Tour of Mesopotamia-Tagebuch von Robert Müller

Radrennen auf einer 158 Kilometer langen Zielgeraden

Von Robert Müller

Foto zu dem Text "Radrennen auf einer 158 Kilometer langen Zielgeraden"
Robert Müller startet ab Donnerstag bei der Tour of Mesopotamia | Foto: Robert Müller

03.05.2019  |  (rsn) - Hallo aus Südostanatolien, Türkei! Nachdem sich die Gemüter nach dem Vorfall auf der gestrigen Etappe, als einige Fahrer während des Rennens in eine Schießerei geraten waren und sich etwa 20 Minuten lang hinter einer Mauer in Deckung bringen mussten, am Abend wieder beruhigt hatten, war klar, dass es mit der Rundfahrt weiter geht.

Sogar meine beiden gestern gestürzten und in den Schusswechsel geratenen Teamkollegen Yannick und Christoph gingen wieder an den Start und bissen angesichts ihrer großflächigen Hautabschürfungen die Zähne zusammen. Die Etappe führte über 175 flache Kilometer immer nach Westen und wir fuhren ausschließlich auf einer großen breiten Schnellstraße. Es gab unterwegs nur eine bedeutungslose Sprint- und eine harmlose Bergwertung, sonst nichts.

Nach der Neutralisation, die aus der sechs Kilometer langen Abfahrt von Mardin in die Ebene hinunter bestand, ging ich gleich reflexhaft die Startattacke mit. Wir konnten uns zu sechst leicht absetzen und erst jetzt dachte ich darüber nach, was ich hier eigentlich tat. Da ich gestern weder in der Sprint- noch in der Bergwertung Punkte gesammelt hatte, waren diese Wertungen für mich wertlos, und da ich fest mit einem Massensprint rechnete, war es eigentlich komplett sinnlos, in die Gruppe des Tages zu gehen und sich dort den Zahn zu ziehen. Dementsprechend war ich erleichtert, als wir wieder eingeholt wurden und beteiligte mich in der Folge nicht mehr an den Attacken.

Trotzdem musste ich mich zusammenreißen, nicht doch noch hinterherzuspringen, als wenig später ganz klar erkennbar die richtige Gruppe ging. Es waren nur vier Fahrer und angesichts der langen Etappe und der flachen Strecke gab ich ihnen keine Chance. Ich dachte, Bike Aid, mit den beiden schnellsten Sprintern im Feld, und Minsk, die Mannschaft des Gesamtführenden, würden auf jeden Fall für einen Massensprint sorgen. Zunächst bummelten wir auf der großen Straße dahin und als ich nach 20 Kilometern ein Schild mit der Angabe "Sanliurfa (der Zielort) 158 km“ sah, meinte Daniel Bichlmann, dass wir ja schon auf der Zielgeraden seien und das stimmte sogar, denn es sollte keine einzige Kurve mehr kommen. Ich glaube, nach ein paar Kilometern gab es eine leichte Rechtskurve, sonst ging es ausschließlich auf freier Fläche geradeaus.

Der Belag der Straße war insgesamt recht gut, doch es gab viele große Schlaglöcher, denen man ausweichen musste, und einen nervigen, holprigen schmalen Streifen am rechten Straßenrand zur Abgrenzung des Seitenstreifens, auf dem man nicht fahren konnte. Im Feld konnte man entspannt mitrollen und ich wurde immer müder und schläfriger, nur das Ausweichen vor den Schlaglöchern hielt mich noch wach. Da wir die gesamte rechte Fahrbahn in Beschlag nahmen, waren ungeduldige Autofahrer auf der nicht gesperrten Gegenfahrbahn als Geisterfahrer mit durchaus hohem Tempo unterwegs. Der Wind wurde mit der Zeit immer stärker und kam von links vorne, weshalb es zunehmend eine Windkante am rechten Straßenrand, wo der nervige Rüttelstreifen war, gab. Diese war jedoch wegen unseres gemächlichen Tempos eher harmlos.

Mit zunehmender Renndauer wartete ich darauf, dass endlich die Verfolgung der Spitzengruppe ernsthaft in Angriff genommen werden würde, doch auch nachdem unser Rückstand nach 100 Kilometern bei etwa sieben Minuten lag, tat sich noch nichts. Als wir nach 135 Kilometern die Bergwertung passierten, war diese bereits wieder abgebaut, was kein gutes Zeichen war. Das Tempo war nun zwar höher, aber immer noch nicht hoch genug und so schmolz unser Rückstand zu langsam. Wir vom Veloclub Ratisbona Regensburg sahen uns nicht in der Verantwortung, Nachführarbeit zu leisten, da wir nur mit der Mindestanzahl von fünf Fahrern an den Start gegangen waren (sieben wären zulässig gewesen) und zwei davon durch den gestrigen heftigen Sturz angeschlagen waren. Außerdem haben wir realistisch gesehen keine Chance, hier einen Massensprint zu gewinnen, und auf Gesamtwertung fahren wir ebenfalls nicht.

