Giant-Alpecin lässt Martin in Cambrai entwischen

Zu spät reagiert: Degenkolb wieder Zweiter

Von Felix Mattis aus Cambrai

Foto zu dem Text "Zu spät reagiert: Degenkolb wieder Zweiter"
John Degenkolb (Giant-Alpecin) sprintet in Cambrai auf Rang zwei der 4. Tour-Etappe. | Foto: Cor Vos

08.07.2015  |  (rsn) - Von Druck keine Spur - zumindest konnte man das denken, wenn man John Degenkolb (Giant-Alpecin) morgens vor dem Start der 4. Etappe am Teamhotel in Lüttich sah. Der Paris-Roubaix-Sieger wirkte entspannt, als er in den Bus stieg, um zum Start nach Seraing zu fahren, wo jenes 223,5 Kilometer lange Teilstück begann, das dazu auserwählt schien, ihm endlich den lange ersehnten ersten Tour-Etappensieg zu bescheren.

Knapp acht Stunden später zeigte sich in Cambrai aber ein ganz anderes Bild: Laut fluchend rollte Degenkolb nach der Zieldurchfahrt die rund 500 Meter zum Mannschaftsbus hinauf. Er zog drei, vier, fünf Mal sein Vorderrad in die Luft und knallte es jedes Mal mit größerer Wucht wieder auf den Asphalt. Irgendwo mussten die Emotionen, die Wut und die Enttäuschung hin.

Zum vierten Mal in seiner Karriere hatte der 26-Jährige eine Tour-Etappe auf Rang zwei beendet. Da war es selbstverständlich auch kein Trost, dass der Sieg an seinen Kumpel Tony Martin (Etixx-Quick-Step) ging. Degenkolb ließ seine Rolle zum Ausfahren am Bus von den Fans und Medienvertretern weggedreht und möglichst weit entfernt aufstellen. Er setzte sich darauf und legte sich nach vorne über den Lenker, schien zu weinen - minutenlang.

Sowohl Trainer Marc Reef als auch Vater Frank beruhigten ihn mit Streicheleinheiten, in die Öffentlichkeit wollte Degenkolb am liebsten aber trotzdem nicht treten. Einzig die ARD durfte kurz mit dem Roubaix-Sieger sprechen. „Es ist schön für Tony, dass er den Sieg und das Gelbe Trikot hat. Aber es kann sich jeder vorstellen, dass ich enttäuscht bin", erklärte der Wahl-Frankfurter auf die Frage, was er über den „deutschen Doppelsieg" denke.

Besonders bitter war die Niederlage, weil Degenkolb auf den ansteigenden 500 Schlussmetern der Etappe in Cambrai der Schnellste war. Er gewann den Sprint der Verfolgergruppe, erreichte den Zielstrich aber eben drei Sekunden nach Solist Martin. Der hatte 3,5 Kilometer vor dem Ziel attackiert, und mit seinem Vorstoß einen Moment erwischt, in dem die Konkurrenz unaufmerksam war.

Obwohl jeder wusste, dass der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister extrem scharf aufs Gelbe Trikot war und deshalb im Finale noch würde angreifen müssen, gelang es niemanden, Martins Attacke abzuwehren oder mitzuspringen. „Wir haben vielleicht einen Moment zu lange gezögert - und das war der Moment, der am Ende gefehlt hat", sagte Degenkolb.

An seiner Seite waren zum Zeitpunkt von Martins Angriff noch Sprintanfahrer Koen de Kort und der französische Kletterer Warren Barguil. Letzterer hätte nach allen Regeln der Logik Martins Angriff kontern oder als Helfer des Top-Favoriten zumindest sofort die Führungsarbeit in der Verfolgergruppe übernehmen müssen. Doch in den ersten Sekunden blieb Chris Froomes Sky-Helfer Geraint Thomas an der Spitze - und der musste Martin nicht hinterherfahren, denn Froome wollte die Gesamtführung nicht um jeden Preis verteidigen.

„Niemand hat reagiert, alle haben darauf gewartet, dass wir was machen", bedauerte Barguil, der auch zugab: „Ich habe gewartet, dass man mir den Befehl zum Losfahren gibt, aber ich wäre besser sofort gestartet, um das Loch so schnell wie möglich zu schließen. Tony Martin ist allerdings auch sehr stark. Wenn man ihm zwei Meter lässt, ist es vorbei."

