Gelb, Gepunktet und Weiß für den Tour-Debütanten

Der Einzelkämpfer Pogacar schlägt Roglic und sein Team

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Der Einzelkämpfer Pogacar schlägt Roglic und sein Team"
Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) | Foto: Cor Vos

19.09.2020  |  (rsn) - “Ich habe die Welt erschüttert“, rief Muhammed Ali, damals noch als Cassius Clay, als er 1964 im Alter von 22 Jahren erstmals den Titel im Schwergewichtsboxen errang. Sein Jubelschrei hätte perfekt auf das Bild gepasst, als Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) die Ziellinie beim 36 Kilometer langen Zeitfahren hinauf zur Planche des Belles Filles überquerte und die Tour erschütterte. Sensationell entriss er seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo – Visma) noch das Maillot Jaune und wird am Sonntag auf der Champs-Élysées zum jüngsten Toursieger seit 116 Jahren gekürt.

Es ist aber lediglich das Alter, das die Erfolge von Ali und Pogacar vergleichbar macht. Denn als exzentrisch wie den US-amerikanischen Boxer kann man den 21-Jährigen aus Komenda nicht bezeichnen. In seinem größten Erfolg seiner noch jungen Karriere dankte er vor allem seiner Mannschaft, was viele Beobachter ins Schmunzeln geraten ließ. Es ist sicherlich nicht der Fahrer mit dem stärksten Team, der die Tour gewinnen wird. Es ist jener, der individuell der Stärkste war. Denn würde man die 1:25 Minuten, die Pogacar auf der Windkante nach Lavaur verlor, noch in Rechnung stellen, dann würde sein Vorsprung in der Gesamtwertung gegenüber Roglic fast zweieinhalb Minuten betragen.

"Ich glaube mein Kopf explodiert gleich. Ich kann nichts sagen, keine Ahnung. Ich weiß nicht, wann ich das realisieren werde. Es ist unglaublich", schwebte der Tour-Debütant auf Wolke sieben im Zielraum am Ende des steilen Aufstiegs, an dem sich in diesem Jahr die Tour entschied. Mit hohem Tempo begann Pogacar sein Zeitfahren, baute Kilometer um Kilometer den Vorsprung auf seinen Landsmann Roglic auf. Je größer der Abstand wurde, umso größer wurde auch sein Selbstvertrauen, Pogacar schienen Flügel zu wachsen auf dem Weg zur Bergankunft auf 1.035 Metern Höhe.

Flügel, die bis zur 20. Etappe Roglic zu besitzen schien. Der ehemalige Skispringer, der fast durch Zufall auf dem “zweiten Bildungsweg“ zum Radsport gekommen war, verkrampfte im Gelben Trikot von Kilometer zu Kilometer zu. Sein Vorsprung schmolz auf den 30 Kilometern Anfahrt bis zur Schlusssteigung hinauf zum Plateau des Belles Filles schon um deutlich mehr als die Hälfte. Und im Anstieg kam es noch schlimmer. "Offensichtlich habe ich nicht genug gepusht. Am Ende fehlte mir die Kraft, die ich gebraucht hätte, aber ich habe bis zum Ziel alles gegeben", analysierte Roglic, nachdem ihm der fast schon sicher geglaubte Toursieg noch entglitten war.

Pogacar wie Merckx 1969

Dagegen lief für Pogacar alles nach Plan. "Nur in der Ebene habe ich den Funk gehört. Im Anstieg waren die Fans so laut, dass ich nichts verstand. Ich kannte keine Abstände, gab Vollgas und bin richtig tief gegangen vom Beginn der Steigung bis zur Ziellinie", sagte Pogacar, der im Interview noch eine nette Anekdote zum Besten gab. Diese handelte von der Speziallackierung seiner Colnago-Maschine für den nächsten Tag: ganz in Weiß gehalten, um seine Führung in der Nachwuchswertung markieren. "Ich habe es mir am Morgen angesehen und es war richtig schön", so Pogacar.

Doch dieses Trikot wird er auf der Finaletappe erst bei der Siegerehrung überstreifen. Denn den Tag wird er im Maillot Jaune verbringen. Dazu holte er sich das Gepunktete Trikot des Bergbesten. Denn auch diese Sonderwertung sicherte er sich. Bezeichnenderweise gelang es zuletzt Eddy Merckx 1969, bei der Tour de France drei Wertungstrikots zu gewinnen.

