Gianetti: “Der beste Tag seiner Karriere“

Pogacar verdankt Niederlage gegen Vingegaard viel

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Pogacar verdankt Niederlage gegen Vingegaard viel"
Tadej Pogacar (UAE - Emirates - XRG) und Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard (Visma - Lease a Bike) am Ende der Frankreich-Rundfahrt 2023 | Foto: Cor Vos

25.12.2025  |  (rsn) – Als Tadej Pogacar 2019 die Tour de l’Avenir (2.2Ncup) gewann, war er in seinem zweiten U23-Jahr Teil des Drittdivisionärs ROG – Ljubljana. In einer – nachträglich kann man das nicht anders sagen – bärenstark besetzten Ausgabe hatte er unter anderem die jungen Profis Aleksandr Vlasov, Ivan-Ramiro Sosa, Joao Almeida und Tobias Foss hinter sich gelassen. Matxin Fernandez, Sportdirektor bei UAE – Emirates – XRG – hatte die jetzige Nummer 1 der Welt schon eine Zeit lang verfolgt, nach der Avenir hatte der Spanier den Slowenien nach Mailand eingeladen. Dort traf der dann erstmals auf Mauro Gianetti, der jetzt sein Teamchef ist.

“Wir haben dort unseren ersten Vertrag mit ihm unterzeichnet. Man merkte sofort, dass dieser Junge Charisma hat. Er war aufgeschlossen und unglaublich lernbegierig. Er war erst 19, wusste aber genau, was er wollte“, erinnerte sich Gianetti im Gespräch mit Wielerflits. “Er fragte, was er tun müsse, um sich zu verbessern. Wie er die Dinge angehen solle. Ich wusste sofort, dass er ein besonderer Typ war. Man konnte seine Energie spüren. Er war zuversichtlich, dass er ein Champion werden konnte, aber ohne Arroganz.“

UAE kauft 1998 und erntet schon 1999

Im gleichen Jahr unterschrieben auch die ebenfalls 1998 geborenen Almeida, Brandon McNulty und der spätere U23- Weltmeister Marc Hirschi bei der Mannschaft aus dem Nahen Osten. Aber Pogacar war schon damals etwas Besonderes: “Da war er eigentlich noch etwas zu dick, er wog vier Kilogramm mehr als jetzt. Bei den langen Anstiegen schlug er die besten Kletterer seiner Generation trotzdem“, blickte Gianetti zurück. “Wir hatten natürlich Erwartungen, aber damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Tadej sich zu dem Fahrer entwickeln würde, der er heute ist. Das hatte niemand erwartet.“

Schon in seiner Neo-Saison wurde aber klar, dass der damals 20-Jährige ein Supertalent ist. Seinen Einstand bei der Tour Down Under (2.UWT) beendete er noch als 13., seine zweite Rundfahrt, die Volta ao Algarve (2.Pro) gewann er im Februar bereits mit einem Etappensieg bei der Bergankunft in Foia als Bonus. Im Mai folgte der erste Sieg im Rahmen der WorldTour bei der Tour of California, wo er auch die Bergankunft auf dem Mount Baldy für sich entschied. Im September erfolgte gleich bei seiner ersten dreiwöchigen Rundfahrt der Grand-Tour-Durchbruch. Drei Etappensiege und den dritten Gesamtrang konnte er eine Woche vor seinem 21. Geburtstag feiern.

Schon 2020 gab es dann den ersten Toursieg, als er Primoz Roglic im Zeitfahren zur La Planche des Belles Filles noch abfing. Auch hier stand er bei drei Etappen auf dem höchsten Podest, zusätzlich gehörte ihm in Parus das Bergtrikot. Die gleiche Bilanz erzielte er 2021 bei der Grande Boucle. Es schien, als könnte nichts Pogacar noch aufhalten bei seinem Weg die Rekordbücher der Tour de France umzuschreiben.

Dann kam Vingegaard

Doch dann kam Jonas Vingegaard. Mit dem Dänen gab es 2022 und 2023 einen Fahrer, der bergauf besser war als der Slowene. Dem blieb zweimal nur Platz zwei beim Saisonhöhepunkt. “Seinen zweiten Tour-Sieg 2021 errang er so leicht. Er musste sich nicht anstrengen, sich verbessern. Vingegaards Siege hingegen zwangen ihn, alles zu geben. Sie machten ihn deutlich professioneller. Jetzt erntet er die Früchte seiner Arbeit“, analysierte Gianetti.

Einen besonderen Impact hat das 22,4 Kilometer lange Bergzeitfahren nach Combloux 2023 für sowohl Pogacar als auch seine Mannschaft gehabt. Vingegaard hatte dem UAE-Kapitän 1:38 Minuten abgenommen. “Das war ein wichtiger Tag für alle. Natürlich freut man sich über Siege, aber die wichtigsten Lektionen lernt man oft aus Niederlagen. Vingegaard war an diesem Tag beeindruckend stark. Und bei Tadej sahen wir einen Tag später am Col de la Loze, dass etwas nicht stimmte“, spielte er auf eine Krankheit an.

