RSNplus21-Jähriger nach langer Flucht WM-Sechster

Kretschy in der Gruppe war “wie ein Sechser im Lotto“

Von Christoph Adamietz

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Moritz Kretschy im WM-Straßenrennen der Klasse U23 | Foto: Cor Vos

12.08.2023  |  (rsn) – Durch eine starke Leistung im WM-Straßenrennen der U23 in Glasgow hat Moritz Kretschy als Sechster dem Bund Deutscher Radfahrer in dieser Nachwuchsklasse das beste Ergebnis seit 2017 beschert, als Lennard Kämna Vizeweltmeister geworden war.

Dabei hatte Kretschy im 168 Kilometer langen Rennen schon früh den richtigen Riecher. Nach knapp 20 Kilometern gelang ihm der Sprung in die stark besetzte Ausreißergruppe des Tages, die es in Teilen bis ins Ziel schaffen sollte.

Als das Feld auf dem Rundkurs von Glasgow den Ausreißern zwischenzeitlich wieder im Nacken saß, war es Kretschy höchst persönlich, der mit einer Attacke die Spitzengruppe verkleinerte und den Abstand nach hinten erneut vergrößerte.

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Vor dem letzten Anstieg des Tages hatte sich Kretschy mit noch vier zu fahrenden Kilometern noch mal auf die Verfolgung des kurz zuvor enteilten Axel Laurance gemacht. Allerdings blieb der Vorstoß ohne Erfolg, während der Franzose sein Solo erfolgrfeich vollendete und Weltmeister wurde.

Im letzten Anstieg 1,5 Kilometer vor dem Ziel verlor Kretschy schließlich kurz vor der Kuppe den Kontakt zu seiner fünfköpfigen Verfolgergruppe, die die weiteren Medaillen unter sich ausmachte und rollte knapp dahinter als Sechster über den Zielstrich.

Nach langer Flucht hatte Moritz Kretschy (links) am letzten Anstieg des Rennens zu kämpfen. Foto: Cor Vos

Dass Kretschy so früh in eine Gruppe ging, war der Plan. Er war gemeinsam mit Ole Theiler und Pierre-Pascal Keup für die Attacken vorgesehen, während sich Tim Torn Teutenberg und Henri Uhlig für das Finale schonen sollten.

Deutsche Optimalbesetzung in der Gruppe

Kretschy in der Gruppe war laut U23-Bundestrainer Ralf Grabsch "unsere Optimalbesetzung. Dass der richtige Fahrer in der Spitzengruppe ist, ist wie ein Sechser im Lotto“, freute sich Grabsch gegenüber radsport-news.com, dass der Plan aufgegangen war.

Dass sich der 21-Jährige am Ende nicht mit einer Medaille belohnen konnte, bedauerte der Bundestrainer. “Natürlich war er im Finale überm Limit, wie alle anderen Fahrer. Dass es im Finale nicht ganz gereicht hat, sehe ich aber überhaupt nicht dramatisch. Es war eine fahrerische Topleistung. Wie Kretschy sich in der Gruppe verkauft hat, war super“, lobte Grabsch seinen Schützling, der damit nahtlos in die Leistungen der letzten Monate anknüpfte, mit denen er sowohl im Zeitfahren als auch im Straßenrennen Deutscher U23-Meister wurde und zudem die Tour Alsace (2.2) auf Rang acht abschloss.

Für Kretschy selbst war einer der Schlüssel, dass die Gruppe durchkam, dass diese sehr gut besetzt war und zudem fast alle großen Nationalen vorne vertreten waren. "Uns war klar, dass man sich mit einer soliden Gruppe auf dem Stadtkurs vorne halten könnte. Ich war also optimistisch“, so Kretschy gegenüber radsport-news.com.

Und so kam es auch. Seine Gruppe machte letztlich den Sieg unter sich aus und von hinten konnten nur der spätere Silbermedaillengewinner Antonio Morgado (Portugal) und der Bronzegewinner Martin Svrcek (Slowakei) noch vorfahren. Kretschy selbst machte sich auf der Schlussrunde kurz vor dem letzten Hügel noch mal auf die Verfolgung des enteilten Laurance, "weil das die einzige Möglichkeit war, selbst noch mal etwas zu probieren und über den Anstieg drüber zu kommen“, wie Kretschy erklärte.