"Ehrlich gesagt, dachte ich nicht an den Toursieg. Roglic sah so gut aus während der drei Wochen. Heute hatte er einen schlechten Tag", sagte Pogacar, der nach der Zielankunft seines Teamkollegen noch immer nicht glauben konnte, was er da vollbracht hatte.

Die Entscheidung bei der Tour 2020 fiel im Einzelzeitfahren im Duell Mann gegen Mann. Und das, obwohl 19 Etappen lang die niederländische Equipe rund um Roglic das Rennen dominiert hatte. Auch im Zeitfahren unterstütze das Team seinen Kapitän nach Kräften. So half der schon früh gestartete gegangene Tony Martin beim Anbringen der Startnummer und gab Tipps, wie Roglic das Rennen angehen sollte. Wout Van Aert und Tom Dumoulin fuhren Vollgas, Van Aert mit Radwechsel vor der Schlusssteigung, Dumoulin ohne. Alle erdenklichen Szenarien schienen durchgespielt, und doch half es nichts: Pogacar war der deutlich Stärkere.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.06.2021Madiot: “Wir hätten Pinot früher aus der Tour nehmen sollen“

(rsn) - Sein bisher letztes Rennen bestritt Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) vor mittlerweile zwei Monaten, als er die Tour of the Alps unter ferner liefen auf Rang 60 beendete. Danach entschied der Fra

23.12.2020Bernal wieder schmerzfrei auf dem Rad

(rsn) - Egan Bernals Genesung macht offensichtlich deutliche Fortschritte. Wie der Tour-de-France-Sieger von 2019 gegenüber dem Internetportal primertiempo.co sagte, könne er wieder schmerzfrei trai

11.12.2020Dumoulin zuversichtlich: “Mir fehlt nur noch ein Prozent“

(rsn) - 2020 war für Tom Dumoulin ein Jahr mit vielen Tiefen und nur wenigen Hochs. Nach dem mit großen Hoffnungen verbundenen Wechsel von Sunweb zu Jumbo - Visma warf zunächst ein bakterieller Dar

15.11.2020Pogacar lobt Roglic als slowenischen Vorreiter

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) hätte seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo - Visma) den Tour-de-France-Sieg gegönnt. Das sagte der 22-jährige Slowene im Gespräch mit der spanischen Sp

27.10.2020Bernals Genesung dauert länger als gedacht

(rsn) - Egan Bernals Rückenprobleme, die ihn zum Ausstieg bei der Tour de France und zum vorzeitigen Saisonende zwangen, sind offensichtlich ernsthafter als bisher angenommen. Wie der Kolumbianer geg

10.10.2020Bernal: “Ich hatte eine schwierige Zeit“

(rsn) - Der bei der Tour de France vorzeitig ausgestiegene Egan Bernal (Ineos Grenadiers) wird in diesem Jahr keine Rennen mehr bestreiten. Das kündigte der Kolumbianer auf Instagram an und bestätig

03.10.2020War der Toursieg für Roglic im Zeitfahren unmöglich?

(rsn) - Radsportjournalist Thijs Zonneveld von der niederländischen Zeitung AD hat nach eigenen Angaben Einblick in die Leistungswerte des Tour-Zeitfahrens von Primoz Roglic (Jumbo – Visma) erhalte

24.09.2020Pogacar: “Die Saison ist noch lange nicht vorbei“

(rsn) - Nach seinem Tour-de-France-Triumph hat Tadej Pogacar (UEA - Team Emirates) schon die nächsten großen Ziel im Blick. "Ich muss konzentriert und fit bleiben für die Weltmeisterschaft und die

23.09.2020Viviani: Beim Giro zurück in die Erfolgsspur?

(rsn) - Im letzten Jahr gewann Elia Viviani im Trikot von Deceuninck - Quick-Step  bei der Tour de France eine Etappe und fuhr auf drei weiteren Teilstücken aufs Podium. Die 107. Austragung lief fÃ

22.09.2020UAE Emirates streicht das mit Abstand meiste Preisgeld ein

(rsn) - Kein Wunder: Durch den Gesamtsieg von Tadej Pogacar, der auch das Weiße Trikot als bester Jungprofi sowie die Bergwertung und drei Etappen gewann, sowie den Etappensieg von Alexander Kristoff

21.09.2020Phänomen Pogacar - zu schnell, um wahr zu sein?