Martins Sportdirektor Rolf Aldag nahm Degenkolbs Giant-Alpecin-Team in Schutz. „Nach 220 Kilometern kann man nicht erwarten, dass das wie Schachspielen ist", sagte er auf die Frage von radsport-news.com, ob die Konkurrenz Martins Angriff nicht hätte erwarten und somit an dessen Hinterrad kleben müssen. „Im Nachhinein kann man immer analysieren, aber im Rennen sind alle auf den Knien." Außerdem ist Aldag sicher: „Wenn sie das Loch zufahren, gewinnt John auch nicht. Da bin ich fest von überzeugt. Dann ist nämlich Mark Cavendish ausgeruht am Hinterrad."

Der Etixx-Sportdirektor verstand nicht, wieso Cofidis nicht in die Bresche sprang. „Die waren auch noch zu viert und hatten Nacer Bouhanni dabiei", erklärte er. Neben Degenkolb und Bouhanni war auch Peter Sagan (Tinkoff-Saxo) als aussichtsreicher Sprinter noch in der großen Favoritengruppe. Doch der Slowake arbeitete bis zum Schlusskilometer ausschließlich für Alberto Contador und pilotierte den Spanier auch nach dem Kopfsteinpflaster noch.

Letztlich blieb die Arbeit an Giant-Alpecin hängen, doch Degenkolbs Helfer konnten gegen den riesigen Siegeswille und die starken Zeitfahrerbeine von Martin nichts ausrichten. So muss Degenkolb trotz des Sprintsieges weiter auf seinen Tour-Etappensieg warten.

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.11.2015Prudhomme: "Forderung absurd hoch und unbegründet"

(rsn) –Tour-Direktor Christian Prudhomme bestreitet die Rechtmäßigkeit der Forderung des Niederländischen Radsportverbands (KNWU), der von der ASO 140.000 Euro für den Grand Départ der Frankrei

03.11.2015Niederländischer Verband wartet auf Geld von der ASO

(rsn) - Der Niederländische Radsportverband KNWU hat sich an die UCI gewendet, weil er seit vier Monaten auf eine Zahlung der ASO in Höhe von 140.000 Euro wartet. Das berichtet das niederländische

16.08.2015Dopingproben der Tour sollen erneut getestet werden

(rsn) - Keiner soll sich sicher fühlen! Auch nicht, wenn die Rennen rum sind. Deshalb sollen die Dopingproben der gerade beendeten Tour de France nachträglich auf das neue Epo-Stimulanzmittel 

30.07.2015Bahamontes traut Valverde den Tour-Sieg zu

(rsn) – Federico Bahamontes traut Alejandro Valverde (Movistar) den Tour-Sieg zu und hat seinen Landsmann aufgefordert, im kommenden Jahr das Gelbe Trikot ins Visier zu nehmen. „Wenn er Dritter ge

28.07.2015Voß war zu früh in Topform

(rsn) – Auf die Frage, wie die am Sonntag zu Ende gegangene Tour de France für ihn verlaufen sei, fand Paul Voß gegenüber radsport-news.com nur zwei Worte: „Nicht zufriedenstellend.“ Nach seh

27.07.2015Wie kommt der „Engel" ins Tour-Finale?

(rsn) - Wir trauten unseren Augen nicht, als wir das von Philousport bei Twitter eingestellte Video (siehe die beiden Links unten) betrachteten. Es sah aus, als stünde ein „Engel" mit flatternden F

27.07.2015Jugendlicher Schwarzfahrer soll Absperrung durchbrochen haben

Paris (dpa) - Ein Jugendlicher ohne Führerschein ist wohl für den Zwischenfall vor dem Finale der Tour de France am Sonntag verantwortlich, bei dem die Pariser Polizei Schusswaffen einsetzte.

27.07.2015Denk: „Das Glück war nicht auf unserer Seite"

(rsn) - Ein Etappenpodium, zwei weitere Platzierungen in den Top Ten, der 25. Platz in der Gesamtwertung sowie zwei Auszeichnungen als aktivster Fahrer sind die Bilanz des deutschen Bora-Argon 18-Team

27.07.2015Nun will Greipel auch in Hamburg seinen ersten Sieg

Paris (dpa/rsn)- Am Sonntag gewann André Greipel (Lotto Soudal) erstmals in seiner Karriere die letzte Tour-Etappe auf den Champs Élysées. Im Ziel wartete sein Jugendtrainer Peter Sager um mit dem

