Kommentar zum Chaos am Ventoux

Die Sicherheit war trotz Verkürzung nicht zu gewährleisten

Von Felix Mattis aus Bourg-St.-Andeol

Foto zu dem Text "Die Sicherheit war trotz Verkürzung nicht zu gewährleisten"
Chaos am Ventoux - Chris Froome (Sky) läuft inmitten der Menschenmassen bergan. | Foto: Cor Vos

15.07.2016  |  (rsn) - Enge Menschenspaliere am Berg gehören zur Tour. Sie ergeben tolle Bilder und machen einen wichtigen Teil der Faszination des Rennens, ja des ganzen Straßenradsports aus. Niemand möchte darauf verzichten - solange alles gut geht. Am Chalet Reynard aber tat es das nicht.

Das Chaos und die von Panik getriebene Laufeinlage des Gelben Trikots werden in die Tour-Geschichte eingehen. Die Situation zwang die Jury, eine schwierige Entscheidung zu treffen, die hohe Wellen schlägt: Obwohl die 3-km-Regel am Berg nicht gilt, wertete man die Zeit der betroffenen Fahrer mit der Zeit jener, an deren Seite sie zum Zeitpunkt des Vorfalles 1.200 Meter vor dem Ziel waren.

Froome bekam deshalb erneut das maillot jaune und wurde bei der Entgegennahme auf dem Podium von einigen unverbesserlichen "Fans" ausgepfiffen, als könne der Brite etwas für die Misere. Dabei waren doch die Zuschauer selbst am Chalet Reynard das Problem - oder vielmehr: das Versäumnis, sie im wahrsten Sinne des Wortes in Zaum zu halten.

"Wenn Du die Massen nicht kontrollieren kannst, was kannst Du dann kontrollieren?", fragte Porte in seinem ersten Interview nach dem Rennen beim Ausfahren auf der Rolle und traf den Nagel damit auf den Kopf. Denn die Jury-Entscheidung, durch die übrigens nicht nur Froome und Porte, sondern auch Nairo Quintana, Alejandro Valverde (Movistar) und Tejay van Garderen (BMC) einige Sekunden gutgeschrieben bekamen, war der Versuch, einen Fehler der ASO wieder gut zu machen. Es ging dabei weniger um Fairness als um Politik.

Die ASO nämlich hat es versäumt, die Strecke auf den letzten Kilometern zum Ziel ausreichend abzusichern. "Erst auf den letzten 500 Metern gab es Barrieren. Das ist Wahnsinn!", sagte Paul Voß, und nahezu jeder andere Fahrer pflichtete ihm bei. Normalerweise sind bei Bergankünften mindestens die letzten zwei Kilometer abgesperrt. "Wir konnten keine Barrieren stellen, da sie vom Sturm weggeweht worden wären", versuchte sich Tour-Chef Christian Prudhomme mit einer Erklärung.

Komisch nur, dass sie auf den letzten 500 Metern dann doch standen. Jeder, der schon mal am Mont Ventoux war weiß, dass die letzten Meter vor dem Chalet Reynard deutlich windanfälliger sind als etwa noch einen Kilometer zuvor, wo der Wald die Straße schützt und wo es nun zum Chaos kam. Und auch die Menschenmassen hätten mutmaßlich wohl als Windbrecher gedient, die Barrieren quasi vor dem Wegfliegen oder Umfallen bewahrt.

Doch auch wenn es stimmt, dass die übrigens zwischen Chalet Reynard und Ventoux-Gipfel für die ursprünglich geplante Ankunft am Straßenrand liegenden Absperrgitter wegen des Windes vor dem Chalet Reynard nicht aufgestellt werden konnten, so ist klar: Es war der ASO schlicht nicht möglich, die Strecke ausreichend zu sichern - sei es durch Gitter oder durch ein erhöhtes Polizeiaufkommen.

Denn was sich durch die Verkürzung der Etappe erhöhte - die ja an sich sehr wohl der Sicherheit diente - war die Zahl der Zuschauer pro Quadratmeter auf den letzten zwei Kilometern vor dem neuen Ziel. Dort ballte sich die Menschenmenge noch mehr als sonst üblich, weil all die Fans, die an den Vortagen ihr Camp am Berg und auf den annullierten sechs Schlusskilometern aufgezogen hatten, hinunter wanderten. Natürlich verteilten sie sich nicht gleichmäßig auf die gesamten 15 Kilometer Anstieg, sondern liefen eben so weit, bis sie die Strecke erreichten. Auf diesen zwangsläufigen Effekt schien die Organisation nicht ausreichend vorbereitet.

Mit der Entscheidung, den sportlichen Effekt des Chaos' letzlich nicht in die Gesamtwertung der Tour einfließen zu lassen, wurde bestmöglich Schadensbegrenzung betrieben. Auch wenn das Reglement auf Bergetappen dafür keine Grundlage bietet, so hat Prudhomme völlig Recht, wenn er sagt: "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen."

Froome und Co. konnten für das ganze Chaos sicher am allerwenigsten. Und absolute Fairness jeder einzelnen Person gegenüber war in dieser Situation leider nicht mehr herzustellen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.07.2020Video-Rückblick: Froome joggt 2016 den Ventoux hinauf

(rsn) – Heute vor vier Jahren erlaubten staunende Zuschauer am Mont Ventoux das Finale eines denkwürdigen Tour-Tages. Nach einem Sturz im Schlussanstieg der 12. Etappe rannte Chris Froome am Franz

27.07.2016Nibali hatte bei der Tour schon Rio im Blick

(rsn) – Vincenzo Nibali hat verärgert auf die Kritik an seinen Leistungen bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Tour de France reagiert. Der Italiener und sein Astana-Team waren ohne Etappensieg ge

26.07.2016Erneuter Tour-Ausstieg der ARD darf kein Thema sein

(rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" v

26.07.2016Quintana will weiter für seinen Gelben Traum kämpfen

(rsn) – Kolumbien muss weiter auf seinen ersten Tour-de-France-Sieger warten. Auch im dritten Anlauf hat es Nairo Quintana nicht geschafft – doch noch nie war der Movistar-Kapitän weiter vom Gelb

26.07.2016Künftig ein britisches Duell um das Gelbe Trikot?

