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05.05.2006 | Die Zeit der Frühjahrsklassiker ist vorbei, die großen Rundfahrten stehen an. Gelegenheit für Radsport aktiv, die Verantwortlichen der zweieinhalb deutschen ProTour-Teams um eine Zwischenbilanz zu bitten. Hans-Michael Holczer (Gerolsteiner), Olaf Ludwig (T-Mobile) und Jan Schaffrath (Milram) gaben uns ihre Einschätzung der Frühjahrssaison und äußerten sich zu ihren Erwartungen für die kommenden großen Rennen.
Mit dem Henninger-Rennen geht die Zeit der Frühjahrsklassiker zu Ende. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Hans-Michael Holczer: Wir haben einen ganz passablen Start gehabt. Man geht mit bestimmten Erwartungen aus dem Vorjahr in die Rennen. Manchmal werden sie enttäuscht und manchmal übertroffen, aber am Ende hält sich das meistens die Waage. Beim Amstel Gold Race waren wir noch eines der stärksten Teams gewesen, hatten vier Fahrer unter den besten 16. Dann holen sich einige unserer Fahrer einen Infekt und eine Woche später bei Lüttich-Bastogne-Lüttich kommen nur zwei ins Ziel. Und dazu kommt dann noch Davide Rebellins Rippenbruch. Da haben wir schon einiges Pech gehabt. Aber alles in allem können wir zufrieden sein: Elf Siege und zwei Rundfahrterfolge sind keine so schlechte Bilanz.
Olaf Ludwig: Wir sind schwer in die Saison gekommen und konnten mit den ersten Ergebnissen nicht zufrieden sein. Allerdings sind wir mit den Leistungen des Teams in den vergangenen. Wochen durchaus einverstanden. Wir waren auch zuletzt am Henninger Turm das stärkste Team, haben eine überraschende Aktion gestartet und wurden am Ende nicht dafür belohnt. Aber das Team hat die Vorgaben auch in Frankfurt gut umgesetzt.
Jan Schaffrath: Im Großen und Ganzen können wir zufrieden sein. Wir sind bei Mailand-San Remo mit dem zweiten Platz von Petacchi gut gestartet, hatten dann bei der Flandern-Rundfahrt und bei Paris-Roubaix Pech, als Erik Zabel von technischen Defekten zurückgeworfen wurde. Ein elfter und ein zwölfter Platz sind unter diesen Umständen nicht schlecht. Bei Gent-Wevelgem wollten wir gewinnen, konnten dem Rennen aber nicht so unseren Stempel aufdrücken, wie wir uns das gewünscht hatten. Die Krönung des Frühjahrs waren der Sieg von Christian Knees bei „Rund um Köln“ und Alessandro Petacchis Auftritt bei der Niedersachen-Rundfahrt. Wir haben bis jetzt 15 Siege eingefahren und ich glaube, das Team hat gezeigt, was es drauf hat. Mit den Siegen im Rücken kann das Team auch befreit auffahren, andere Mannschaften stehen da schon mehr unter Druck. Man darf auch nicht vergessen, dass wir erst seit einem halben Jahr zusammen sind. Da kann noch nicht alles perfekt laufen.
Welcher Fahrer Ihres Teams hat sie bisher am meisten überrascht?
Holczer: Ich möchte in dem Zusammenhang lieber den Begriff „bestätigt“ verwenden, denn man hat ja immer hohe Erwartungen an seine Fahrer. Unsere beiden Neuzugänge David Kopp und Stefan Schumacher haben unsere Erwartungen voll erfüllt, vor allem David Kopp mit seinem zweiten Platz bei Gent-Wevelgem, wo er Petacchi geschlagen hat. Bei Rund um Köln hat er den Sieg verschenkt. Da gab es im Finale ein Kommunikationsproblem zwischen uns. Und Schumacher hat nicht nur bei der Sarthe-Rundfahrt, sondern auch bei Paris-Nizza gezeigt, dass er auch bei den Großen mithalten kann.
Ludwig: Das möchte ich nicht auf einen speziellen Fahrer münzen. Natürlich hat ein Patrik Sinkewitz alle in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Wir sind sehr zufrieden mit ihm. Er hat bei den Klassikern gute Leistungen gezeigt, aber dafür haben wir ihn ja auch geholt.
Schaffrath: Ganz klar und ohne Abstriche Christian Knees und Andrej Grivko. Beide sind über mehrere Rennen hinweg auf dauerhaft hohem Niveau gefahren und haben sich hier bei uns menschlich und taktisch ganz erheblich weiterentwickelt.
Hat einer Ihrer Fahrer die Erwartungen nicht erfüllt?
