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18.09.2019 | (rsn) - Hallo aus Siak, Sumatra, Indonesien! In diesem Tagebuch werde ich euch die nächsten Tage von der Tour de Siak, UCI Kategorie 2.2, auf Sumatra in Indonesien berichten. Ich bin die Rundfahrt bereits letztes Jahr gefahren und kenne daher die Strecken, die hauptsächlich flach sind. Höchste Erhebung hier in der Gegend ist nämlich eine große Brücke, die wir auf den meisten der vier Etappen mehrmals befahren werden. Wie bereits bei vier Rundfahrten dieses Jahr werde ich wieder für das NEX Cycling Team aus Singapur starten und meine Teamkollegen sind diesmal ein Russe, der in Thailand lebt, ein Franzose, der in Vietnam lebt, ein Philippiner und ein Indonesier.
Seit bereits einer Woche bin ich nun in Indonesien und schon eine kleinere dreitägige Rundfahrt auf Java zur Akklimatisierung gefahren, denn ich habe aus meinen Fehlern anfangs des Jahres gelernt. Damals war ich im Februar direkt aus dem deutschen Winter in die subtropische Hitze der Philippinen geflogen und nur einen Tag vor der Ronda Philipinas angekommen, was sich im Rennen böse gerächt hat. Die Rundfahrt auf Java bestand aus einem schweren Bergzeitfahren, einem brutal harten Straßenrennen und einem schnellen Kriterium und es waren etwa 100 Fahrer am Start. Das Bergzeitfahren war sehr technisch und führte auf einer kleinen engen Straße über steile Anstiege und Abfahrten zu einer Bergankunft, weshalb ich nach der Streckenbesichtigung meinen Zeitfahraufsatz wieder demontierte.
Im Straßenrennen mussten wir viele wahnsinnig steile Anstiege zwischen 20 und 30% erklimmen und der Schlimmste führte über etwa 600 hm. Wie viele andere Fahrer war ich darauf nicht vorbereitet, denn im Vorjahr war die Strecke deutlich einfacher gewesen, und war daher mit einer viel zu dicken Übersetzung von 39x30 unterwegs. Schlangenlinien fahrend wuchtete ich mich gefühlt vertikal nach oben und hoffte die ganze Zeit, mich auf dem Rad halten zu können und es nicht den vielen Fahrern gleich tun zu müssen, die abstiegen und ihr Rad schoben. Vor allem ärgerte ich mich darüber, dass ich nicht mein 34er Kettenblatt montiert hatte, aber niemand hatte mir gesagt, dass es so lange so verdammt steil sein würde. Am nächsten Tag kursierte von den schiebenden Fahrern ein schönes Video auf Facebook.
Kaum weniger schlimm und vor allem verdammt gefährlich war die folgende Abfahrt, denn es ging auf enger, schlechter und verschmutzter "Straße" ebenso steil wieder hinunter. Ich betete, dass meine Bremsen nicht versagen würden und hatte die ganze Zeit Angst davor, durch das Dauerbremsen einen platzenden Schlauch wegen Überhitzung zu bekommen, denn das war mir letztes Jahr auf einer ähnlichen Abfahrt bereits passiert. Es war eigentlich unverantwortlich ein Rennen mit Straßenrädern über solch eine Abfahrt zu führen und das sah nicht nur ich so. Das Rennen interessierte mich dann auch nicht mehr sonderlich, sondern nur noch, es heil ins Ziel zu schaffen, was mir im Gegensatz zu meinem russischen Teamkollegen, der am Vortag das Bergzeitfahren gewonnen hatte, zum Glück auch gelang.
