Guadeloupe-Tagebuch von Hermann Keller

Nach 18 Jahren als Lizenzfahrer erstmals im Bergtrikot

Von Hermann Keller

Foto zu dem Text "Nach 18 Jahren als Lizenzfahrer erstmals im Bergtrikot"
Hermann Keller (Embrace the World, li) und seine Teamkollegen bei der Tour de Guadeloupe| Foto: Embrace the World

05.08.2019  |  (rsn) - Ein herzliches Hallo aus dem französischen Überseedepartement Guadeloupe. Wir sind hier zur Tour de Guadeloupe angereist und haben auch schon die ersten Rennen hinter uns, daher werde ich kurz zusammenfassen, was bisher geschah. Ab heute werde ich euch dann täglich mit neuen Berichten auf dem Laufenden halten.

Zuerst einmal: Es geht über insgesamt neun Etappen, jedoch ist die 8. Etappe in zwei Halbetappen aufgeteilt und die Rundfahrt wurde mit einem Prolog gestartet. Angereist sind wir mit einer schlagkräftigen Truppe, aufgebaut um "El Capitano“ Fred Dombrowski. Nach seiner famosen Leistung bei der Deutschen Meisterschaft wollen wir ihn hier tatkräftig unterstützen, um in der Gesamtwertung vorne zu landen. Gegen eine gute Etappenplatzierung von anderen Fahrern haben wir natürlich auch nichts einzuwenden. Neben unserem Team sind mit dem Dauner Akkon sowie dem Matrix Rockpalast Team noch zwei weitere deutsche Mannschaften am Start.

Gestartet wurde unter Flutlicht vor sehr vielen Zuschauern. Die Strecke ging 700 Meter geradeaus und nach einer Wende in einem Kreisverkehr wieder zurück. Immerhin eine Etappe dieser Rundfahrt, bei welcher ich keine Panikattacken beim Betrachten des Höhenprofils bekomme. Anscheinend war ich nicht der einzige ETW-Fahrer mit diesem Gedanken, denn nachdem ca. 100 der 165 Starter bereits im Ziel waren, führte ich das Rennen vor Stephan Duffner und Marcel Peschges an.

Leider waren dann im letzten Starterblock aber noch ein paar Fahrer schneller, dennoch reichte es für mich zu einem dritten Platz, Duffi wurde Fünfter und Marcel belegte den sechsten Platz. Das hört sich zwar schon sehr gut an, es kommt aber noch besser. Nach mehr als 18 Jahren als Lizenzfahrer durfte ich zum ersten Mal ein Bergtrikot in Empfang nehmen! Wer hätte vor dieser Tour schon gedacht, dass ich es zum Bergkönig (leider nur vorübergehend) bringen würde?! Außerdem durften sich auch Duffi und Marcel über Wertungstrikots freuen, so dass drei unserer sechs Fahrer ein neues Outfit für den nächsten Tag hatten.

Die folgende Etappe war mit drei Bergwertungen etwas anspruchsvoller. Obwohl ich laut Klassement der beste Bergfahrer der Tour war, wollte Micha (Glowatzki, der mitgereiste CEO der Truppe) mich nicht zum neuen "Capitano“ ernennen. Also wollten wir Freddy aus dem gröbsten heraushalten und Zeitverluste vermeiden. Marcel machte sich, mitsamt seines Grünen Trikots, aus dem Staub und besetzte die Spitzengruppe, während wir hinten erst einmal die Beine still hielten.

Nach etwa 100 Kilometern gingen wir auf die Windkante, nur Simon war nicht mit von der Partie. Er war nach einem Defekt verschollen. Das Feld riss in viele Grüppchen auseinander, ich selbst fand mich, nachdem ich Freddy nochmals vorne abgesetzt hatte, aber in einer der Hintersten wieder. Als es vorne in den Berg ging, attackierte Freddy direkt und fuhr mit einer kleinen Gruppe der Spitze hinterher, aus der sich Marcel verabschiedet hatte.

