Interview mit dem Teamchef von NetApp-Endura

Ralph Denk: „Wir wollen 2014 zur Tour de France“

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NetApp-Endura-Teamchef Ralph Denk | Foto: ROTH

21.10.2013  |  (rsn) - NetApp-Endura-Teamchef Ralph Denk spricht im Interview mit Radsport News über die bisher erfolgreichste Saison seines Rennstalls, in der Leopold König, Jan Barta & Co. vor allem durch die Qualität ihrer Siege bestachen, und über die Ziele für das kommende Jahr, in dem NetApp-Endura wieder in der zweiten Liga geführt wird.

Bemisst man die Saisonbilanz an der Anzahl der Siege, so dürfte die mittelprächtig ausfallen. Geht bei Ihnen in diesem Jahr Qualität vor Quantität?  Denk: Das ist immer so. Wenn ich als Zweitligist nur auf Siege fahre, dann geht das nur bei kleinen Rennen, dann hat man am Saisonende über 20 Siege auf dem Konto. Das ist aber nicht meine Philosophie. Wir wollen stattdessen an den größten Rennen der Welt teilnehmen, das heißt, so viele Wildcards wie möglich bekommen. Denn bei diesen Rennen ist die Konkurrenz natürlich am stärksten und unsere Fahrer lernen so direkt von den Besten. Wenn wir dann bei einem WorldTour-Rennen wie der Vuelta a Espana eine Etappe gewinnen oder bei einem HC-Rennen wie der Kalifornien-Rundfahrt - dann unterstreicht das schon die Klasse der Mannschaft. Wir sehen das so: Lieber weniger Podestplätze und die dafür dann bei großen Rennen.

Was hat Sie in diesem Jahr positiv überrascht, was enttäuscht?
Denk (lacht): Naja, irgendwie gibt es immer mehr Enttäuschungen als positive Überraschungen. Was mich positiv gestimmt hat, dass sich junge Sportler wie Blaz Jarc und teilweise auch Ralf Matzka weiterentwickelt haben und dass Fahrer wie Leopold König, Bartosz Huzarski und Jan Barta definitiv in der Weltspitze mitfahren können. Und ich möchte auch Paul Voß erwähnen, der sich nach zwei Jahren beim Continental-Team Endura schnell wieder in der zweiten Liga etabliert hat. Bei der Flandern-Rundfahrt oder beim Amstel Gold Race war er richtig gut, und es gibt derzeit nicht viele deutsche Fahrer, die bei solchen Rennen so gut abschneiden können. Er ist national gesehen bei den Klassikern einer der Besten und ich hoffe, dass er 2014 noch eine Schippe drauflegen wird. Wenn man die Fahrer sieht, die bei uns unter Vertrag stehen, dann ist es so, dass sie keine große Geschichte bei WorldTour-Teams haben und sie fahren ihre ersten großen Erfolge alle bei uns ein. Es ist schön, das mitzuverfolgen.

Mit dem Giro und der Tour hat es nicht geklappt – war das so eine Enttäuschung?
Denk: Natürlich haben wir nach unserer erfolgreichen Premiere 2012 gehofft, beim Giro wieder eingeladen zu werden. Aber ich kann die Veranstalter gut verstehen. Die haben so viele Anfragen und möchten jeder Mannschaft gerne eine Chance geben. Wenn die Teams auf ähnlichem Niveau sind, dann können wir nicht böse sein. Wir haben das respektiert, auch wenn wir zuerst natürlich enttäuscht waren. Und dass es mit der Tour nicht geklappt hat, ist angesichts der 100. Austragung auch verständlich, denn da kamen die französischen Teams zum Zug. Umso mehr hat es uns gefreut, dass wir die Einladung zur Spanien-Rundfahrt erhalten haben. Und vielleicht ist uns die Vuelta mit dem guten Wetter sogar mehr entgegen gekommen als der verregnete Giro!

Wie wichtig waren denn die Vuelta-Teilnahme und der Etappensieg von König für die Zukunft des Teams?
Denk: Beides war sehr, sehr wichtig. Wir sind letztes Jahr bei unserer Premiere bei einer dreiwöchigen Rundfahrt schon einen sehr guten Giro gefahren. Damals hat es schon Stimmen gegeben, wir seien eine Eintagsfliege, aber mit dem starken Auftritt bei der Vuelta haben wir nochmal bewiesen, dass wir wirklich was können. Wenn wir uns optimal vorbereiten, dann können wir in der Weltspitze mitfahren. Und ich hoffe, dass das, was wir da abgeliefert haben, auch zukunftsweisend war.

Keinem ihrer deutschen Fahrer ist in 2013 ein Sieg gelungen. NetApp-Endura ist aber ein deutsches Team - ist das ein kleiner Makel in der Bilanz?
Denk: Natürlich hätte ich am liebsten deutsche Siege. Aber man muss halt sehen, dass die besten Deutschen wie Degenkolb, Kittel, Greipel und Martin zu Recht in der WorldTour fahren und alle anderen tun sich schwer. Natürlich wäre es ein Traum von mir, wenn sich einer unserer deutschen Fahrer so entwickeln würde wie ein Jan Barta oder ein Leopold König. (Lacht) Aber ich kann ihnen versichern, dass wir mit unseren Deutschen genauso akribisch und hart arbeiten, wie wir dies mit unseren ausländischen Fahrern tun.

