegaard für Van Aert arbeitet. Wir sind hier, um mit Jonas die Tour zu gewinnen, also muss er an Pogacars Hinterrad sitzen."

Van Aert in San Sebastian stinksauer

Van Aert selbst machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Nachdem er Lafay nicht mehr hatte stellen können und sich mit Rang zwei zufrieden geben musste, schlug er wütend auf seinen Lenker und schleuderte Sekunden später seine Trinkflasche wutentbrannt auf den Asphalt. Der Belgier, der sich normalerweise auch bei Niederlagen immer freundlich und sachlich den Fragen stellt, ging diesmal wortlos an den Medienvertretern vorbei, stieg ins Teamauto, schlug die Tür zu und ließ sich zum Hotel bringen.

Lafay jubelt – van Aert ist sauer: Das Bild vom Zieleinlauf in San Sebastian. | Foto: Cor Vos

Schon letztes Jahr schien es bei der Tour Querelen zwischen van Aert und Vingegaard gegeben zu haben. Kurz vor der Frankreich-Rundfahrt erschien die Netflix-Dokumentation "Tour de France: Unchained", in der der Eindruck erweckt wurde, dass es zwischen den beiden Stars des Teams nach der von van Aert gewonnenen Etappe nach Calais Unstimmigkeiten gab. Gegenüber wielerflits dementierte van Aert allerdings nachdrücklich.

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.202320 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

(rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

24.07.2023Pogacar vs. Vingegaard: Wer ist der beste Rundfahrer?

(rsn) – Wer ist der beste Rundfahrer der Welt? Für diesen inoffiziellen Titel kommen derzeit nur zwei Profis in Betracht: Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). D

24.07.2023Jumbo - Visma führt auch die Preisgeldliste der Tour an

(rsn) – Jumbo – Visma stellt mit Jonas Vingegaard nicht nur wie im vergangenen Jahr den Toursieger, sondern hat auch beim Preisgeld der 110. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt wieder abgeräumt. In

Weitere Radsportnachrichten

15.05.2024Jakobsens verkorkster Giro erreicht an der Adria neuen Tiefpunkt

(rsn) – Für Fabio Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL) ist der Giro d´Italia 2024 bislang einer zum Vergessen. Der 27-jährige Sprinter hat bei seinem Debüt bei der Italien-Rundfahrt bislang keine

15.05.2024Umbrailpass zu Beginn, steile Rampe zum Schluss

(rsn / ProCycling) – Nachdem sich die Teilnehmer des Giro am Vortag etwas Ruhe gönnen konnten, geht es auf der 16. Etappe mit aller Härte weiter. Die Fahrer werden mit gnadenloser Berggewalt konf

15.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

15.05.2024Hellas: Ritzinger verpasst knapp Zeitfahrpodium und Bergtrikot

(rsn) - Beim zweitgeteilten Auftakt der Tour of Hellas (2.1) konnte das deutsche Team Bike Aid keine Spitzenplatzierung einfahren. Dafür freute sich die Konkurrenz aus Österreich, das Team Felt - F

15.05.2024Sarnowski lässt sich von “radikaler Fahrweise“ nicht beirren

(rsn) - Viel hat dem Team Embrace The World zum zweiten Etappensieg in Serie bei der Algerien-Rundfahrt (2.2) nicht gefehlt. Nachdem am Vortag Meo Amann als Ausreißer gejubelt hatte, fuhr sein Teamk

15.05.2024Dünkirchen: Ackermann zu ungeduldig

(rsn) – Pascal Ackermann hat sein erstes Top-5-Resultat nach seiner zweimonatigen Verletzungspause eingefahren. Der Sprinter in Diensten des Teams Israel – Premier Tech wurde auf der 2. Etappe der

15.05.2024Groves: “Das richtige Timing war heute extrem wichtig“

(rsn) – Die drei Ausreißer der 11. Etappe des Giro d’Italia hatten keine Chance. So endete der Tag in Francavilla al Mare mit einem Massensprint, den Jonathan Milan (Lidl – Trek) für sich ents

15.05.2024Highlight-Video der 11. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Die 11. Etappe des Giro d’Italia endete wie erwartet in einem Massensprint. Jonathan Milan (Lidl-Trek) feierte seinen zweiten Tagessieg bei dieser Rundfahrt und fuhr vor Tim Merlier (Souda

15.05.2024Milan feiert zweiten Etappensieg beim Giro d´Italia

(rsn) - Die 11. Etappe des Giro d’Italia entlang der Adriaküste war für die Sprinter konzipiert. Die erwartete Massenankunft nach 207 Kilometer zwischen Foiano di Val Fortore und Francavilla al Ma

15.05.2024Kretschy verpasst im Bergauffinale knapp die Top Ten

(rsn) – Die Deutsche U23-Nationalmannschaft hat zum Auftakt des fünftägigen Orlen Nations GP (2.NC) knapp einen Top-Ten-Platz verpasst. Während der Däne Kristian Egholm das 135 Kilometer lange

15.05.2024Entschieden: Van der Poel fährt die Tour und Olympia auf der Straße

(rsn) – Mathieu van der Poel hat sich für die Tour de France und das Olympische Straßenrennen entschieden – und gegen den Wechsel aufs Mountainbike. Das teilte sein Team Alpecin – Deceuninck

15.05.2024Vismas Pechsträhne beim Giro begann bereits im März

(rsn) – Der krankheitsbedingte Ausfall von Cian Uijtdebroeks ist der zwischenzeitliche Höhepunkt der Pechsträhne, die das Team Visma – Lease a Bike beim diesjährigen Giro d’Italia begleitet

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)