Leider schafften sie nicht mehr den Anschluss, aber durch unsere Aktion auf der Windkante wurde der eine oder andere Favorit distanziert und Freddy sah am Berg sehr gut aus. Das Teamwork funktionierte auch bestens, nur mein wunderschönes Bergtrikot musste ich vorerst wieder abgehen. Ich plane allerdings eine Rückholaktion auf der Königsetappe, vorausgesetzt, Micha gibt mir die Genehmigung…

Die 2. Etappe war anfangs etwas ruhiger. Die Hauptaufgabe bestand darin, nicht zu dehydrieren (leichter gesagt als getan bei ca. 40° Celsius und 80% Luftfeuchtigkeit). Als es dann in Richtung des finalen Anstiegs ging, sammelten wir uns, um gemeinsam Freddy in den Berg hinein zu geleiten. Nicht mit von der Partie war Simon, er war nach einem Sturz, einem Defekt und noch einem Defekt verschollen. Direkt in den Berg hinein fuhr ich mit Fred am Hinterrad einer Attacke hinterher und sorgte somit für (meiner Ansicht nach extrem hohes) Tempo.

Dann wurde ich aber von den Bergfahrern mit fast geschlossenem Mund und vermutlich Nasenatmung überholt, scherte aus und schaltete in den Energiesparmodus. Vorne ging die Post ab und ich sah das Feld, zersprengt in viele kleine Gruppen, an mir vorbeiziehen und am Horizont verschwinden. Während Freddy mit vier weiteren Fahrern an der Spitze des Rennens über die Bergwertung fuhr, bahnte ich mir noch gemächlich meinen Weg durch die Zuschauermassen und war schätzungsweise bei der Hälfte des Anstiegs.

Vorne war die Gruppe sich nicht einig, von hinten schlossen nochmals mehrere Fahrer auf und aus der etwas größeren Gruppe schlich sich dann noch ein kleines Grüppchen in den Wellen davon. Fred hielt sich sehr gut in der Verfolgergruppe und kam dann auf einen 12. Etappenplatz, machte aber einige Positionen im Gesamtklassement gut. Basti hielt sich an beiden Tagen in der Gruppe hinter Fred und scheint auch eine passable Form mitgebracht zu haben. Simon ist an beiden Tagen im Zielbereich wieder aufgetaucht und wir alle hoffen, er hat in den nächsten Tagen etwas mehr Glück.

Wir werden hier von unserem Betreuerteam wirklich hervorragend umsorgt und ich denke, wir werden hier noch das eine oder andere gute Ergebnis herausfahren. Die nächsten Tage erzähle ich dann auch mal mehr vom Drumherum.

Vielen Dank für’s Lesen, morgen dann in alter Frische.

Allerliebste Grüße aus Guadeloupe,

Hermann

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.08.2019Selten so einen Mannschaftsgedanken erlebt

(rsn) - Ein letztes Mal sage ich Hallo aus Guadeloupe, heute stand die letzte Etappe an. Die Strecke war anfangs hügelig mit zwei kleinen Bergwertungen und führte dann auf einen welligen Rundkurs.

11.08.2019Als Zombie aufgewacht, aber gut gelaunt eingeschlafen

(rsn) - Hallo und guten Morgen zum nächsten Eintrag. Auf dem heutigen Plan stand zuerst ein Straßenrennen über 86 Kilometer und danach ein Einzelzeitfahren über 24 Kilometer. Als ich aufwachte, da

10.08.2019Wieso sind hier alle so gemein zu mir?

(rsn) - Liebes Tagebuch, wieso sind hier alle so gemein zu mir? Der Tag begann eigentlich sehr gut, denn auf dem Plan stand eine eher entspannte Etappe. Nur ein Berg zu Beginn, den wir aber schon kan

09.08.2019Während Freddy den Berg hochflog, flogen hinten die Fäuste

(rsn) - Hallo Freunde, es ist vollbracht! Wir haben die härteste Etappe hinter uns gebracht und sind noch mit allen sechs Fahrern im Rennen. Einfach war das jedoch nicht! Auf uns warteten, auf 126 Ki

08.08.2019Ob die Gelbwesten Guadeloupe infiltriert haben?!

