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12.08.2011 | (rsn) - Rolf Aldag war in den vergangenen fünf Jahren der erfolgreichste Teamchef im internationalen Radsport. Mit seinem HTC-Highroad-Rennstallschaffte der ehemalige Telekom-Profi mehr als 50 Siege allein bei den großen Landesrundfahrten. Während die meisten seiner Fahrer bereits neue Arbeitgeber gefunden haben, ist seine berufliche Zukunft noch offen, wie Aldag im Interview mit Radsport News erklärte.
Guten Tag Herr Aldag! Nun löst sich Ihr Team HTC-Highroad doch am Ende der Saison auf. Wie geht es Ihnen denn dabei?
Aldag: So weit, so gut! Es gibt immer noch verdammt viel Arbeit: Die Saison ist noch nicht rum und gleichzeitig ist es auch meine Aufgabe, hier und da noch zu schauen, dass einer meiner Fahrer noch ein Team bekommt.
War das plötzliche Aus kein Schock für Sie?
Aldag: Naja, es ist ja kein Schock – man kann ja nicht schockiert sein, wenn man weiß, dass die Verträge auslaufen. Dann weiß man ja auch, dass man etwas Neues finden muss, weil es sonst nicht weiter geht – da kann man sich lange drauf vorbereiten.
Aber es hieß doch, dass ein Sponsor gefunden sei...? Alle dachten, dass es weitergeht.....
Aldag: Ja. Das war natürlich unschön: Wir dachten, es ist soweit und wollten konkret mit den Fahrern darüber sprechen, haben dann aber erfahren, dass der Sponsor doch nicht sicher ist. Das war nicht ideal. Aber es wurde zum Glück kein Schaden angerichtet, weil wir uns früh mit dem Ende abgefunden haben. Wir hatten nämlich Horror vor einem Pegasus- oder Cervélo-Szenario – also Versprechungen zu machen und Leute sehr, sehr lange warten zu lassen, um dann zu sagen, das war nur Spaß. Das waren weder Bob Stapeltons (Team-Eigentümer von HTC-Highroad, d. Red.), noch meine Ambitionen. Und so wie es im Moment aussieht, haben viele Leute gute Chancen, um in anderen Teams unterzukommen.
Was ändert sich denn bei den letzten Rennen denn in der taktischen Ausrichtung? Dürfen die Helfer sich jetzt auch mehr zeigen und mal einen Coup versuchen?
Aldag: Ja. Das ist jetzt zum Beispiel auch bei der Vuelta schwierig. Einerseits haben wir Fahrer, die mit absoluten Ambitionen nach Spanien wollen. Auf der anderen Seite haben wir Fahrer wie Cavendish und Goss, die eine gute WM fahren wollen. Die möchten sich bei der Vuelta nur gut vorbereiten. Jetzt ist es für uns schwierig, dass wir die Helfer nicht verheizen. Die Konsequenz: Dann muss ein Helfer halt mal kein Loch zu fahren. Warum müssen wir beispielsweise einen Bert Grabsch "hinrichten", um Cavendish die Vorbereitung zu erleichtern. Bert hat eine realistische Chance auf eine Medaille bei der Zeitfahr-WM – damit kann er sich für Teams empfehlen. Daher kann er nicht drei Wochen von vorne fahren. Wir müssen nun eben darauf achten, dass wir jedem Fahrer eine Perspektive geben.
Man sagt, Sie gäben auch Tony Martin eine Perspektive. Sie wollen ihn sogar zu seinem neuen Team begleiten...
Aldag: ...ich weiß aber nicht, wo Tony hin wechselt. Ich bin auch nicht sein Manager – das ist Jörg Werner. Mein Interesse ist es auch nicht, dass ich Tony jetzt irgendwo hinbringe, damit ich einen Job bekomme. Ich halte mich da absolut zurück – für mich gibt es auch nur die Möglichkeit zu sagen: Wo auch immer Tony hingeht und die Leute dort Interesse an mir haben, dann ehrt mich das und ich werde mir das ansehen, um eine Entscheidung zu treffen. Aber ich werde nirgendwo hingehen und sagen: „Ok, ich unterschreibe bei Euch und bringe euch Tony“. Ich habe mich für kein Angebot bisher entschieden.
Aber vom Team Skil-Shimano haben Sie ein Angebot?
Aldag: Nein. Da hat mich keiner angerufen. Ich weiß auch nicht, wie bei Tony der Stand ist. Ob er zu Skil, zu Geox oder zu Katjuscha geht – das weiß ich nicht. Da bin ich nicht involviert. Das macht sein Manager. Ich werde zwar hier und da mal nach meiner Meinung gefragt. Aber ich möchte mich zu Tonys Wechselabsichten nicht äußern.
Sie bleiben dem Radsport aber treu?
Aldag: Das weiß ich noch nicht. Das entscheidet sich in den nächsten Wochen. Ich hätte auf jeden Fall gerne dieses Team weitergemacht – und sehr viele Menschen wären gerne in diesem Team geblieben. Es gibt aber ganz viele Mannschaften mit großem Potenzial. Das wäre bestimmt interessant für mich. Das Problem ist aber: Die Leute, die mich jetzt einstellen würden, müssten sich in 90% der Fälle selber feuern, weil ich ein Team führen möchte. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand tun.
Möchten Sie kein eigenes Team gründen?
Aldag: Nee – nicht wirklich. Die Kombination Stapelton&Aldag hat super funktioniert, weil jeder gemacht hat, was konnte: Ich habe die vernünftigen Ergebnisse geliefert und Bob hat mich mit den ganzen Sachen wie Sponsoring in Ruhe gelassen. Und ganz ehrlich: Wenn jetzt einer kommt und mir 15 Millionen auf den Tisch legt und sagt, dass er mit mir ein Team machen möchte – ich würde ihm sagen, dass er das auf die Bank bringen soll. Es ist jetzt zu spät. Die Strukturen eines Rennstall aufzubauen dauert lang. Wenn, dann gibt es 2013 ein neues Team.
Ist der professionelle Hintergrund eines Teams der Schlüssel zum Erfolg?
Aldag: Ja. Wenn man gute Leute im Betreuerstab hat, dann kann man Erfolge reproduzieren. Wir haben diese Erfolge durch neue Talente immer wieder geholt. Jedes Jahr habe ich von den Fachmedien gelesen: Nächstes Jahr wird es nichts mehr. Die Leistungsträger sind weg, jetzt wird es nichts mehr – jetzt haben sie keine Chance mehr. Aber wir hatten jedes Jahr den gleichen Erfolg. Ich glaube Erfolg ist reproduzierbar – aber nur mit den richtigen Strukturen.
Zum Abschluss noch einmal was für die Gerüchte-Küche: Wohin wechselt John Degenkolb?
Aldag: Keine Ahnung. John wird auf jeden Fall ein Team finden. Nehmen wir mal die erste Liga: Da wird er bei allen 18 Pro-Tour-Teams unterkommen. Ein Degenkolb und auch ein Tony Martin sind in der Situation, dass sie sich ihr Team aussuchen können. Sie müssen sich die Angebote einfach ansehen und darüber nachdenken, was gut für ihre Karriere ist. Bei John ist das aber eine andere Sache: Von ihm erwartet keiner, dass er nächstes Jahr Flandern gewinnt. Wenn sich aber jemand Tony Martin ins Team holt, werden von Tony Siege erwartet. Daher muss er bei seiner Wahl auch auf das Material achten.
Mit Rolf Aldag sprach Moritz Scheidl.
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