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29.09.2020 | (rsn) - Stellt euch vor, heute schreibe ich euch als Vize-Weltmeisterin im Einzelzeitfahren!
Nach den erfolgreichen Europameisterschaften Ende August mit Bronze im Einzelzeitfahren und Silber im Mixed Relay verbrachte ich einige Tage zuhause und ließ es mir gut gehen (in der Familie Reusser gibt es mehrere begabte Köche/innen). “Gut, aber nicht zu gut“, das war schwierig bei den Dessert-Künsten meiner Mutter. Nächster Programmpunkt sollte der Giro Rosa sein. Dieser hat im Frauenradsport den Status der Tour de France und bietet einige giftige Steigungen. Besser also keine Extrapfunde anlegen während dieses Boxenstopps.
Zur letzten spezifischen Vorbereitung auf den Giro verreisten wir mit Equipe Paule KA nach Andermatt (Swiss Alps Andermatt ist Teamsponsor, d. Red.). Dazu gibt es auch ein teaminternes Rennen, diesmal als Bergzeitfahren am Klausenpass. Meine Leistung dort stimmte mich schon einmal frisch zuversichtlich.
Am 11. September startete der Giro mit einem Teamzeitfahren in der Toskana, zu dem wir ohne Leaderin antraten. Mit dem Weißen Jersey und Platz fünf im Gesamtklassement für Mikayla Harvey, für lange Zeit das beste Team, einem spektakulären Etappensieg durch Lizzy Banks und einem haarscharf verpassten weiteren durch die 19-jährige Niamh Fisher-Black hatten wir die Aufmerksamkeit definitiv auf unserer Seite! Ich persönlich hatte die Erlaubnis, den Giro einen Tag früher zu beenden, um genug Erholung für das WM-Zeitfahren fünf Tage später zu haben.
Dieses WM-Zeitfahren… war eine spezielle Angelegenheit für mich. Eigentlich sollte es ja in Aigle in der Schweiz stattfinden. Darauf hatte ich mich von langer Hand vorbereitet, kannte schon jeden Zentimeter der Strecke und freute mich extrem darauf! Dann die herbe Enttäuschung der Absage. Schlussendlich doch eine WM, in Italien, was wir während der WM Ende August erfuren! Challenge accepted!
Merci Swiss Cycling
Perfekt vorbereitet über den Giro, deponierte mich mein Team Équipe Paule Ka also in Imola. Die ersten zwei Tage verbrachte ich mit Coach Albasini, inklusive lustigem Geburtstags-Dinner…. Ohnehin verwöhnt, wurde ich nach Ankunft des Nationalverbands noch verwöhnter. Neben mir als Athletin waren bereits neun Staff-Mitglieder vor Ort. Die Ankunft von Stefan Küng - sowieso eine Freude - war damit eine kleine Beruhigung für mein Gewissen.Die familiäre Atmosphäre mit Swiss Cycling tat mir gut. Das viele Lachen und die positiven Emotionen sind mit Sicherheit die günstigste Vorbereitung für ein wichtiges Rennen! Zusammen mit Nationalcoach Edi Telser und meinem Coach Marcello Albasini sorgten wir für den letzten Schliff. Minutiöse Vorbereitung ist die halbe Miete! Man beziehungsweise frau kümmerte sich mit guten Massagen um meine Muskeln, meine Fahrräder, mein Gemüt und sämtliche weitere Anliegen, sei es eine nächtliche Asthmaattacke mit Zimmerwechsel, Schokoladen-Notfälle oder Handy-Shopping, weil ich meins zerstört habe. Merci Swiss Cycling!
Damit war ich zu 100 Prozent ready für das Einzelzeitfahren am 24. September: ALL IN und Silber im Ziel, welch ein Gefühl!!! Leider gab es ein Problem in der Kommunikation und ich verpasste die Info, wie knapp es um den Sieg zuging und auch, dass Chloe Dygert aus dem Rennen war. Dieser Sturz tut mir sehr leid für sie und ich wünsche ganz gute Besserung!!
Tags darauf gewann Stefan Küng Bronze im Zeitfahren der Herren! Yes, awesome!!! Übrigens: Zu sehen, welche km/h-Werte diese Jungs hinkriegen, beeindruckte mich einmal mehr.
Persönlich etwas überwältigt
Das Straßenrennen am Samstag wollten wir eigentlich auf die Rechnung der starken Elise Chabbey fahren. Leider hatte sie mit Magenproblemen zu kämpfen und so versuchte ich mein Bestes für ein gutes persönliches Resultat. Der Kurs mit den bis zu 14 Prozent steilen Anstiegen und schnellen Abfahrten war nicht meins. Umso mehr bin ich hoch zufrieden mit meinem zehnten Platz! Diesen hab ich durch eine äußerst passive Fahrweise erreicht. Ich hoffe, in Zukunft und auf einem anderen Kurs dem Publikum mehr Action bieten zu können! Marc Hirschi krönte die WM mit einer dritten Medaille für die Schweiz im Straßenrennen der Herren! So cool!
Speziell gratulieren möchte ich Anna van der Breggen, die das Doppel geschafft und Gold im Zeitfahren und auf der Straße geholt hat!
Persönlich war ich etwas überwältigt. Die Rennen an sich mit all den Emotionen sind schon verrückt. Und dann habe ich noch so unglaublich viel Unterstützung erfahren! Sei es durch Freunde und Familie vor Ort oder durch die unzähligen Nachrichten. Merci!
Nun verbringe ich einige Tage zuhause, bis ich mit meinem Team die verpassten Klassiker (Corona!) nachhole. Amstel Gold, Flandern, Paris-Roubaix. Ich bin gespannt!
Eure Marlen
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