Regenschlacht an 33-km-Anstieg ums Podium

Verkürzt - na und?! Epischer Showdown in Val Thorens wartet

Von Felix Mattis aus Tignes

Foto zu dem Text "Verkürzt - na und?! Epischer Showdown in Val Thorens wartet"
In Lauerposition, von vorn: Steven Kruijswijk, Geraint Thomas und Emanuel Buchmann | Foto: Cor Vos

27.07.2019  |  (rsn) - Zweieinhalb Wochen lang haben die Kandidaten auf den Gesamtsieg bei der Tour de France auf die gefürchtete Alpen-Trilogie hingearbeitet. Sie haben um Sekunden gekämpft, sich in den Pyrenäen attackiert und im Zeitfahren von Pau ihre Kräfte gemessen - immer aber mit dem brutalen Finale im Hochgebirge jenseits der 2.000-Meter-Marke auf den Etappen 18, 19 und 20 im Hinterkopf. Dafür musste man sich Reserven lassen.

Nun aber hat das Wetter einen dicken Strich durch die Rechnungen der Protagonisten, ihrer Coaches und Sportdirektoren gemacht. Heftige Regenfälle und Hagelschauer haben nach wochenlanger Dürre für mehrere Erdrutsche gesorgt und die Tour-Organisatoren gezwungen, die zwei entscheidenden Alpenetappen drastisch zu verkürzen.

Trotzdem steht uns am Samstag ein epischer Showdown ins Haus - auf einer Etappe, die sogar noch kürzer sein wird als die im vergangenen Jahr so heiß diskutierte Kurz-Bergetappe in den Pyrenäen zwischen Bagneres-de-Luchon und Saint-Lary-Soulan: Nur 59 Kilometer stehen zwischen Albertville und Val Thorens auf dem Programm. Besser fürs Fernsehen geeignet kann eine Tour-Etappe kaum sein: zwei Stunden Vollgas!

Weil der Cormet de Roseland wegen eines Erdrutschs und weiter anhaltender Erdrutschgefahr bei dem angekündigten Dauerregen nicht überquerbar ist, führt die 20. Etappe auf direktem Weg von Albertville über 26 fast flache Kilometer nach Moutiers. Dort beginnt der 33,4 Kilometer lange Schlussanstieg hinauf nach Val Thorens.

Alaphilippe plötzlich doch wieder Podest-Kandidat

Egan Bernal (Ineos) startet nach seiner Attacke am Col de l'Iseran am Freitag als neuer Gesamtführender in das entscheidende Teilstück um den Tour-Sieg und ist der klare Top-Favorit auf den Tour-Sieg. Doch mit fünf Fahrern innerhalb von zwei Minuten erwartet uns ein hochspannender Kampf um die Podestplätze - in dem trotz ausgehender Kräfte an Col du Galibier und Iseran auch Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step / 2. mit 48 Sekunden Rückstand) noch eine wichtige Rolle spielen dürfte.

Dem Franzose nämlich kommt die Verkürzung entgegen. Denn auch wenn der Anstieg nach Val Thorens extrem lang ist, so ist er nun eben der einzige Berg der Etappe und Alaphilippe ist zuzutrauen, dass er sich mit einem letzten Kraftakt an der Konkurrenz festbeißt und sogar den zweiten Gesamtrang rettet - zumal Ineos kein Tempo zum Attackieren, sondern nur zum Kontrollieren anschlagen wird. Es ist also an Bora - hansgrohe und Jumbo - Visma, Alaphilippe unter Druck zu setzen.

Flachstücke drücken die Steigungsprozente

Der Schlussanstieg nach Val Thorens ist im Schnitt nur 5,4 Prozent steil, beinhaltet aber auch drei kurze Gegenabfahrten und etwa in der Mitte einen drei Kilometer langen nur leicht ansteigenden Abschnitt. Das drückt den Schnitt und täuscht darüber hinweg, wie schwer der Berg tatsächlich ist, mit 24 von 33 Kilometern jenseits der 7-Prozent-Marke.

Es gibt somit mehr als genug Spielraum für Angriffe aufs Podium oder sogar auf das Maillot Jaune von Bernal, wenn der Kolumbianer widererwarten schwächeln sollte. Der Gesamtdritte Geraint Thomas (Ineos / + 1:16) hat angekündigt, sich voll in dessen Dienst zu stellen. Dass er aber auch wartet, wenn Bernal einbricht, scheint unwahrscheinlich. Dann wird der Titelverteidiger selbst für Ineos um den Tour-Sieg kämpfen dürfen und auch müssen.