(rsn) – Wie sein berühmter Landsmann Bradley Wiggins wird auch Adam Yates in die Geschichtsbücher des Radsports eingehen. War der mittlerweile 36-jährige Stundenweltrekordler vor vier Jahren der

26.07.2016Kittel kam bei der Tour in keinen "richtigen Flow"

(rsn) – Bei André Greipel (Lotto Soudal) lief am Sonntag auf den Champs-Élysées alles nach Wunsch. Wie bereits 2104 gewann der Deutsche Meister die prestigeträchtige Abschlussetappe der 103. Tou

26.07.2016Hektische Sprints und Cavendish machten Greipel das Leben schwer

(rsn) – Nach drei teils frustrierenden Wochen schien für André Greipel (Lotto Soudal) doch noch die Sonne. Am Sonntagabend holte sich der Deutsche Meister in Paris auf den Champs-Élysées den so

25.07.2016Bardet zum dritten Mal in Folge in Paris auf dem Tour-Podium

(rsn) – Romain Bardet hat den heimischen Fans die Tour de France gerettet. Der 25 Jahre alte Kapitän der Ag2R-Equipe legte auf den letzten drei Tagen ein Finale sondergleichen hin, sicherte sich au

25.07.2016Kittel: Erst durch Defekte gestoppt, dann im Finale kraftlos

(rsn) – Zum großen Finale der 103. Tour de France wollten Marcel Kittel und sein Etixx-Quick-Step-Team nochmals zuschlagen. Der Erfurter, der bereits 2013 und 2014 jeweils den Schlussakkord auf den

25.07.2016Jogging-Einlage in Gelb und ein machtloser Herausforderer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Dominator in Grün und Schweizer Coup durch einen Kolumbianer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Kollision mit dem Teufelslappen und ein fataler Entschluss

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

Weitere Radsportnachrichten

25.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

25.04.2024Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

25.04.2024Teutenberg jubelt zum Auftakt der Tour de Bretagne

(rsn) - Nachdem er in seinen ersten drei U23-Jahren vergeblich einem UCI-Sieg hinterhergejagt war, eilt Tim Torn Teutenberg (Lidl - Trek Future Racing) in dieser Saison von Erfolg zu Erfolg. Nach sei

25.04.2024Lechner sorgt für den ersten UCI-Saisonsieg einer Deutschen

(rsn) – Corinna Lechner vom Bundesliga-Team Wheel Divas aus Berlin hat für den ersten Saisonsieg einer deutschen Frau auf UCI-Niveau gesorgt. Die 29-Jährige, die am 14. April bereits Dritte beim e

25.04.2024Romandie-Prologsieger Zijlaard bricht sich Ellenbogen

(rsn) – Nur zwei Tage nach seinem Triumph im Prolog der Tour de Romandie (2.UWT) hat Maikel Zijlaard (Tudor) einen heftigen Rückschlag hinnehmen müssen. Wie der 24-jährige Niederländer gegenüb

25.04.2024Bike-Aid: Dorn hat in der Türkei das Bergtrikot “ziemlich save“

(rsn) – Das deutsche Kontinental-Team Bike Aid ist weiterhin der Aktivposten der Türkei-Rundfahrt (2.Pro). Am fünften Tag in Folge war die saarländische Equipe in der Ausreißergruppe vertreten

25.04.2024Nys krönt ersten Ausreißversuch der Karriere, Lipowitz Vierter

(rsn) – Ein 21-Jähriger Crossspezialist aus Belgien hat bei der Tour de Romandie (2.UWT) für die nächste Überraschung gesorgt. Thibau Nys (Lidl - Trek) entschied auf der 2. Etappe die erste Berg

25.04.2024Jakobsen gibt Andresen Grünes Licht für den zweiten Etappensieg

(rsn) – Tobias Lund Andresen (dsm-firmenich – PostNL) hat mit dem zweiten Tagessieg in Folge seine Führung in der Gesamtwertung der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) ausgebaut. Der 21-jährige Däne

25.04.2024Drei Bergankünfte, Sprints, Windkantengefahr & Teamzeitfahren

(rsn) – Nachdem die Spanien-Rundfahrt im vergangenen Jahr von Torrevieja an der Costa Blanca vorbei an Madrid in den Norden nach Asturien an den Atlantik und zur abschließenden Bergankunft an den L

25.04.2024Zwölf deutsche Profis auf vorläufiger Startliste des Giro d´Italia

(rsn) – Insgesamt zwölf deutsche Profis werden nach aktuellem Stand am 4. Mai den 107. Giro d’Italia in Angriff nehmen, wie aus der vom Veranstalter RCS Sport veröffentlichten vorläufigen Start

25.04.202422 Teams am Start der 3. Tour de France Femmes

(rsn) – Mit insgesamt 22 Teams wird am 12. August im niederländischen Rotterdam die 3. Tour de France Femmes (2.WWT) gestartet. Beim Grand Départ dabei sein werden auch die beiden deutschen Frauen

24.04.2024Highlight-Video der 1. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Der Franzose Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat sich die 1. Etappe der Tour de Romandie gesichert. Nach 165,7 Kilometern vom Château-d´Oex nach Fribourg, wobei sechs Bergwer

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Gracia Orlová (2.2, CZE)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)