Holczer: Man muss vorsichtig sein, da schon Ende April eine Feststellung zu treffen. Es ist generell noch nicht an der Zeit, von einem Ausfall zu reden. Und ehrlich gesagt: Da fällt mir jetzt auch keiner unserer Fahrer ein.
Ludwig: Natürlich gibt es Fahrer, von denen wir uns mehr erhofft haben, allerdings haben uns oft Krankheit und Verletzungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gerade für die Frühjahrsrennen hatten wir auch auf Daniele Nardello gesetzt, aber er war im Februar krank und konnte danach keine Rennen mehr fahren.
Schaffrath: Von Daniel Becke und von Sebastian Siedler erwarte ich Leistungssteigerungen. Allerdings gibt es bei beiden Gründe, weshalb es noch nicht so gut lief bisher. Daniel war zuletzt krank und braucht jetzt einfach noch ein bisschen Zeit. Sebastian war bei Paris-Roubaix gestürzt und hatte sich Prellungen zugezogen. Trotzdem hat er die Zähne zusammengebissen und ist beispielsweise bei Rund um Köln gestartet.
Mit welchen Zielen gehen Sie in die nun beginnende Zeit der großen Rundfahrten?
Holczer: Es ist ja bekannt, dass sich Levi Leipheimer und Georg Totschnig stark auf die Tour de France konzentrieren. Leipheimer will in Richtung Podium und wir werden dem bestimmt nicht entgegenarbeiten. Zum Giro fahren wir ziemlich illusionslos, was nicht mit ziellos verwechselt werden sollte. Aber vielleicht könnten wir gerade deshalb eine Überraschung erleben, denn wir stehen dort nicht unter Druck, haben andererseits aber gute Fahrer am Start. Ich denke da an Davide Rebellin, der auf den ersten Etappen in seinem „geheiligtem Ardennenland“ durchaus etwas probieren könnte – aber auch an Stefan Schumacher. Und Robert Förster hat schon im vergangenen Jahr mit mehreren dritten Plätzen bei Sprintentscheidungen eine gute Figur gemacht. Bei der Deutschland-Tour wird man sehen müssen, wie gut unsere Fahrer aus der Tour de France herauskommen. Zur Vuelta kann ich noch nicht viel sagen, aber ein Heinrich Haussler giert jetzt schon regelrecht darauf.
Ludwig: Wir hatten uns für diese Saison drei Schwerpunkte gesetzt: die Frühjahrsklassiker, die Tour und die Deutschland-Tour. Bei den Frühjahresrennen waren wir nicht so erfolgreich, wie wir uns das vorgestellt hatten. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir uns jetzt voll auf die Tour de France konzentrieren und dort den Sieg wollen genauso wie dann im August bei der Deutschland Tour. Wir hatten dort im letzten Jahr bekanntlich unser Ziel nicht erreicht und wollen es diesmal besser machen.
Schaffrath: Es ist ja allgemein bekannt, dass wir bei keiner der Rundfahrten auf Gesamtwertung fahren.. Wir hoffen, dass Alessandro Petacchi beim Giro, der ja in diesem Jahr nichts für Sprinter ist, die eine oder andere Etappe gewinnen kann. Bei der Tour werden dann Petacchi und Zabel gemeinsam starten und auf Etappensiege fahren.
Wer werden Ihre wichtigsten Fahrer bei den drei großen Rundfahrten sein?
Holczer: Bei der Tour ganz klar Leipheimer und Totschnig, aber wir haben auch ein Augenmerk auf Markus Fothen, der sein Debüt geben wird. Beim Giro bin ich auf Schumacher gespannt, ob er sich in den drei Wochen als echter Rundfahrer entpuppt, der auch in Höhen von über 1.500 Metern mithalten kann. In die Deutschland-Tour gehen wir mit einer ähnlichen Besetzung wie im letzten Jahr, und ich gehe davon aus, dass auch Levi Leipheimer als Titelverteidiger dort antritt.
Ludwig: Beim Giro haben wir keine Ambitionen in der Gesamtwertung. Ein Michael Rogers beispielsweise nimmt den Giro auch als Tour-Vorbereitung. Bei der Tour ist natürlich Jan Ullrich unser Mann. Alle Rennen, die nach der Tour kommen, wie etwa die Vuelta, sind noch zu weit weg, um da schon verbindliches sagen zu können.
Schaffrath: Beim Giro natürlich Petacchi, aber auch Christian Knees, Alberto Ongarato und Fabio Sacchi als wichtige Helfer. Über das Tour-Aufgebot wird erst Ende Mai entschieden. Die Vuelta ist noch zu weit weg, um dazu etwas sagen zu können.
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