Kruijswijk und Buchmann: Voll auf Attacke?

Für Steven Kruijswijk (Jumbo - Visma / 4. + 1:28) und Emanuel Buchmann (Bora - hansgrohe / 5. + 1:55) gilt es, wenn sie aufs Podium wollen, Zeit gut zu machen. Dazu bieten sich grundlegend zwei Möglichkeiten an: Jumbo - Visma könnte versuchen, mit Laurens De Plus und George Bennett ein so hohes Tempo anzuschlagen, dass Alaphilippe zermürbt und alle Ineos-Helfer abgeschüttelt werden, damit dann Kruijswijk im Finale attackieren und den Franzosen abschütteln sowie Thomas in die Helferrolle für Bernal drängen kann. Auf diese Attacke müsste dann wohl auch Buchmann warten.

Die riskantere, aber auch potenziell den höheren Gewinn versprechende Variante wären frühere Attacken des Gesamtvierten und -fünften. Nur wenn sie selbst Vollgas geben, können sie sicherstellen, dass alle Ineos-Helfer früh abgehängt werden und Thomas lange für Bernal arbeiten muss, so dass er am Ende müde ist und Zeit verliert.

Hat Bernal noch einen schlechten Tag?

Und nur so können sie auch herausfinden, ob Bernal selbst einen schlechten Tag hat und sie das Gelbe Trikot noch in Gefahr bringen können. Mit einem späten Antritt sind mehr als 1:30 Minuten Rückstand auf den Kolumbianer nicht aufzuholen und somit die Tour nicht zu gewinnen. Das Risiko dabei für sowohl Kruijswijk als auch Buchmann: sich selbst zu übernehmen, zu explodieren und noch aus den Top 5 zu purzeln - wobei das Polster zu Mikel Landa (Movistar / 6. + 4:35) komfortabel und die Gefahr damit nicht allzu groß ist.

Wie wird das Duo in Lauerstellung hinter den Podestplätzen den alles entscheidenden 'halben Arbeitstag' angehen? Die Antwort bekommen wir am Samstagnachmittag.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.07.2020Video-Rückblick: Bernals Weg zum Tour-Triumph

(rsn) - Vor genau einem Jahr gewann Egan Bernal (Ineos) als erster Kolumbianer die Tour de France. Nach einem harten Kampf über drei Wochen wurde der damals 22-Jährige am 28. Juli 2019 am Ende der 1

18.02.2020Tour-Sieger Bernal gewinnt Laureus World Sports Awards

(rsn) - Tour-de-France-Gewinner Egan Bernal (Ineos) ist als erster Radsportler seit Lance Armstrong mit dem Laureus World Sports Awards ausgezeichnet worden. Der 23-jährige Kolumbianer gewann die Wer

04.12.2019Van Aert: “Als würde ich bei lebendigem Leib brennen“

(rsn) - Wout Van Aert (Jumbo-Visma) hat sich erstmals die Aufzeichnung seines schrecklichen Sturzes bei der Tour de France angeschaut und im Rahmen der flämischen Doku-Serie Het Huis (Das Haus) ein I

15.11.2019Wetter-Wahnsinn bei Giro, Tour und WM

(rsn) - Extremwetter macht auch vor dem Radsport nicht halt. Eurosport hat in einem Video die fünf wildesten Szenen bei Radrennen zusammengefasst, die von Regen oder Schnee heimgesucht wurden.

24.10.2019Mitchelton - Scott: Vier Tour-Etappensiege als Saison-Highlights

(rsn) - Am Ende einer Saison, in der die GrandTour-Kandidaten Simon und Adam Yates sowie Esteban Chaves die großen Klassementhoffnungen nicht erfüllen konnten, zieht Mitchelton - Scott dennoch ein p

08.09.2019Van Aert sitzt erstmals seit Tour-Aus wieder auf dem Rad

(rsn) - "Guess what?! :)" - so betitelte Wout Van Aert am Sonntagmorgen eine Aktivität auf Strava. Und ja, ratet mal: Der Belgier saß erstmals seit seinem schweren Unfall im Einzelzeitfahren der Tou

06.09.2019Van Aert: OP-Fehler verlängerte die Zwangspause

(rsn) - Die Rechtskurve aus dem Tunnel unter dem Parc du Chateau heraus in die Rue d´Etigny, kurz vor der 1.000-Meter-Marke im Einzelzeitfahren der Tour de France in Pau: Maximilian Schachmann (Bora