27.07.2015Brailsford: „Die Kritiker haben uns geholfen, die Tour zu gewinnen“

Paris (dpa/rsn) - Erst gab es Dosenbier, dann Champagner - und aus den Boxen dröhnte der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Queen-Hit „We are the Champions“. Bevor Christopher Froome

27.07.2015Movistar die beste Mannschaft, aber Sky stellt den Sieger

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

27.07.2015Lotto Soudal dominiert die Sprints, IAM erreicht sein Ziel

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

Weitere Radsportnachrichten

28.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Männer

(rsn) – Der Ostersonntag wirft seine Schatten voraus: Am 31. März versammelt sich das WorldTour-Peloton in Antwerpen zum Start der 270,8 Kilometer langen Ronde van Vlaanderen. Das Heiligtum des bel

28.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Frauen

(rsn) – Wenn die Männer nach ihrem Start in Antwerpen bereits 120 Rennkilometer hinter sich haben und erstmals durch Oudenaarde kommen, stellen sich dort auf dem Marktplatz des Zielorts der Ronde v

28.03.2024Märkl will auch bei der Ronde “vor das Radrennen“

(rsn) – Wie schon beim E3 Saxo Classic schaffte Niklas Märkl (DSM Firmenich – PostNL) auch bei Dwars door Vlaanderen den Sprung unter die Ausreißer des Tages. Doch während sein Fluchtbegleiter

28.03.2024Trotz Sturz: Pedersen ist für Ronde-Start zuversichtlich

(rsn) – Ausgerechnet kurz vor der Flandern-Rundfahrt, dem Höhepunkt der flämischen Klassikersaison, wurde Lidl – Trek mächtig gebeutelt. Bei Dwars door Vlaanderen waren mit Gent-Wevelgem-Sieger

27.03.2024Nach Van-Aert-Crash: Kanarieberg hat bei Klassikern wohl ausgedient

(rsn) – Positionskampf bei Höchstgeschwindigkeiten, auf breiter Straße abschüssig in Richtung Ronse: Das waren die Bilder, die die flämischen Klassiker auf der N48 in der Anfahrt zum engen Recht

27.03.2024Teamchef Stam bestätigt: Vollering verlässt SD Worx

(rsn) – Demi Vollering wird SD Worx – Protime nach der Saison 2024 verlassen. Das bestätigte Sportdirektor Danny Stam am Mittwochmittag gegenüber GCN. "Ja, das ist definitiv sicher", sagte der N

27.03.2024Rennarzt-Wagen baut Unfall mit Soudal-Teamfahrzeug

(rsn) – Der Unfall zweier wichtiger Begleitfahrzeuge im Männerrennen von Dwars door Vlaanderen hat am Mittwoch für eine halbstündige Unterbrechung des Frauenrennens gesorgt. Da die Frauen hinter

27.03.2024Van Aert erleidet beim Dwars-Crash multiple Brüche

(rsn) – Die Ronde van Vlaanderen wird am Sonntag ohne ihren großen Lokalmatador Wout Van Aert (Visma – Lease a Bike) über die Bühne gehen. Der 29-jährige Belgier war am Mittwoch bei Dwars doo

27.03.2024Politt entgeht mit Glück van Aerts Sturz bei Dwars door Vlaanderen

(rsn) – Zweimal landete Nils Politt (UAE Team Emirates) schon in den Top Ten bei Dwars door Vlaanderen, diesmal schrammte er mit dem zwölften Rang knapp vorbei. Angesichts des schweren Sturzes gut

27.03.2024Küng: “Mehr als Platz zwei wäre nicht möglich gewesen“

(rsn) – Immer gut dabei war Stefan Küng (Groupama – FDJ) bei seinen Renneinsätzen in diesem Frühling, aber ein richtig zählbares Ergebnis fehlte dem Schweizer bislang noch. Doch mit seinem dr

27.03.2024Vos gewinnt Dwars door Vlaanderen und feiert 250. Sieg

(rsn) – Marianne Vos (Visma – Lease a Bike) hat die siebte Austragung von Dwars door Vlaanderen (1.Pro) gewonnen. Nach Platz 3 im Vorjahr setzte sie sich im Zweiersprint gegen Shirin van Anrooij (

27.03.2024Visma feiert mit Jorgenson, muss aber Van-Aert-Aus verschmerzen

(rsn) – Obwohl Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike) die 78. Ausgabe von Dwars door Vlaanderen als Solist gewonnen hat, verlebte seine Mannschaft einen schwarzen Tag. Wout van Aert (Visma – Le

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine