Paris-Nizza-Triumph im Schatten von Corona

Pömer: “Max ist ein absoluter Siegfahrer“

Von Tom Mustroph aus Valdeblore La Colmiane

Foto zu dem Text "Pömer: “Max ist ein absoluter Siegfahrer“"
Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) | Foto: Cor Vos

15.03.2020  |  (rsn) - Maximilian Schachmann gewinnt Paris – Nizza. “Das ist sicher der größte Erfolg für Max, und auch einer der größten für Bora hansgrohe“, sagte Christian Pömer, sportlicher Leiter des Rennstalls, radsport-news.com in Valdeblore La Colmiane. Pömer war sichtlich gezeichnet. Von der Aufregung des Rennens selbst, aber auch von den ganzen Begleiterscheinungen des Coronavirus.

“Als zu Beginn des finalen Anstiegs die Gruppe auf drei Minuten weg war, wurde es schon etwas unruhig im Auto. Wir wussten nicht, welche Form Alaphilippe hat. Und Thomas De Gendt fährt zwar nicht oft lange Berge schnell hoch, aber er kann das. Er ist, wie man das im Radsport sagt, ein echtes ‘Tretschwein’. Und er kann dafür sorgen, dass eine Gruppe lange vorn bleibt“, beschrieb Pömer die sportlichen Sorgen. Dann aber riss die Österreicher-Fraktion unter seinen Fahrern das Geschehen an sich. Die Ausreißer wurden kontrolliert. Und Schachmann konnte in Gelb jubeln.

Ans andere Gelbe, das der Tour de France, mochte der Berliner aber noch nicht denken. “Ich weiß, dass ich einwöchige Rennen gut fahren kann. Das war schon im letzten Jahr so. Jetzt wird die Zukunft zeigen, wie es weitergeht“, meinte er vorsichtig. Pömer wollte sich da schon etwas weiter aus dem Fenster lehnen. “Wir haben mit Max einen absoluten Siegfahrer verpflichtet. Wir wollen ihn weiter entwickeln und einen Rundfahrer aus ihm machen“, meinte er.

Über der nächsten großen Rundfahrtprüfung für Schachmann steht aber ein großes Fragezeichen. “Eigentlich sollte er beim Giro starten“, sagte Pömer und zuckte mit den Schultern. ‘Eigentlich’ – das ist derzeit ein weitverbreitetes Wort im Radsport. Eigentlich sollte Paris – Nizza auch acht Etappen haben und nicht sieben. “Wir haben uns dann gemeinsam mit der UCI (Radsportweltverband), mit dem (Französischen) Verband, mit den Teams und mit den Behörden darauf geeinigt, die letzte Etappe in Nizza nicht mehr zu fahren“, sagte ASO-Mitarbeiter Francois Lemarchand Journalisten.

Ausschlaggebend dafür waren einerseits Bedenken der Behörden der 340.000 Einwohner zählenden Stadt, die geforderten Sicherheitsabstände zwischen Publikum und Peloton einhalten zu können. Und zum anderen suchten immer mehr Mannschaften das Weite. Sieben Teams waren erst gar nicht nach Paris gereist. Bahrain – McLaren und Israel Start-Up Nation verließen am Donnerstag und Freitag das Rennen. Hintergrund war vor allem die Befürchtung, bei den sich verschärfenden Sicherheitsbedingungen in zahlreichen Ländern nicht mehr nach Hause zu kommen. “Die Situation hat sich doch beinahe stündlich verändert. Die Fahrer hatten Sorge, und das hat zu der Entscheidung geführt“, erklärte Dirk Demol, sportlicher Leiter bei Bahrain.

Corona hielt das Rennen in Atem

Auch Kjell Carlström, Manager des Rennstalls Israel Start Up Nation, führte dies in einem Telefonat mit radsport-news.com als wichtigsten Grund für den Rückzug an. Selbst bei den Fahrern, die bis zum Ende dabei blieben, war diese Angst weit verbreitet. “Wer will schon zwei Wochen lang in Frankreich eingesperrt sein?“, meinte Nico Denz zu radsport-wews.com. Sunweb-Neuzugang Denz, der in Frankreich bei AG2R das Radsport-Handwerk erlernte, ist der letzte, der sich nicht wohl fühlen würde im Hexagon. Aber auch er kann natürlich bestens auf Quarantäne verzichten. Weil auch die Nachrichten über die Flugverkehr sich immer wieder ändern, werden die Sunweb-Profis im Auto nach Hause kutschiert, verriet Denz.