16.08.2019Bardet wird in dieser Saison keine Rennen mehr bestreiten

(rsn) - Nach einer trotz des Gewinns des Bergtrikots enttäuschend verlaufenen Tour de France hat sich Romain Bardet (AG2R) dazu entschlossen, 2019 keine Rennen mehr zu bestreiten. "Gemeinsam mit dem

02.08.2019Van Aert: Nach zwei Operationen vor langer Rehabilitation

(rsn) - Nach zwei Operationen an seiner Oberschenkelwunde ist unklar, wann Wout Van Aert (Jumbo - Visma) wieder ins Peloton zurückkehren wird. Das teilte sein Team bereits vor einigen Tagen mit. Am D

02.08.2019Tour-Sieger Bernal kehrt nach der Clasica in seine Heimat zurück

(rsn) - Noch konnte Tour-de-France-Sieger Egan Bernal sein Gelbes Trikot seinen Fans in der Heimat nicht präsentieren. In der zu Ende gehenden Woche bestritt der Kolumbianer noch drei Kriterien in Be

02.08.2019Deceuninck - Quick-Step: Tour-Rückblick im Video

(rsn) - Mit drei Etappensiegen und 14 Tagen das Gelbe Trikot in den eigenen Reihen blickt Deceuninck - Quick-Step auf eine erfolgreiche Tour de France zurück. In einem selbst erstellten Video lässt

01.08.2019Greipel: “Die schlechteste Tour meiner Karriere“

(rsn) – André Greipel (Arkéa – Samsic) hat auf seiner Facebook-Seite seine neunte Tour de Frace bilanziert und betonte dabei, dass diese für ihn absolut nicht zufriedenstellend verlaufen ist.

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

22.04.2024Highlight-Video der 2. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat nach der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg bejubeln können. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von

22.04.2024Tour of Turkiye: Taktischer Fehler kostete Dorn das Bergtrikot

(rsn) – Auch auf der 2. Etappe der Tour of Türkiye (2.Pro) haben die deutschen Kontinental-Teams Bike Aid und Rembe Sauerland das Renngeschehen geprägt. Auf dem 190 Kilometer langen Teilstück zw

22.04.2024Kanter sprintet bergauf zu seinem ersten Profisieg

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat auf der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg eingefahren. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von Kemer

22.04.2024Wiebes wie Kopecky bis Ende 2028 bei SD Worx – Protime

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

22.04.2024SD Worx - Protime: Sponsoren bleiben an Bord

(rsn) – Bei den Ardennenklassikern blieb das erfolgsverwöhnte Team SD Worx – Protime ohne Sieg. Dafür allerdings konnte der niederländische Frauen-Rennstall am Tag nach Lüttich-Bastogne-Lütti

22.04.2024Van der Poel: “Auch in Top-Form kann ich Tadej nicht folgen“

(rsn) – Auch wenn es nicht zum dritten Sieg bei einem Monument in dieser Saison reichte, gehörte Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu den Gewinnern des 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich.

22.04.2024Bernal auf allerbestem Weg zurück in die Weltspitze

(rsn) – Am Ende stand für Egan Bernal (Ineos Grenadiers) in Lüttich der 21. Platz auf der Ergebnisliste. Doch das Resultat an sich spiegelte kaum wider, wie stark der Kolumbianer bei seinem Debüt

22.04.2024Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die sechstägige Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertypen etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen ihr

22.04.2024Siege, Spitzenresultate und jede Menge Wertungstrikots

(rsn) - Die deutschen Kontinental-Teams konnten sich bei ihren UCI-Renneinsätzen der vergangenen Woche über zahlreiche Wertungstrikots freuen. Besonders Santic - Wibatech räumte bei der Fernfahrt

22.04.2024“Ich betreibe massiv Aufwand und andere sind hinter dem Auto“

(rsn) – Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) konnte und wollte mit seinem Frust nicht hinter dem Berg halten. Platz zehn bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, das war eine Woche nach seinem Triumph beim Amstel

21.04.2024Trotz Patzer triumphiert Brown bei Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Nach zweiten Plätzen in den Jahren 2020 und 2022 hat Grace Brown (FDJ – Suez) erstmals das Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen gewonnen. Die Australierin ließ nach schweren 152,9 Kilom

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)