Van der Poel gewann Amstel Gold Race 2019

Eine emotionale und verrückte Achterbahnfahrt

Von Eric Gutglück

Foto zu dem Text "Eine emotionale und verrückte Achterbahnfahrt "
Mathieu van der Poel nach seinem Amstel-Gold-Triumph 2019: am Boden, aber glücklich | Foto: Cor Vos

19.04.2020  |  (rsn) – Man nehme eine falsche Abstandsmessung, würze mit einem Spitzenduo, das sich deshalb verpokert und garniere das Ganze mit einer famosen  Aufholjagd, die von einem Sieg gekrönt wird: So in etwa würde die Rezeptur für ein Radrennen mit einem Herzschlagfinale aussehen. Beim Amstel Gold Race 2019 landeten genau diese Zutaten in einem Topf und sorgten für einen Radsport-Leckerbissen.

Etwa fünf Kilometer vor dem Ziel des ersten Ardennenklassikers wurde dem Spitzenduo Julian Alaphilippe (Deceuninck – Quick-Step) und Jakob Fuglsang (Astana) ein Vorsprung von einer Minute auf den nächsten Verfolger Michal Kwiatkowski (Sky) angezeigt. Eine größere Gruppe, unter anderem mit Mathieu van der Poel (Corendon - Circus) und Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe), lag noch weiter zurück. Also begannen sich die beiden Spitzenreiter zu belauern, in dem Glauben, dass einer von beiden mit Sicherheit das Rennen gewinnen würde. Doch tatsächlich war die Zeitangabe falsch, was die beiden Führenden erst bemerkten, als zunächst Kwiatkowski auf den letzten 1000 Metern zur Spitze aufschloss.

Doch 400 Meter vor dem Ziel geschah das Unfassbare: Van der Poel hatte die nächste Gruppe quasi im Alleingang an die Spitze herangefahren und dabei über mehr als zehn Kilometer die Führungsarbeit verrichtet. Normalerweise bedeutet das, dass die Körner für einen kraftvollen Sprint fehlen und die Siegchance gen Null geht. Allerdings war an diesem Tag nichts normal: Van der Poel eröffnete sofort nach dem Zusammenschluss den Sprint und überrumpelte damit die meisten seiner Kontrahenten. Einzig Simon Clarke (EF – Education First) wurde dem Niederländischen Meister noch gefährlich. Doch van der Poel sicherte sich 29 Jahre nach seinem Vater Adrie den Sieg beim "Bierrennen“.

Der Sieger fasste sich direkt hinter der Ziellinie an den Kopf und war regelrecht fassungslos. "Ich kann es nicht glauben. Ich habe wirklich nicht mehr mit dem Sieg gerechnet. Ich hatte mich gut gefühlt und früh am Gulpenberg attackiert, aber das zahlte sich nicht aus. Am Ende ging ich Vollgas und hoffte, dass sich die Spitzenreiter belauern würden. Es ist unglaublich", sagte van der Poel, als er durchgeatment hatte.

Auf den letzten 40 Kilometern überschlugen sich die Ereignisse

Das Amstel Gold Race kann man ohnehin sehr gut mit einer Achterbahnfahrt vergleichen. Der Startort Maastricht und das Ziel in Berg-en-Terblijt liegen keine 20 Kilometer auseinander. Dennoch müssen die Radprofis jedes Jahr knapp 265 Kilometer durch die Provinz Limburg zurücklegen, gespickt mit rund 30 Anstiegen. Auf mehreren Schleifen geht es also permanent links, rechts, hoch und runter. Daran haben auch die Streckenanpassungen der letzten Jahre nichts geändert. Doch die Austragung von 2019 sollte sich für Fahrer und Fans auch zu einer emotionalen Achterbahn entwickeln.

Dabei verlief das Rennen zunächst wie viele andere auch. Nach 25 Kilometern machten sich elf Fahrer auf die Reise, den Tag in der Spitzengruppe zu verbringen. Bis zu acht Minuten gewährten die Favoriten den Ausreißern. Lange passierte nichts, doch ab Kilometer 43 vor dem Ziel überschlugen sich die Ereignisse. Am Gulpenberg hielt van der Poel die Beine nämlich nicht mehr still: Der Niederländer griff aus dem Feld an und bildete mit Gorka Izagirre ein Verfolgerduo. Doch der Angriff verpuffte und die Favoriten holten sowohl das Duo als auch die restlichen Ausreißer ein.

Das animierte 34 Kilometer vor dem Ende Julian Alaphilippe und Jakob Fuglsang zur Attacke. Im bis zu 15 Prozent steilen Kruisberg setzte sich das Duo ab. Van der Poel, der eben noch in die Offensive gegangen war, konnte dem Vorstoß nicht folgen. Das Duo nahm die letzten Kilometer in dem Glauben in Angriff, dass der Sieg aufgrund des Vorsprungs von einer Minute sicher sei. Doch van der Poel drehte eine aussichtslose Situation mit einer Mischung aus Kampfgeist, Stärke und Glück und feierte seinen bislang größten Triumph auf der Straße.

"Ich habe versucht, mich bis ins Finale noch etwas zu erholen. Dann wurde einer nach dem anderen von vorne wieder eingeholt und ich hatte noch etwas im Tank. Ich habe meinen Sprint 400 Meter vor dem Ziel gestartet und dann einfach alles gegeben. Es war alles oder nichts. Und am Ende wurde es alles“, fasste van der Poel das dramatische Finale des Amstel Gold Race 2019 zusammen.

Das Finale des Amstel Gold Race im Video:

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.04.2021Beim Amstel Gold Race sollte es zwei Sieger geben!