Ein wichtiger Faktor sind die Finanzen. Ihre beiden Sponsoren kommen aus den USA und England. Bemühen Sie sich denn auch um deutsche Sponsoren?
Denk: Wir haben ganz tolle Spitzenprofis in Deutschland, ebenso gute Nachwuchsleute, auch eine gut funktionierende U23- und U19-Basis. Und wir haben eine breite Amateurbasis. So weit so gut. Was uns allerdings fehlt, ist ein großes deutsches Unternehmen, das in den Radsport investiert. Meine Fühler sind da immer ausgestreckt und es ist ein Traum von mir, auch mal eine Mannschaft mit einem deutschen Sponsor auf die Beine zu stellen.

Sie halten es für unmöglich, dass sich bis auf weiteres wieder ein deutscher Sponsor engagiert?
Denk: Unmöglich würde ich nicht sagen. Ich habe bemerkt, dass die Konzerne schon wissen, dass Radsport ein günstiges Instrument ist, um Bekanntheit zu generieren. In der Vergangenheit hat das Thema Doping halt das Pendel bei dem einen oder anderen in Richtung Fußball ausschlagen lassen. Aber die Fundamentaldaten sind im Radsport extrem gut und das wissen auch die Konzerne. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie wieder zurückkommen. Insofern bin ich schon optimistisch.

Bisher stehen mit Machado und Bennett zwei Zugänge fest. Wie stehen die Chancen von deutschen Fahrern, noch ins Team zu kommen?
Denk: Derzeit ist es vor allem für junge Rennfahrer schwer, einen Vertrag in der ersten oder zweiten Liga zu bekommen. Ich muss zuallererst auch mal schauen, wie das Rennprogramm aussehen wird. Der Trend geht ganz klar zur personellen Reduzierung der Mannschaften, weil immer mehr Veranstalter nur noch sechs oder siebenköpfige Teams zulassen. Für die Rennställe bedeutet das, dass man auch nicht mehr so viele Rennfahrer braucht. Dieser Trend macht es für die Fahrer auch nicht einfacher. Derzeit habe ich keinen weiteren Fahrer konkret im Auge. Wir beobachten den Markt, und wenn es dann in unserem Aufgebot bei 19 Fahrern bleiben sollte, dann würden wir auch damit zurecht kommen.

Begrüßen Sie diesen Trend zu kleineren Mannschaften?
Denk: Rennen mit zahlenmäßig kleineren Teams sind sicherlich schwerer zu kontrollieren und dadurch ist auch mehr Action drin, was die Zuschauer freut. Insofern ist das schon gut. Was den Rennkalender anbelangt, dann trifft das uns als Zweitligisten nicht so sehr. Aber für den Fan ist es schon schwer nachzuvollziehen, wenn WorldTour-Rennen parallel zueinander verlaufen, wie Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico. Das ist so, wie wenn in der Formel 1 an einem Tag ein Rennen in Monaco und Silverstone stattfindet. Das gehört sicherlich reformiert.

Ein Rückschlag war für sie sicherlich die Trennung von Jens Heppner. Zunächst zeigten sie sich entschlossen, an ihm festzuhalten, dann änderten Sie Ihre Meinung. Warum?
Denk: Das wurde nicht ganz richtig dargestellt. Wenn ich mich recht erinnere, dann haben wir gesagt, wir sondieren das gemeinsam - auch mit den Sponsoren. Und dann sind wir alle zu der Überzeugung gelangt, dass es für das Team, aber auch für Jens das Beste ist, getrennte Wege zu gehen.

Hätte Heppner bleiben können, wenn er wie andere Fahrer auch zugegeben hätte, 1998 bei der Tour gedopt zu haben?
Denk: Jens hat sich dazu entschlossen, nichts dazu zu sagen, und alles andere hat gar nicht zur Debatte gestanden.

Als NetApp 2010 gegründet wurde, lautete das Ziel: In drei Jahren in die WorldTour. Mittlerweile haben sie die vierte Saison absolviert und fahren in der zweiten Liga – bleibt es erst mal dabei?
Denk: Meine persönliche Planung zielt immer auf die erste Liga ab. Wir sprechen darüber natürlich mit unseren Partnern und ich würde mich freuen, wenn wir diesen Weg gemeinsam einschlagen würden. Aber das ist für 2014 erst mal kein Thema.

Das Team Stölting plant für 2015 den Aufstieg in die zweite Liga. Sehen Sie das als Konkurrenz, die das Geschäft belebt, oder wäre NetApp-Endura gerne weiter alleiniges höchstklassiges deutsches Team?

Denk: Ich hätte mir gewünscht, dass sie dieses Jahr schon aufsteigen. Je mehr, desto besser. Zu unseren Hochzeiten hatten wir drei erstklassige deutsche Teams. Ich hätte mich für Stölting gefreut, wenn es dieses Jahr schon geklappt hätte.

Es gibt bei diversen Teams ja einen Trend zur Spezialisierung. Argos-Shimano etwa setzt auf die Sprinter, Sky fast ausschließlich auf die Rundfahrer. Haben Sie für NetApp-Endura auch eine vergleichbare Vorstellung oder wollen sie auf jedem Terrain erfolgreich sein?
Denk: Das wäre natürlich schwer. Wenn man sich unsere Palmares anschaut, dann haben wir beispielsweise bei den Klassikern unsere Schwierigkeiten. Aber auch die großen Teams tun sich schwer, alle Bereiche abzudecken – und die haben bis zu zehn Fahrer mehr im Aufgebot. Trotzdem bin ich der Meinung, dass es sich für ein anständiges Team gehört, etwa in Belgien bei den Frühjahrsrennen dabei zu sein. Die will ich nicht missen und ich werde mich wieder dafür einsetzen, dass wir Wildcards für die Flandern-Rundfahrt und Roubaix bekommen.

Mit welchem Wunsch gehen Sie in die Saison 2014?
Denk: Ganz klar: die Teilnahme an der Tour de France.

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