Der Plan ging aber nicht auf und bei der Tempoverschärfung im Anstieg konnte der deutsche U23-Doppelmeister seinen Kontrahenten nicht mehr folgen. "Der letzte Hügel war für mich 20 Meter zu lang, sonst hätte ich mich mit drüberekeln können“, so die Einschätzung des WM-Sechsten. Was im Sprint möglich gewesen wäre, war für Kretschy aber nicht aufzulösen. "Ich kann schlecht einschätzen, wie konkurrenzfähig meine Beine im Sprint noch gewesen wären", sagte Kretschy.

Die Deutsche U23-Nationalmannschaft bei der Teampräsentation vor dem Rennen. Foto: Cor Vos

Über die verpasste Medaille sei er im ersten Moment "schon ein bisschen enttäuscht“ gewesen, wie er verriet. "Jetzt aber bin ich megahappy. So nahe dran gewesen zu sein, ist für mich einerseits ärgerlich, aber natürlich ist es auch toll, überhaupt so lange dabei gewesen zu sein“, erklärte er.

Nach dem Rennen musste er wie seine Kontrahenten, bei denen sich der Sieger Laurance etwa wegen der Anstrengungen übergeben musste, erst einmal wieder sammeln. "Es war das härteste Rennen meiner Karriere. Ich war komplett fritte und habe erst mal 15 Minuten gebraucht, um wieder klar zu kommen“, gestand Kretschy, der mit der Leistung und Platz sechs weiter Eigenwerbung betrieben haben dürfte. "Der Profivertrag wäre für ihn der nächste logische Schritt, ich hoffe es für ihn“, meinte Bundestrainer Grabsch.

Auch die Mannschaft überzeugte

Das starke Abschneiden der U23-Nationalmannschaft rundete Uhlig auf Rang 14 ab. Ein noch besseres Ergebnis verhinderte ein Defekt von Teutenberg am letzten Anstieg des Tages, wodurch dieser aus der Gruppe herausfiel, die um Platz zehn kämpfte. So kam Teutenberg nur auf Rang 17 ins Ziel.

Uhlig bedauerte auf der einen Seite, dass er und Teutenberg im Finale nicht mehr in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnte. "Dass wir die Gruppe vorne nicht mehr eingeholt haben, war für uns hinten natürlich blöd. Von den Beinen her wäre bei Teute und mir viel möglich gewesen, wären wir wieder rangekommen“, meinte Uhlig gegenüber radsport-news.com.

Tim Torn Teutenberg fuhr wie Henri Uhlig ein starkes Finale, hatte aber Defektpech. Foto: Cor Vos

aufAllerdings attestierte er seinem Nationalmannschaftskollegen Kretschy auch eine "megastarke Leistung“. Es sei nur schade gewesen, dass sein Teamkollege kurz vor dem Ziel noch abgefallen sei. "So ist unser Plan nur halbwegs aufgegangen“; resümierte der Regensburger, der kurz bevor es auf den Rundkurs ging, mit anderen Fahrern gestürzt war und deswegen im Feld von Platz fünf auf Position 100 zurückfiel und sich erst einmal wieder vorkämpfen musste.

"Vor mir sind Fahrer in der Linkskurve gestürzt und ich stürzte mit in die Absperrgitter rein. Mir ist nicht viel passiert, aber ich bin dadurch weit zurückgefallen. Ich habe aber gestern mit John Degenkolb gesprochen und er meinte: "Egal was passiert, immer ruhig bleiben. Und das habe ich gemacht und konnte schnell wieder vorfahren“, berichtete Uhlig weiter, der in der Folgezeit "nie das Gefühl hatte, dass ich wirklich am Anschlag bin.“

Nur als der spätere Silbermedaillengewinner Morgado mit dem Bronzegewinner Martin Svrcek losfuhr, konnte er nicht mitgehen. "Es wollte in meiner Gruppe, die noch aus 15 Mann bestand, dann keiner so richtig nachfahren, also habe ich es selbst probiert und am letzten Berg konnte ich mich noch mal absetzen“, meinte Uhlig, der von einem "geilen Rennen“ sprach. "Wenn man gute Beine hatte, hat es richtig Spaß gemacht.“

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