Sechster bei emotional schwieriger Heim-WM

Hirschi fährt smart, hat aber nicht das nötige Glück fürs Podium

Von Felix Mattis aus Zürich

Foto zu dem Text "Hirschi fährt smart, hat aber nicht das nötige Glück fürs Podium"
Marc Hirschi (re.) belegte im WM-Straßenrennen der Männer hinter Remco Evenepoel (li.) den sechsten Platz | Foto: Cor Vos

30.09.2024  |  (rsn) – Marc Hirschi war der große Hoffnungsträger der Schweizer Fans bei den Heim-Weltmeisterschaften in Zürich. Der 26-Jährige galt nach seinem überragenden Spätsommer mit sechs Siegen in 15 Renntagen seit Mitte Juli als einer der Geheimfavoriten auf den Titel und wurde den Erwartungen gerecht – auch wenn sich das im Ergebnis mit Rang sechs letztlich nicht ganz widerspiegelte. Doch bis drei Kilometer vor Schluss hatte er noch Chancen auf Silber, und vor allem: Hirschi fuhr ein sehr smartes Rennen.

"Ich bin schon glücklich mit meiner Leistung. Tadej (Pogacar) war heute der absolut stärkste. Man kann ihn nur schlagen, wenn er taktisch einen Fehler macht oder er sonst irgendwie das Rennen verliert", erklärte Hirschi, warum das Regenbogentrikot für ihn ohnehin kaum erreichbar gewesen war. So war die siebenköpfige Gruppe, die schließlich um Platz zwei fuhr, das Maximum. Und dass er dort dann die Medaillen verpasste, war ein wenig auch dem Pech geschuldet.

"Es war eine Lotterie. Schade, dass es nicht für den zweiten Platz gereicht hat. Ich denke, dass jeder aus unserer Gruppe, wenn er den richtigen Moment erwischt hätte, das hätte schaffen können. Ben O'Connor hat das super gemacht", so Hirschi gegenüber radsport-news.com zum Finale am Zürichsee, in dem er selbst sich auf den sprintstärksten der Gruppe, Mathieu van der Poel, konzentrierte und dann O'Connor gut zwei Kilometer vor Schluss die entscheidende Attacke für Silber setzte, der keiner folgte. "Im Sprint habe ich versucht, das Rad von Mathieu zu halten, aber ich war zum Schluss einfach nur platt."

"An der Unfallstelle vorbeizufahren – das war nicht einfach"

Für Hirschi und das gesamte Schweizer Team waren die letzten Tage vor dem Straßenrennen sehr schwer. Nach dem Tod der 18-jährigen Muriel Furrer in Folge eines Sturzes im WM-Rennen der Juniorinnen wich die Freude über die Heim-WM großer Trauer. Und auch im Rennen am Sonntag selbst konnte das niemand vollständig verdrängen. "Es war sehr emotional, schon der Start – auch beim Staff, die mit Muriel viel zu tun hatten", erzählte Hirschi. "Es war eine sehr traurige Stimmung im Team. Und wenn du dann noch im Rennen jedes Mal an der Unfallstelle vorbeifährst – das war nicht einfach."

Während Teamkollege Silvan Dillier die Schweizer Fahne zu Furrers Ehren im Rennen von Beginn an in der frühen Ausreißergruppe hochhielt, tat Hirschi das schließlich im Finale, das mit der Attacke von Pogacar bereits 100 Kilometer vor Schluss für viele überraschend früh eröffnet wurde. Hirschi selbst, bei UAE Emirates Teamkollege des Slowenen, war davon aber weniger überrumpelt.

"Sein Angriff kam sicher früher, als ich erwartet hätte. Aber so wie der Rennverlauf war, war es eigentlich nicht überraschend. Denn es war eine Gruppe vorne, die richtig gefährlich war", meinte der Schweizer. "Die Belgier waren drin, Tratnik war drin. Von daher war es eigentlich nicht überraschend, denn wenn Tadej da vorfährt, hat er einen Helfer bei sich vorne. Und sonst verliert er vielleicht das Rennen."

Pogacar zu folgen, daran dachte in der Steigung nach Witikon aber kaum jemand ernsthaft, auch Hirschi nicht. Remco Evenepoel und Mathieu van der Poel gestanden nach dem Rennen, dass sie die Attacke des Slowenen für ein Selbstmord-Kommando hielten. Und Hirschi meinte: "Wenn ich da mitgegangen wäre, wäre ich wahrscheinlich explodiert."

Gelaufen war das Rennen durch Pogacars Vorstoß in Hirschis Augen aber noch nicht. Es schien noch möglich, den Slowenen durch gute Zusammenarbeit im noch immer recht großen Feld zurückzuholen. Vorentscheidend sei dann jedoch gewesen, was genau eine Runde später geschah: Belgien bereitete mit Tim Wellens und Maxim Van Gils eine Gegenattacke von Remco Evenepoel vor, der aber nicht allein wegkam. Von da an, rund 75 Kilometer vor Schluss, waren dadurch aber die meisten Helfer in der Favoritengruppe verbraucht und es kam auf die Zusammenarbeit der Kapitäne an.

Evenepoels Konterattacke beendet die konzertierte Nachführarbeit

"Es wäre besser gewesen, wenn Remco noch eine Runde gewartet hätte und Belgien als Team etwas geregelter nachgefahren wäre. Aber als er losgefahren ist, waren quasi keine Helfer mehr da und dann war es schwierig, weil jeder wusste: Wenn ich jetzt richtig mitfahre, hängen sie mich am nächsten Berg ab. Deshalb war ab da allen klar, dass es sehr schwierig wird, Pogacar zurückzuholen", erklärte Hirschi die Dynamik in den Verfolgergruppen.

Eine weitere Runde später zerriss die zuvor noch relativ große Gruppe und Hirschi fuhr vorne mit, um dann in der Schlussrunde hinauf nach Witikon selbst zu attackieren und für die letzte Selektion hinter Solo-Spitzenreiter Pogacar zu sorgen. Zunächst konnte ihm dabei nur Enric Mas folgen.

Doch über die Kuppe bildete sich schließlich jene Gruppe mit van der Poel, O'Connor, Evenepoel, Toms Skujins, Ben Healy, Mas und Hirschi, die schließlich Silber und Bronze ausfuhren. Zu siebt kamen sie zwischenzeitlich sogar nochmal auf 35 Sekunden an Pogacar ran, doch auf dem Weg hinunter an den Zürichsee baute der seinen Vorsprung wieder etwas aus und so konnten sie den Slowenen nicht mehr gefährden.

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