“Für mich war das der beste Tag seiner Karriere“, behauptete Gianetti, der damit aber vor allem die Wichtigkeit der Etappe hervorheben wollte. Er zollte Pogacar Respekt dafür, dass er nicht krank aufgab, sondern sich durchquälte. “Er respektierte die Tour, den Sieger Vingegaard, seine Mannschaftskollegen und sich selbst. Er akzeptierte die Niederlage und wollte bei der gleichen Tour noch seine Ehre retten. Drei Tage später gewann er die Vogesenetappe und er wurde Zweiter im Klassement.“

Doch auch bei der Mannschaft hatte sich etwas geändert. “Natürlich hat uns das die Augen geöffnet. Uns wurde klar, dass wir mehr in unser Zeitfahrrad investieren mussten, da es damals für die Anstiege nicht leicht genug war. Wir optimierten auch Tadejs Sitzposition auf dem Zeitfahrrad. Genau wie seinen Helm, die Kleidung … Wir nahmen alles genau unter die Lupe, um herauszufinden, wo wir ein paar Sekunden herausholen und den Abstand zu Visma - Lease a Bike verringern konnten“, beschrieb Gianetti.

Duelle in neue Sphären des Radsports

Was danach folgte, ist bekannt. Pogacar gewann die Tour 2024 und 2025 auf dominante Art und Weise. In diesen beiden Jahren entschied er außerdem den Giro d’Italia, zweimal die Weltmeisterschaft, die Lombardei-Rundfahrt (1.UWT), Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT), Strade Bianche (1.UWT) und 2025 die Flandern-Rundfahrt zu seinen Gunsten. In zwei Saisons gewann er insgesamt 45 Wettkämpfe; nur drei von ihnen nicht auf WorldTour-Niveau.

Während Vingegaard in beiden Jahren kaum an das Niveau des Weltranglistenersten herankam, fügten Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) ihm bei Mailand-Sanremo (1.UWT) und Paris-Roubaix (1.UWT) noch schmerzhafte Niederlagen hinzu. Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) dominierte den Dominator im Zeitfahren, gerade die Schmach bei der WM, als er vom Belgier eingeholt wurde, war für ihn “schwer zu ertragen“.

“Er liebt diesen Zweikampf. Vor allem, weil er seine Gegner sehr respektiert. Mathieu ist ein Freund von ihm, aber sie messen sich in ihren jeweiligen Klassikern, um herauszufinden, wer der Beste ist. Dasselbe gilt für Vingegaard und Roglic bei der Tour de France. Er braucht diesen Wettkampf auch, um sein volles Potenzial auszuschöpfen“, erläuterte Gianetti auch mit Blick auf die Niederlage vom Col de Loze. “Die Duelle machen den Radsport für ihn spannender. Er will gegen die Besten gewinnen, nicht weil es keine Konkurrenz gäbe. Deshalb erleben wir momentan vielleicht den besten Radsport aller Zeiten“, befand der Schweizer.

Weitere Radsport-Markt-Nachrichten

25.12.2025“Harzige Saison“ ohne Sieg und Tour, aber mit Doppelbronze

(rsn) – Stefan Küng ist sicher kein Legionär. Nach insgesamt sechs Jahren bei BMC sowie derer sieben bei Groupama – FDJ steht 2026 erst zum zweiten Mal in seiner Profilaufbahn ein Tapetenwechsel

25.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

25.12.2025Auf Trainingsgruppe schießender Autofahrer festgenommen

(rsn) – Drei Tege nachdem die Trainingsgruppe des Drittdivisionärs S.C. Padovani Polo - Cherry Bank im Etschtal aus einem fahrenden Auto heraus aus nächster Nähe beschossen wurde, wurde der mutma

25.12.2025Baroncini: “Ein Wunder, dass ich noch lebe und sehen kann“

(rsn) – Am 6. August stürzte Filippo Baroncini (UAE – Emirates – XRG) bei der Polen-Rundfahrt (2.UWT) schwer. Er wurde in ein künstliches Koma versetzt und es wurde um sein Leben gefürchtet.

25.12.2025In Chongming um den WorldTour-Sieg gebracht

(rsn) – Zum dritten Mal in ihrer Karriere eroberte Kathrin Schweinberger (Human Powered Health) das Trikot der Österreichischen Meisterin, nachdem sie sich im Burgenland aus einer frühen Gruppe he

25.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

24.12.2025Saisonziel erster Profisieg schon früh im Jahr erreicht

(rsn) – Fabio Christen stammt aus einer radsportbegeisterten Familie. Der ältere Bruder von Jan Christen (UAE Emirates – XRG) hat bei Q36.5 Pro Cycling seine sportliche Heimat gefunden und ver

24.12.2025Thomas: “Oscar passt perfekt zu diesem Projekt“

(rsn) – Nach offensichtlich wochenlangen Verhandlungen haben sich Picnic - PostNL und Ineos Grenadiers über einen vorzeitigen Wechsel von Oscar Onley geeinigt. Wie beide Teams bestätigen, wird der

24.12.2025In einem Bilderbuchjahr “mich immer wieder selbst überrascht“

(rsn) – Wenn man dem Begriff ´Beständigkeit´ im deutschen Profiradsport in den letzten Jahren einen Namen geben sollte, dann sicherlich den von Franziska Koch (Picnic – PostNL). Mittlerweile g

24.12.2025Powless auch weiterhin mit EF auf Klassikerjagd

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

23.12.2025Del Grosso schlägt van Aert in Heusden-Zolder im Sprintduell

(rsn) – Tibor del Grosso (Alpecin – Deceuninck) hat in Heusden-Zolder seinen ersten internationalen Profisieg im Cross gefeiert. Bei der Superprestige war er im Sprintduell schneller als Wout van

23.12.202517.600 Fans beim Comeback: Hofstade reif für eine WM?

(rsn) – Erstmals seit 17 Jahren wurde in Hofstade wieder ein Crossrennen ausgetragen – und die Rückkehr in den Kalender war ein voller Erfolg. Nach Angaben der Veranstalter sahen 17.600 Zuschauer

JEDERMANN-RENNEN DIESE WOCHE
  • Keine Termine