(rsn) - Heute stand für uns die 5. Etappe an. Das Profil sollte flach sein mit einem Berg gegen Ende. Das "flach“ ersetzen wir sicherheitshalber mal mit "hügelig“. Um fast Punkt 8 Uhr charterte

07.08.2019Es ging zu wie beim Bahnrennen hinter dem Derny

(rsn) - Willkommen zum Eintrag über die 4. Etappe der Tour der Guadeloupe. Schon beim Aufstehen war die Stimmung in unserem "Zimmer der Schwergewichte" etwas betrübt, so wussten wir alle um die vi

06.08.2019Dombrowski rutscht in Guadeloupe vom 3. auf den 5. Rang

(rsn) - In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour. Tour de

06.08.2019Unser Capitano Freddy zündete ein Feuerwerk

(rsn) - Ein tropisches Hallo zur 3. Etappe, auf dem Programm standen heute vier Bergwertungen, wovon eine direkt nach dem Start auf uns wartete. Die Marschroute war daher klar: den ersten Berg überle

Weitere Radsportnachrichten

05.05.2024Eine erste Chance für die Sprinter

(rsn / ProCycling) – Nachdem sie sich zwei Tage lang "aufwärmen" konnten, ist es nun für die schnellen Männer des Pelotons Zeit, ihren Job zu verrichten. Bevor sie jedoch ihren ultimativen Zielsp

05.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

05.05.2024Pogacar auf den Spuren Pantanis

(rsn) - 1999 hatte Marco Pantani am Fuße des Anstiegs zur Kapelle nach Oropa einen Defekt. Die Kette fiel ihm herunter. Es dauerte, bis ein Materialwagen bei ihm war. Fahrer um Fahrer zog derweil an

05.05.2024Nur ein Defekt bremste Martinez hinauf nach Oropa

(rsn) – Gut fünf Kilometer vor dem Ziel der 2. Etappe am Santuario di Oropa gab es Grund zur Beunruhigung beim Team Bora – hansgrohe. Am Ende des Tages aber sah man nichts als strahlende Gesichte

05.05.2024Martinez: “Das Resultat ist großartig für unsere Moral“

(rsn) – Mit einem Tag “Verspätung“ hat Tadej Pogacar am Sonntag bei der ersten Bergankunft den erwarteten Etappensieg am Auftaktwochenende des 107. Giro d’Italia eingefahren. Am Santuario di

05.05.2024Highlight-Video der 2. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Zum Auftakt des 107. Giro d’Italia (2.UWT) musste sich Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) noch mit Rang drei begnügen. An der ersten Bergankunft jedoch gab es für den Top-Favoriten kein H

05.05.2024Pogacar stürmt in Oropa trotz Sturz ins Rosa Trikot

(rsn) – Marco Pantani triumphierte 1999 an der Wallfahrtskirche Santuario di Oropa dank einer historischen Aufholjagd, nachdem er am Fuße des Anstiegs durch einen Defekt gestoppt worden war. 25 Jah

05.05.2024De Lie in der Bretagne auch durch zwei Plattfüße nicht zu stoppen

(rsn) – Nach Platz zwei im Vorjahr hat sich Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) die 41. Ausgabe von Tro Bro Léon (1.Pro) gesichert. Der 22-jährige Belgier entschied in der Bretagne das über 203,6 Kil

05.05.2024Vollering nutzt Rückenwind-Passage zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Mit einem weiteren überragenden Auftritt hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) die 10. Vuelta Femenina (2.UWT) souverän für sich entschieden. Die 27-jährige Niederländerin schüttelt

05.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 2. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

05.05.2024Pogacar: ”Die Post wird abgehen”

(rsn) – Der Auftakt zum 107. Giro d’Italia ist atypisch. Einen Tag nach der schweren 1. Etappe, auf der bereits einige Favoriten Federn gelassen haben, steht bereits die erste Bergankunft auf dem

05.05.2024Narvaez sorgt für die nächsten rosa Träume in Ecuador

(rsn) – Fünf Jahre ist es her, dass Richard Carapaz das Radsportland Ecuador mit seinem sensationellen Gesamtsieg beim Giro d´Italia in Rosa gehüllt hat. Nun feiern die Nachbarn der Kolumbianer i

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)