Corona verändert den Radsport auch in solchen kleinen Dingen. Größere Änderung war der Verzicht auf jegliches Publikum an Start und Ziel. Denz fühlte sich an Jugendrennen erinnert, “ bei denen außer den Eltern niemand an der Strecke steht“. Anders war auch, dass maximal zwei Teams im selben Hotel logierten. Leere Trinkflaschen wurden nicht mehr Zuschauern gegeben, sondern brav bei den Teamfahrzeugen abgeliefert. Auf den Massageliegen wurde zumindest bei einigen Teams nach jedem Durchgang die Laken gewechselt. Masken hatte aber niemand auf.

Den sozialen Sicherheitsabstand von einem Meter hielt das Peloton selbstverständlich auch nicht ein. “So kannst du keine Rennen fahren“, meinte Denz trocken. Er beobachtete auch, dass die anfänglichen Scherze im Peloton über Huster und Nieser im Laufe der Tage stark abnahmen. Die Unsicherheit fuhr mit im Peloton, auch weil immer mehr Fahrer und Teams ausschieden.

Diese Unsicherheit ist jetzt vorbei. Paris – Nizza war das vorerst letzte große Rennen. John Degenkolb (Lotto Soudal) ist zwar noch für die Flandern-Rundfahrt gebucht. Aber so recht glaubt der Frankfurter nicht daran. Nicht einmal für sein Lieblingsrennen Paris – Roubaix würde er einen Pflasterstein verwetten. “Ich habe keine Ahnung. Ich kann dazu nichts sagen. Ich bin kein Doktor, ich bin kein Virologe. Ich bin nur Radfahrer. Und ich denke, wir müssen, egal was für eine Entscheidung rauskommt, diese dann akzeptieren“, meinte er am Zielstrich von Valdeblore La Colmiane.

Die nächsten Wochen werden bei den einzelnen Teams unterschiedlich gehandhabt. “Wir sind angehalten, jeweils allein zu trainieren“, sagte Sunweb-Profi Nikias Arndt zu radsport-news.com. Nils Politt, mit der Israel Start-Up Nation einen Tag früher von Paris – Nizza abgereist, kann sich auch vorstellen, in der gewohnten kleinen Trainingsgruppe seine Runden zu drehen. AG2R-Chef Vincent Lavenu will sogar, so sagte er radsport-news.com, seine Fahrer zu Minitrainingslagern in der Nähe der Teambasis Chambery zusammenziehen. “Das Problem ist, man weiß nicht, wann es wieder los geht. Dann muss man aber sofort wieder in Form sein“, benannte Schachmann das Dilemma. Selbst wenn keine Rennen stattfinden, beeinflusst der Coronavirus den Radsport.

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.05.2020Dumoulin beendet seine persönliche MPCC-Mitgliedschaft

(rsn) - Tom Dumoulin hat seine Mitgliedschaft in der "Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport", kurz MPCC, für beendet erklärt. Der Niederländer kann sich nicht mehr mit allen Aussagen und Rich

10.04.2020Maximilian Schachmann: Da kann noch viel kommen

(rsn) - Sein Antlitz wird angesichts der Corona-Pandemie wohl noch einige Wochen prominent oben angepinnt sein auf den Ergebnis-Websites des Radsports: Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe). Der De

20.03.2020Niermann: “Es kann dauern, bis wir wieder Rennen fahren“

(rsn) - Das niederländische Team Jumbo - Visma trat im Gegensatz zu den meisten anderen Rennställen wegen der Corona-Pandemie schon vor Paris - Nizza in eine Zwangspause. Im Interview mit radsport-n

19.03.2020Team Sunweb: Angriffslustig zum Erfolg

(rsn) - Nicht wenige Beobachter haben dem Team Sunweb nach dem Weggang von Superstar Tom Dumoulin und dem personellen Umbruch samt strategischer Neuausrichtung eine schwierige Saison 2020 prognostizie

17.03.2020Arkea - Samsic will mit Quintana die Tour de France gewinnen

(rsn) - Das starke Frühjahr von Neuzugang Nairo Quintana lässt Arkéa-Samsic träumen. "Wir wollen natürlich die Tour gewinnen", sagte Sportdirektor Yvon Ledanois nach dem Etappensieg seines KapitÃ

17.03.2020Wiggins: “Warum wurde Paris-Nizza nicht abgesagt?“

(rsn) - Warum fuhr Paris-Nizza immer noch durch Frankreich, während sich rundherum das Coronavirus ausbreitete und fast alle Sportevents abgesagt wurden? Das fragten sich viele. Auch Ex-Toursieger Br

16.03.2020Schachmann: “Der Sport ist jetzt Nebensache“

(rsn) - Nach dem bisher größten Erfolg seiner Karriere stehen für Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) angesichts der Corona-Pandemie andere als sportliche Aspekte im Fokus. Gegenüber radsport

16.03.2020Nibali geht zufrieden in die Zwangspause

(rsn) - Mit einer soliden Vorstellung bei Paris-Nizza hat sich Vincenzo Nibali in die nun anstehende “Corona-Pause“ verabschiedet. Der neue Star von Trek - Segafredo zeigte sich auf den beiden abs