Bei dieser Rundfahrt machten bereits Gerüchte die Runde, dass die Tour de Siak eventuell abgesagt werden könnte, denn auf Sumatra wüten bereits seit Wochen schlimme Waldbrände und der Rauch führt zu einer sehr schlechten Luftqualität. Ich konnte mir darunter nicht viel vorstellen bis wir am Montag in Pekanbaru gelandet sind, denn dort war alles in Rauch gehüllt. Als wir den Flughafen verließen sah ich einen Löschhubschrauber, an dem an einem Seil ein Wasserbehälter hing und roch sofort den Brandgeruch, der in der Luft lag. Noch hatte ich die Hoffnung, dass sich auf dem mehrstündigen Transfer zum Hotel der Rauch lichten würde, doch das war leider nicht der Fall. Die ganze Zeit über fuhren wir an Palmölplantagen vorbei wie durch dichten Nebel und die Sonne oder der Himmel waren nicht zu sehen.
In ganz Indonesien wüten jedes Jahr unzählige Waldbrände, die oft illegal gelegt werden, um den Regenwald zu beseitigen und die unsäglichen Palmölplantagen anzulegen. Hauptdrahtzieher ist hier auf Sumatra wohl ein malaysischer Palmölkonzern und der Rauch ist mittlerweile auch nach Kuala Lumpur und Singapur gezogen und führt dort zu hoher Schadstoffbelastung der Luft. In der Region Riau, wo wir uns befinden, wurden deswegen auch schon viele Schulen geschlossen und viele Einwohner leiden an Atemwegserkrankungen. Die Schadstoffwerte in der Luft schwanken aktuell zwischen ungesund und sehr ungesund und von Sport im Freien wird dringend abgeraten. Es ist wirklich eine ökologische Katastrophe und es macht mich sehr traurig zu sehen was hier mit der Natur passiert.
Das Rennen findet nun trotzdem statt, obwohl einige Teams bereits im Vorfeld abgesagt haben oder wieder abgereist sind, nachdem sie gesehen haben, wie schlecht die Bedingungen hier sind. Dadurch sind in dem besseren Hotel für die Continental Teams Zimmer frei geworden und wir konnten heute Morgen nach zwei Nächten in einer alten, verdreckten und heruntergekommenen Bruchbude das Hotel wechseln. In unserem alten Zimmer wimmelte es nämlich vor Ungeziefer und nachdem wir gestern Insektenspray gekauft und überall versprüht hatten, kamen aus allen Löchern und Ecken Kakerlaken, Käfer und andere Viecher gekrochen, die wir dann eine halbe Stunde lang erschlagen haben.
Bei der lockeren Ausfahrt heute trugen wir einen Mundschutz, aber damit kann man kein Rennen fahren und ich glaube eh nicht, dass das viel nützt. Die Klamotten rochen danach, als hätte man damit am Lagerfeuer gesessen und es schlägt auch etwas aufs Gemüt in dieser Suppe zu fahren und nicht weit zu sehen. Der einzige Vorteil ist, dass man sich um Sonnenbrand keine Gedanken machen muss und es nicht ganz so heiß ist. Am Abend fand dann wie üblich die große Eröffnungsfeier in einer riesigen Halle statt, zu der sehr viele Menschen kamen, denn Bestandteil war auch ein indonesisches Rockkonzert, das gar nicht mal so schlecht war. Außerdem bekamen wir Geschenke und es gab gutes Essen.
Die morgige Etappe wurde von ursprünglich 130 km auf etwa die Hälfte gekürzt und ich werde starten, obwohl ich kein gutes Gefühl dabei habe und in Sorge um meine Gesundheit bin. Wenn nämlich das beste einheimische Continental Team in einem offiziellen Statement erklärt, dass ihm die Gesundheit seiner Fahrer wichtiger ist als das Rennen und absagt, gibt mir das schon zu denken. Da hilft es auch nicht, dass mir mein russischer Zimmerkollege Konstantin gesagt hat, dass die Hauptprobleme mit der Atmung erst eine Woche später beginnen aufzutreten.
Morgen gleiche Stelle, gleiche Welle
Gez. Sportfreund Radbert
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