(rsn) – Im belgischen Fernsehen bejubelte der Kommentator gerade den Sieg seines Landmanns Wout Van Aert beim Amstel Gold Race. Als jedoch der Zielfilm eingeblendet wurde, blieb ihm die Freude förm

22.09.2020Entscheidung über Amstel Gold Race Ende der Woche

(rsn) - Ob das Amstel Gold Race wie geplant am 10. Oktober in der niederländischen Provinz Limburg stattfinden kann, wird angesichts der aktuell stark steigenden Infektionszahlen mit Covid-19 in der

17.04.2020Video-Rückblick: Gilbert landet 2017 vierten Amstel-Gold-Coup

(rsn) - Philippe Gilbert holte sich vor drei Jahren seinen insgesamt vierten Sieg beim Amstel Gold Race. Der Belgier ließ nach 261 Kilometern zwischen Maastricht und Berg en Terblijt im Zweiersprint

14.04.2020Amstel Gold Race: Virtuelle Version für Profis und Hobbyfahrer

(rsn) - Auch die Organisatoren des Amstel Gold Race bieten dem Publikum am Sonntag an Stelle der wegen der Corona-Pandemie abgesagten 55. Auflage des niederländischen Frühjahrsklassikers eine virtue

06.04.2020Amstel Gold Race: Rennleiter van Vliet hofft auf neuen Termin

(rsn) - Leo van Vliet ist zuversichtlich, dass das wegen der Corona-Pandemie für den etatmäßigen Termin am 19. April abgesagte Amstel Gold Race noch in diesem Jahr nachgeholt werden kann. “Wir ha

19.03.2020NADA kontrolliert nur noch in reduziertem Umfang

(rsn) - Die Nationale Doping-Agentur NADA wird in der Corona-Krise ihr Kontrollsystem nur noch “in reduziertem Umfang“ fortführen können. “Da die Olympischen und Paralympischen Spiele bisher w

28.01.202055. Amstel Gold Race mit Titelverteidiger van der Poel

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) kann seinen Titel beim Amstel Gold Race verteidigen. Wie die Organisatoren des ersten der drei Ardennenklassiker auf Twitter mitteilten, erhielt das Te

Weitere Radsportnachrichten

11.11.2025Sweeck im Sprintduell gegen Vandeputte zum ersten Saisonsieg

(rsn) – Nach einem packenden Finale hat Laurens Sweeck (Crelan – Corendon) den dritten von acht Läufen der Superprestige-Serie beim Jaarmarktcross in Niel für sich entscheiden können. In einer

11.11.2025Brand dreht in Niel den Spieß gegen van der Heijden um

(rsn) – Nur drei Tage nach dem verpassten Europameistertitel hat Lucinda Brand (Baloise - Glowi Lions) bei der Superprestige in Niel Revanche genommen. Ähnlich wie die Europameisterin Inge van der

11.11.2025Jesús Herrada von Cofidis zu Burgos - Burpellet – BH

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

11.11.2025Wettskandale in anderen Sportarten: UCI will Kontrollen verschärfen

(rsn) – Angesichts zahlreicher Wettskandale in anderen Sportarten will der Radsportweltverband UCI seine Kontrollen verschärfen, um zu verhindern, dass es auch im Radsport zu Manipulationen kommt.

11.11.2025Rembe - rad-net ab 2026 auch mit Frauenteam

(rsn) – Rembe - rad-net wird in der kommenden Saison auch ein Frauenteam an den Start schicken. Wie der Rennstall aus dem Sauerland mitteilte, habe man beim Radsportweltverband UCI ein weibliches Ko

11.11.2025Ein Lidl-Arbeitstier, ein China-Abenteurer und einige KT-Größen

(rsn) – 139 Fahrer haben sich mit unserem neuen Punktesystem für die Radsport-News-Jahresrangliste 2025 qualifiziert. Nicht alle können wir in den letzten zwei Monaten des Jahres auch mit komple

11.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Urvater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt

10.11.2025Vingegaard: Lieber Grand-Tour-Triple als dritter Tour-Sieg?

(rsn) – Was wiegt mehr? Drei Siege bei der Tour de France oder Siege bei jeder großen Landesrundfahrt? “Ich denke, ich würde lieber alle drei Grand Tours gewinnen“, sagte Jonas Vingegaard (Vi

10.11.2025Lidl – Trek verpflichtet Eisel als Sportlichen Leiter

(rsn) – Nach vier Jahren bei Red Bull – Bora – hansgrohe hat Bernhard Eisel ein neues Team gefunden. Der Österreicher wird künftig als Sportlicher Leiter bei Lidl – Trek tätig sein. Das ga

10.11.2025Tour Down Under 2026: Königsetappe mit drei Mal Willunga Hill

(rsn) - Zum Auftakt in die WorldTour 2026 steht ein 3,6 Kilometer langer Prolog in Adelaide. Das kurze Zeitfahren steht am ersten Tag der Tour Down Under (2.UWT) an, wie die Organisatoren bei der PrÃ

10.11.2025Peiper kehrt bei Red Bull in den Radsport zurück

(rsn) – Allan Peiper kehrt nach seiner Genesung von einer Krebserkrankung in die WorldTour zurück und wird Berater der Sportabteilung bei Red Bull – Bora – hansgrohe. In dieser Funktion wird d

10.11.2025De Vlaeminck über Pogacar: “Besser als Merckx? Komm schon…“

(rsn) – Roger De Vlaeminck, insgesamt elffacher Sieger bei allen fünf Radsport-Monumenten, hat eine klare Meinung zum Vergleich zwischen der heutigen Fahrergeneration und der damaligen. Der Belgie

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)