15.03.2020Die ASO präsentierte sich als das kleine gallische Dorf

(rsn) - Widerstand ist eine französische Nationaltugend. Schon in einer ganzen Galaxie von Comic-Heften wurde ausgebreitet, wie ein kleines gallisches Dorf den Römern trotzte. Der Asterix dieser Tag

15.03.2020Bora - hansgrohe auch zu viert wie ein Champion-Team

(rsn) - Einen Tag früher als geplant ging ein in mehrfacher Hinsicht denkwürdiges Paris-Nizza zu Ende. Die deutschen Fans konnten sich über den letztlich souverän herausgefahrenen Sieg von Maximil

15.03.2020Großschartner: “Ich bin froh, dass es nun vorbei ist“

(rsn) - Fünf Plätze in der Gesamtwertung ging es noch zurück für Felix Großschartner am letzten Tag von Paris-Nizza. Der junge Österreicher opferte seine gute Platzierung zu Gunsten seines Teamk

14.03.2020Highlight-Video der 7. Etappe von Paris-Nizza

(rsn) - Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) hat am letzten Tag des 78. Paris-Nizza souverän sein Gelbes Trikot verteidigt und den größten Erfolg seiner bisherigen Karriere gefeiert. Auf der ab

Weitere Radsportnachrichten

24.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

24.04.2024Godon und Vendrame sorgen für Decathlon-Doppelschlag

(rsn) – Synchroner Jubel auf Platz eins und zwei, dahinter kollektiver Ärger: Decathlon – AG2R La Mondiale hat durch Dorian Godon und Andrea Vendrame auf der 1. Etappe der Tour de Romandie (2.UWT

24.04.2024“Unglaublich“: Dorn fährt auf Ansage ins Bergtrikot

(rsn) – Das Team Bike Aid, allen voran Vinzent Dorn, zeigt sich bei der Tour of Turkiye (2.Pro) weiterhin von der allerbesten Seite. Dorn schaffte es auf der 4. Etappe, die über 138 Kilometer von

24.04.2024Uhlig bremst, Andresen gewinnt vor van Poppel

(rsn) – Tobias Lund Andresen (dsm-firmenich – PostNL) hat auf der 4. Etappe der Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Sieg als Profi gefeiert und damit auch die Gesamtführung an sich gerissen.

24.04.2024Bahn WM 2025 zum zweiten Mal nach Südamerika vergeben

(rsn) - Wie der Weltradsportverband UCI am Mittwoch bekanntgab, werden die Bahnweltmeisterschaften vom 15. bis zum 19. Oktober im Velódromo Peñalolén in Santiago de Chile stattfinden. Zunächst hat

24.04.2024Hindley und Lipowitz verlängern bei Bora - hansgrohe

(rsn) – Bora – hansgrohe hat die Verträge seiner beiden Kletterer Jai Hindley und Florian Lipowitz verlängert. Wie immer machten die Raublinger keine Angaben über die Laufzeiten der Arbeitspapi

23.04.2024Pogacar: “Ich kann noch etwas besser werden“

(rsn) – Nach seinem überragenden Auftritt bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, wo er sich mit einem 35-Kilometer-Solo zum zweiten Mal nach 2021 den Sieg sicherte, verbringt Tadej Pogacar (UAE Team Emira

23.04.2024Del Toro verlängert bei UAE Emirates vorzeitig bis Ende 2029

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

23.04.2024Zijlaard fliegt am schnellsten um die 13 Kurven von Payerne

(rsn) – Maikel Zijlaard (Tudor) hat seinem Ruf als Spezialist für sehr kurze Prologe alle Ehre gemacht und in Payerne das 2,3 Kilometer lange Auftaktzeitfahren der 77. Tour de Romandie gewonnen.

23.04.2024Berlin nach Kraftakt in der Gruppe, Dorn verteidigt Weiß

(rsn) - Während Rembe Sauerland bei der Tour of Türkiye (2.Pro) erstmals die Gruppe des Tages verpasste, konnte das Team Bike Aid auch auf der 3. Etappe einen Fahrer in der hart umkämpften Fluchtg

23.04.2024Highlight-Video der 3. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Für Bora – hansgrohe will es bei der 59. Türkei-Rundfahrt einfach nicht laufen. Auch auf der 3. Etappe über 147 Kilometer zwischen Fethiye und Marmaris ging das Raublinger Team leer aus

23.04.2024Zu früh gefreut: Van Poppel zurückgesetzt, Lonardi Etappensieger

(rsn) – Nachdem es an den ersten beiden Tagen der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) nicht nach Wunsch gelaufen war, schien bei Bora – hansgrohe auf der 3. Etappe der Knoten geplatzt. Danny van Poppel

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)