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03.08.2020 | (rsn) – Spätestens mit Bekanntgabe der Verpflichtung von Chris Froome war es ein offenes Geheimnis, dass sich Nils Politt (Israel Start-Up Nation) wohl nach einer neuen sportlichen Heimat umschauen würde. Schon im vergangenen Herbst hätte er sich gerne anderweitig orientiert, war aber nach der Übernahme der WorldTour-Lizenz von Katusha – Alpecin durch den israelischen Rennstall vertraglich gebunden. Nun ist Politt bei Bora – hansgrohe untergekommen – für beide Seiten ein ausgesprochen geschickter Schachzug mit hohem Erfolgspotenzial.
Politt hat angesichts des Dreijahresvertrags langfristig Planungssicherheit. Zudem liegt trotz immer stärker werdender Rundfahrerfraktion der Bora–hansgrohe-Teamleitung auch die Klassikerabteilung um Peter Sagan weiterhin sehr am Herzen. Der Zweite von Paris-Roubaix 2019 kann sich also sicher sein, in den großen Klassikern bestmögliche Unterstützung zu bekommen. Bei seinen Lieblingsrennen wie Flandern-Rundfahrt oder Paris – Roubaix muss sich der Rheinländer zwar in der kommenden Saison die Kapitänsrolle noch mit Sagan teilen. Dafür wird er eine starke Mannschaft an seiner Seite haben, was Politt zunächst bei Katusha – Alpecin und nun auch bei der Israel Start-Up Nation vermisste.
Deshalb waren teamtaktische Manöver kaum möglich, es kam letztlich immer auf Politts Cleverness und physische Stärke an. An der Seite des bärenstarken Sagan wird Politt zwar etwas weniger mediale Aufmerksamkeit erhalten, sich aber auch weniger starkem Druck ausgesetzt sehen. Zudem eröffnen sich dem Power-Duo 2021 viele taktische Optionen. Sagan wäre nicht mehr der einzige Bora-Profi, auf den sich die Konkurrenten fokussieren müssten - andererseits wird Politt seine Freiheiten bekommen und Bora – hansgrohe insgesamt nicht mehr so leicht auszurechnen sein.
Für den Rennstall aus Raubling bedeutet die Verpflichtung des großen Allrounders natürlich eine weitere Stärkung der deutschen Fraktion. Manager Ralph Denk ist seinem Anspruch, die besten heimischen Fahrer in seinem Team zu vereinen, einen weiteren großen Schritt näher gegekommen. Mit Emanuel Buchmann, Pascal Ackermann, Maximilian Schachmann, Lennard Kämna und künftig Politt hat er ein starkes Quintett beisammen, das den internationalen Radsport über die kommenden Jahre mitbestimmen wird.
Mit Sagan als Power-Duo zu den Klassikern
Mit Politt ist Bora - hansgrohe künftig speziell bei den Klassikern, aber auch in kleineren Rundfahrten, noch breiter aufgestellt und braucht sich vor Mannschaften wie Deceuninck – Quick-Step oder Jumbo – Visma nicht zu verstecken. Allerdings könnte der Transfer auch schon ein Vorgriff auf 2022 sein, läuft Sagans Vertrag doch zum Ende der kommenden Saison aus. Der dreimalige Weltmeister ist immer noch ein großer Medienmagnet und beschert seinem Team viel Aufmerksamkeit – was ganz besonders die Sponsoren freut.
Allerdings deutet sich bei Sagan seit einiger Zeit an, dass er über den Zenit seines Leistungsvermögens hinaus sein könnte: Im Sprint ist er nicht mehr der Schnellste und bei den Klassikern war Sagan - auch aufgrund von Erkrankungen - ohne Fortune. Nun muss auch Denk kalkulieren, wie viel sportlichen Nutzen ihm sein Topstar bei fürstlicher Entlohnung noch bieten könnte. Hinzu kommt, dass die anderen Leistungsträger durch ihre Erfolge bei den zuletzt erfolgten Vertragsverlängerungen finanziell sicherlich nicht zurückgesteckt haben werden. Auch ist Bora - hansgrohe längst nicht mehr nur auf seinen Superstar aus der Slowakei ausgerichtet und könnte durch einen Abschied von Sagan Ende 2021 größeren finanziellen Spielraum gewinnen.
Für Politt wäre auch das ein nicht unrealistisches Szenario: 2021 an der Seite von Sagan fahren, sich dabei vom Ronde- und Roubaix-Gewinner noch das ein oder andere abschauen – um dann 2022 als alleiniger Kapitän mit Bora - hansgrohe in die Klassiker zu ziehen.
Dagegen verliert die Israel Start-Up Nation mit dem fast zwei Meter großen Deutschen ihren derzeit stärksten Fahrer. Allerdings liegt der Fokus mit Froome künftig voll und ganz auf den Rundfahrten. Ob der Schachzug aufgeht, den jungen Politt ziehen zu lassen und statt dessen alles auf den fast zehn Jahre älteren Froome zu setzen, dessen Leistungsfähigkeit nach seinem schweren Sturz 2019 noch nicht einzuschätzen ist, wird sich zeigen müssen.
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