Roglic verliert beim Giro-Auftakt 43 Sekunden

Evenepoel fliegt in sein erstes Maglia Rosa

Von Sebastian Lindner

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Remco Evenepoel gewinnt das Auftaktzeitfahren des 106. Giro d´Italia | Foto: Cor Vos

06.05.2023  |  (rsn) - Eine derartige Machtdemonstration direkt auf der 1. Etappe des Giro d'Italia war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Aber Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) hat es dennoch getan und das Auftaktzeitfahren über 19,6 Kilometer zwischen Fossacesia und Ortona in 21:18 Minuten eindeutig für sich entschieden. Damit führt der 23-Jährige erstmals in seiner Karriere die Gesamtwertung der Italien-Rundfahrt an und trägt Rosa.

Evenepoel lieferte auf dem die letzten drei Kilometer profiliert verlaufendem Kurs einen Schnitt von 55,2 km/h ab und war damit deutlich schneller als Filippo Ganna (Ineos Grenadiers), der mit 22 Sekunden Rückstand Zweiter wurde. Platz drei sicherte sich Joao Almeida (UAE Team Emirates / +0:29) vor Tao Geoghegan Hart (Ineos Grenadiers / +0:40) und Stefan Küng (Groupama – FDJ / +0:43). Primoz Roglic (Jumbo – Visma), neben Evenepoel Topfavorit auf den Giro-Sieg, kassierte auf seinen ärgsten Rivalen ebenfalls 43 Sekunden und wurde Sechster.

Evenepoel schneller als die eigene Vorhersage

“Das ist das beste Resultat, welches wir am ersten Tag erzielen konnten“, brachte Evenepoel die Situation nach dem ersten Kräftemessen gegenüber Eurosport auf den Punkt. “Wir wollten es so schnell wie möglich angehen und waren schnell genug.“ Der Plan ging auf. An der ersten Zeitmessung nach 9,8 Kilometern dürfte die Marke des Belgiers bei der Konkurrenz bereits für Schnappatmung gesorgt haben, waren es doch hier schon zwölf Sekunden Vorsprung auf Ganna.

Damit übertraf der Belgier die eigene Vorstellung. “Ich sagte im Bus, dass 20:30 Minuten für den Sieg reichen, am Ende war ich ein wenig schneller als meine Vorhersage. Ich bin am Anfang fast alles mit demselben Gang gefahren und mit der gleichen Trittfrequenz, von dem her kann ich nur zufrieden sein.“ Dass dadurch schon beträchtliche Zeitabstände zur Konkurrenz zustande kamen – für den Moment Nebensache. "Ich will mich gar nicht auf den Vorsprung konzentrieren, sondern freue mich über den Sieg. Nun heißt es, so viele Körner wie möglich sparen bis zum nächsten Zeitfahren und gut durch die erste Woche kommen. Wir glauben, dass wir es bis zur 4. Etappe behalten können. Ich kann das jetzt genießen, weil es eine wirklich schöne Rückkehr zum Giro war."

Doch nicht alle waren derart zufrieden wie der Weltmeister. “Das Ergebnis ist hart wegzustecken“, sagte Küng. “Ich habe mich so gut es geht vorbereitet auf diesen Giro. Und das war heute mein Maximum. Remco hat sich weiterentwickelt und steht nun über allen. Ich war zu weit hinten, um noch um den Tagessieg mitzukämpfen.“ Damit geht der Blick des Schweizers aber bereits wieder nach vorne. “Es kommt noch ein großes Zeitfahren. Das sollte mir besser liegen. Es war mein erstes Rennen seit Roubaix. Ich dachte schon, dass es schwer wird für mich heute, aber am Sonntag wartet ja noch eine Chance.“

Kämna verliert fast anderthalb Minuten

Mit Blick auf die Gesamtwertung hat der Auftakt nicht nur unter den Topfavoriten schon deutliche Abstände hervorgebracht. Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) ist mit 2:02 Minuten Rückstand der vermeintlich schlechteste Aspirant für ein Top-10-Ergebnis in der Endabrechnung beim Giro. Hugh Carthy (EF Education - EasyPost) war mit 1:56 Minuten hinter Evenepoel nicht deutlich besser. Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) kassierte 1:43 Minuten. Auch Jack Haig (Bahrain Victorious) und Rigoberto Uran (EF Education - EasyPost) haben bereits mehr als anderthalb Minuten Rückstand.

Und auch Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) muss nach Tag eins bereits 1:23 Minuten mit sich herumschleppen. Damit ist er zeitgleich mit Nico Denz als 22. bester Deutscher. Der 26-Jährige wollte von einer Enttäuschung aber nichts wissen. “Top 10 wäre schön gewesen, wenn ich noch in Schlagdistanz zu den anderen Gesamtwertungsfahrern bin, dann war das ein guter Start. Es war weit weg von einer Katastrophe, alles im Rahmen.“

Rund eine halbe Minute hat Kämna auf den Großteil der Favoriten eingebüßt. Jay Vine, Brandon McNulty (beide UAE Team Emirates), Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) und Teamkollege Aleksandr Vlasov landeten allesamt in den Top 10 mit Zeiten zwischen 46 und 55 Sekunden hinter Evenepoel.

Der vereint nach der 1. Etappe alle Trikots auf sich – abgesehen vom Maglia Azzurra. Das gehört McNulty, der die ausgeschriebene Bergwertung der 4. Kategorie mit der schnellsten Zeit für den hügeligen Teil des Rennens ab Kilometer 16,8 bis ins Ziel für sich entschied.

So lief die 1. Etappe des Giro d'Italia:

176 Fahrer starteten bei 22 Grad und einem Sonne-Wolken-Mix mit leichtem Rückenwind auf die Strecke, die mit zwei Zwischenzeiten nach 9,8 und 16,8 Kilometern versehen war.

Das Profil der 1. Etappe | Foto: Veranstalter

Wie schon beim Prolog der Tour de Romandie war es Nico Denz (Bora – hansgrohe), der früh im Rennen einen Bestwert lieferte. Seine 22:41 Minuten wurden kurz darauf vom Südafrikanischen Zeitfahr-Meister Stefan de Bod (EF Education – EasyPost) um neun Sekunden unterboten. De Bod saß fast eine Stunde auf dem Hot Seat, ehe ihn Mads Pedersen (Trek – Segafredo) verdrängen konnte.

Dann kam Brandon McNulty (UAE Team Emirates). Der US-Amerikaner war der Erste, der einen Schnitt über 53 km/h lieferte und im Ziel 14 Sekunden schneller als Pedersen war. Noch an der zweiten Zwischenzeit, genommen vor dem hügeligen Etappenfinale, hatte er elf Sekunden Rückstand auf den Dänen gehabt.

McNulty wurde später von seinem Teamkollegen Jay Vine verdrängt. Der Australische Meister im Kampf gegen die Uhr lieferte an den Zwischenzeiten jeweils Bestwerte und rettete letztendlich zwei Sekunden ins Ziel. Doch lange konnte auch er sich nicht über die Bestzeit freuen, denn kurz nach ihm knackte Tao Geoghegan Hart (Ineos Greandiers) als Erster die 22-Minuten-Marke.

Deutlich verbessert wurde dieser Wert dann von Joao Almeida (UAE Team Emirates), der 21:48 Minuten hinlegte. Danach wechselte die Top-Zeit nur noch einmal, denn Evenepoel lieferte eine Zeit, an die auch Ganna, Roglic und Küng nicht mehr heranreichen konnten.

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