(rsn) - Tadej Pogacar hat mit seinem Toursieg nicht nur Rekorde gebrochen, sondern damit auch Fragen aufgeworfen. Ist der Slowene einfach ein Jahrhunderttalent, für den die üblichen Maßstäbe nicht

21.09.2020Die Tour-Bubbles werden aufgelöst

(rsn) - Die Tour de France ist beendet. Die Bubbles werden aufgelöst. Neue werden errichtet, für die WM, die BinckBank Tour, den Giro d´Italia und die großen Klassiker. Primoz Roglic kann jetzt Tr

Weitere Radsportnachrichten

27.11.2025Mit guten Beinen in Kigali zu WM-Silber

(rsn) – Auf der Liste mit den großen Überraschungen des Jahres 2025 muss Jan Huber (Remax Racingteam) unbedingt vermerkt sein. Denn der 20-jährige Schweizer war vor der Saison ein unbeschriebenes

27.11.2025In Abu Dhabi künstlicher Anstieg zu Pogacars Gunsten?

(rsn) – Wer gedacht hat, dass die Straßen-WM in Abu Dhabi 2028 zu einer Angelegenheit für die Sprinter werden würde, könnte sich getäuscht haben. Wie die spanische Sportzeitung Marca in Erfahru

27.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

27.11.2025Hat Lipowitz bereits Langzeitvertrag bei Red Bull unterschrieben?

(rsn) – Wie die belgische Zeitung Het Laatste Nieuws berichtete, bemühe sich das ab 2026 mit deutscher Lizenz ausgestattete Team Lidl – Trek um eine Verpflichtung von Florian Lipowitz zur Saison

27.11.2025Del Toro Mexikos Sportler des Jahres

(rsn) – Isaac Del Toro ist in Mexiko zum Sportler des Jahres gewählt worden. Der Profi von UAE – Team Emirates – XRG feierte in der abgelaufenen Saison nicht weniger als 18 Siege, nur sein Team

27.11.2025“Schwer erkrankt“: Lefevere mehr als drei Wochen in der Klinik

(rsn) – Der langjährige Soudal-Quick-Step-Teammanager Patrick Lefevere war nach eigenen Worten “schwer erkrankt“ und musste 24 Tage im AZ Delta Krankenhaus in Roeselare verbringen. Wie der Belg

27.11.2025Thomas soll als Renndirektor Ineos zu Grand-Tour-Siegen führen

(rsn) – Geraint Thomas hat nach der Tour of Britain seine lange eund erfolgreiche Karriere beendet. Allerdings wird der 39-jährige Waliser auch künftig in Diensten von Ineos Grenadiers stehen. Wie

27.11.2025Ehemaliger Vuelta-Dritter Haig zu Ineos Grenadiers?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

27.11.2025Gaviria mit 2,36 Promille am Steuer: Zwei Jahre Fahrverbot

(rsn) – Fernando Gaviria ist wegen Trunkenheit am Steuer von einem Gericht in Monaco zu einer zweimonatigen Bewährungsstrafe und einem zweijährigen Fahrverbot verurteilt worden. Der 31-jährige Ko

27.11.2025Auch ohne Top-Ergebnisse wieder mehr Spaß am Radsport

(rsn) – Nach zwei schwierigen Jahren bei Red Bull – Bora – hansgrohe wechselte Emanuel Buchmann ins Ausland und unterschrieb Ende 2024 bei der französischen Cofidis-Equipe. Sportlich lief es fÃ

26.11.2025Superstart in Australien und dann ein ständiges Auf und Ab

(rsn) – Sein viertes Jahr in der Struktur von Alpecin – Deceuninck, das zweite davon im Profkader, war für Henri Uhlig eines mit vielen Aufs und Abs. Der 24-Jährige startete bärenstark und konn

26.11.2025Froome sitzt drei Monate nach Trainingsunfall wieder auf dem Rad

(rsn) – Fest steht, dass Chris Froome nach fünf Jahren bei Israel – Premier Tech künftig nicht mehr im Aufgebot des Nachfolgers NSN Cycling Team stehen wird. Da der viermalige Tour-de-France-Gew

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)