Als unser Rückstand an der 10km-Marke immer noch 1:50 Minuten betrug, war mir klar, dass wir die drei vorne, ein Fahrer war mittlerweile wieder ins Feld zurückgefallen, nicht mehr einholen würden. Die Nachführarbeit im Feld hatte einfach zu spät begonnen und wurde dann nicht konsequent genug fortgeführt, aber die drei Mann an der Spitze haben sich ihr Podium auf jeden Fall hart verdient, und ich ärgerte mich nun doch, nicht dazuzugehören. Den leicht bergab führenden Sprint des Feldes um Platz vier gewann, wie zu erwarten war, Bike Aid mit Aaron vor Lucas. Wir wurden insgesamt 7. (Peter) und 8. (Yannick). Wer gewonnen hat, weiß ich nicht, da es noch immer kein Ergebnis gibt.

Nach dem Ziel war eine Katzenwäsche am Straßenrand angesagt und wir erfuhren, dass wir am Morgen keine Verpflegung für nach der Etappe, die stets am Start vom Veranstalter ausgegeben wird, mehr abbekommen hatten. Das war besonders ärgerlich, da uns nun ein dreistündiger Transfer in Kleinbussen ins weit entfernte Hotel bevor stand. Unser Gepäck sollte mit einem offenen LKW dorthin transportiert werden, aber es ist noch nicht aufgetaucht.

Die morgige Etappe führt über nur 122 eher flache Kilometer vom Startort erneut bis zur syrischen Grenze nach Kilis nicht weit von Aleppo entfernt und wieder zurück. Hoffentlich bleibt diesmal alles friedlich.

Morgen gleiche Stelle, gleiche Welle

Gez. Sportfreund Radbert

Weitere Radsportnachrichten

17.09.2025Top-Favoritinnen mit Fragezeichen, Niedermaier Medaillenhoffnung

(rsn) – Ohne Titelverteidigerin muss das diesjährige WM-Zeitfahren der Frauen in Kigali auskommen. Das liegt daran, dass sich Grace Brown partout nicht wollte umstimmen lassen und das Rennrad – z

17.09.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

17.09.2025Grégoire bezwingt im Bergaufsprint van den Bergh und Hirschi

(rsn) – Romain Grégoire (Groupama – FDJ) hat seine bestechende Herbstform auch zum Auftakt der 85. Skoda Tour de Luxembourg (2.Pro) eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der 22-jährige Franzose,

17.09.2025De Lie sprintet an der Zitadelle von Namur über 300 Meter zum Sieg

(rsn) – An der Zitadelle van Namur hat Arnaud De Lie (Lotto) den 65. GP de Wallonie (1.Pro) für sich entschieden. Nach 187 Kilometern war der Belgier im Sprint eines dezimierten Feldes schneller al

17.09.2025Schachmann muss für WM in Ruanda kurzfristig absagen

(rsn) – Maximilian Schachmann verpasst die Straßen-Weltmeisterschaft in Ruanda. Der Deutsche Zeitfahrmeister ist gestern Abend nicht mit dem Rest des Aufgebots von German Cycling nach Kigali gereis

17.09.2025Visma attackiert, Soudal kontert, Magnier siegt

(rsn) – Visma - Lease a Bike dominierte mit zahlreichen Attacken das Finale der 1. Etappe der 69. Slowakei-Rundfahrt (2.1). Doch nach 141, 2 Kilometer rund um Bardejov jubelte im Sprint der ansteige

17.09.2025Zeitplan der UCI-Straßenweltmeisterschaft von Kigali

(rsn) - Am Sonntag beginnt die UCI-Straßenweltmeisterschaft von Kigali/Ruanda, wo vom 21. bis 28. September erstmals Welttitelkämpfe auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen werden. Den Anfang ma

17.09.2025Lippert an der Zitadelle von Namur knapp am Podium vorbei

(rsn) – Liane Lippert (Movistar) hat beim 4. Ausgabe des Grand Prix de Wallonie Dames (1.1) knapp das Podium verpasst. Die Friedrichshafenerin musste sich nach einer starken Vorstellung über 128,8

17.09.2025Evenepoel vs Pogacar: In Kigali Giganten-Duell um Gold

(rsn) – Zum Auftakt der Straßen-WM wird am Sonntag wird in Kigali im Zeitfahren der Männer der Nachfolger von Remco Evenepoel ermittelt. Der Belgier will in Ruanda auf 1550 Metern Höhe seinen dri

17.09.2025Le Huitouze beendet mit 22 seine Straßenkarriere

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

17.09.2025Vuelta-Zweiter Almeida zieht die EM der WM vor

(rsn) – Mit dem Vuelta-Zweiten Joao Almeida (UAE – Emirates – XRG) wird ein weiterer hochklassiger Name bei der Straßen-WM in Ruanda fehlen. Der Portugiese wird sich stattdessen auf die Straße

16.09.2025Alle Altersklassen besetzt: Schweiz mit 23-köpfigem WM-Aufgebot

(rsn) – Mit nicht weniger als 23 Sportlern und Sportlerinnen reist Swiss Cycling zu den Straßen-Weltmeisterschaften 2025 nach Ruanda 821. - 28. September). Vor allem in der Elite Frauen und Männer

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Serbie (2.2, SRB)
  • Tour de Slovaquie (2.1, SVK)
  • Skoda Tour de Luxembourg (2.Pro, LUX)